Überfall bei Kleinrechtenbach auf Juden aus Wetzlar und Biedenkopf während ihrer Rückreise von der Frankfurter Messe

HStAM 260 Marburg Nr. 10  
Laufzeit / Datum
1569 September 20 - 1574 Februar 28
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Überfall auf von der Frankfurter Messe zurückkehrende Juden aus Wetzlar und Biedenkopf bei Kleinrechtenbach
Am 20. September 1569 berichtet der Gießener Rentmeister Landgraf Ludwig von Hessen von seinen Nachforschungen wegen des am Vortag zwischen Niederkleen (Kleen) und Kleinrechtenbach (Rechtenbach) verübten Uberfalls auf von der Frankfurter Messe zurückkehrende Juden. Die aufgebrochenen Fässer und zerschnittenen Ballen von den geplünderten Wagen sind unter den Hochelheimer Birken gefunden worden. Der Schaden beläuft sich auf etwa 1100 fl.
Am 22. September ersucht Landgraf Ludwig alle benachbarten Grafen, nach den Tätern fahnden zu lassen, und am folgenden Tag geht ein entsprechendes Schreiben an die hessischen Beamten in Eppstein, Rosbach, Butzbach, Königsberg und Grünberg.
Am 25. September berichtet der Jude Michael von Biedenkopf dem Schultheißen zu Gießen, daß er und seine Gefährten, nachdem ihnen der Geleitsbrief durch den Boten des Schultheißen in die Frankfurt Judengasse gebracht worden war 1#Zwar wird in der Niederschrift dieses Berichts der 20. September als Tag des Aufbruchs angegeben, doch wird er folgende Tag des Überfalls als Montag bezeichnet, so daß die Datierung hier wieder mit allen sonstigen Angaben übereinstimmend mit dem 19. anzusetzen und der 20. September als Verschreibung anzusehen ist., noch am gleichen Tag aufgebrochen sind und in Friedberg übernachtet haben. Am folgenden Montag [19. September] sind sie nach einer Mittagsrast in Niederkleen bis kurz vor Kleinrechtenbach gezogen und dort von mehreren Reitern überfallen worden, wobei Michael mit einer Büchse niedergeschlagen und verwundet wurde. Den um ihr Leben bittenden Juden haben die Räuber bedeutet, daß es ihnen nur um das Geld zu tun wäre. Sie haben die Wagen geplündert und dabei Bettbezüge, holländischen Käse, schwarze Kalbfelle und neun hebräische Bücher zurückgelassen. Joseph wurde der Hosenlatz zerschnitten und das Hemd herausgezogen. Die darin entdeckten Kronen hat man ihm abgenommen. Michael hat Schuldbriefe im Wert von 300 fl., zwei Pfund Safran, 3 fl. und 3 Doppeldukaten eingebüßt. Nachdem die Reiter fort waren, haben sich die Juden von ihren Fesseln befreit und den Überfall beim Schultheißen zu Kleinrechtenbach angezeigt, der wenig Lust zeigte, den Tätern nachzusetzen, so daß die Bauern eine Verfolgung verweigerten. Michael hat gehört, daß Salomons Schwiegersohn Joseph zu Wetzlar unter den Räubern einen von Niedererlenbach erkannt hat.
Der Schultheiß überschickt diesen Bericht der Kanzlei Marburg und fügt ein ihm von der Stadt Wetzlar zugesandtes Verzeichnis 2#Das Schreiben, mit dem die Stadt Wetzlar das Verzeichnis überschickt, ist vom 27. September datiert, der Bericht, in dem der Schultheiß die Übersendung ankündigt, vom 25. September. der bei dem Überfall abhanden gekommenen Waren bei, die zum Teil den Juden teils aber auch Wetzlarer Bürgern und dem Kloster Altenberg gehörten. Im einzelnen werden folgende Verluste gemeldet.

  • „Heß
  • 1 1undisch duch mit der uberleng eilf elen, ist gekauft worden umb 47 fl. minus 2 1/2 patzen mit dem scherlohn;
  • 1/2 1undisch duch und funf elen vor 23 fl. 7 patzen, den scherlohn mit ingerechnet;
  • 1/2 1undisch duch vor 22 fl. 13 patzen mit dem scherlohn;
  • 2 braun burschet 3#burschet - halbseidenes Zeug, ein lichtbraun und ein dunckelbraun vor 8 fl.und 12 batzen ungefahrlich;
  • 1 schwartzen burschet vor 4 fl. und etlich patzen;
  • 1 schwartzen arreß 4#arras - leichtes Wollgewebe aus Arras vor 8 fl. und 12 patzen;
  • 1 schwartzen halben arreß;
  • 1/2 quitenbraun arreß vor 5 fl. und 5 patzen;
  • 1/2 braun arreß vor 4 fl.;
  • noch 1/2 braun arreß vor 4 fl. 4 patzen;
  • 30 eln schwartz daffet 5#daffet - Taft und 15 eln braun in einem brief und noch 15 eln braun daffet in ein besondern brief gewickelt;
  • 2 Ulmer parchen uf die farb vor 6 fl. minus 1 patzen;
  • 3 guiter barchet 6#barchet - Barchent, dichtes Baumwoll-Leinengewebe vor 11 fl.;
  • 3 bomesin vor 14 1/2 fl.;
  • 2 minus ein virthel seiden vor 7 fl.;
  • 1 gantzen zwilch, zweenhalb zweysigler zwilch, ein Eysenacher zwilch 7#zwilch - Zwillich, doppelfädig gewebter derber Leinen- oder Baumwollstoff vor 15 fl. und 10 patzen zusamen;
  • 1 dotzet groiß geel bockvell vor 27 thaler;
  • noch ein dotzet groiß geel bockvell vor 21 thaler;
  • 1/2 dotzet schwartz bockvell vor 6 fl. 1 ort minus 1 creuzer;
  • 1/2 dotzet groiß geel stumpvell böcken vor 7 1/2 fl.;
  • 1 rehehaut vor 21 patzen;
  • 1/2 dotzet korduanisch vell vor 4 1/2 f1.;
  • vor 24 fl. rein leinwandt, darunder ein stuck stulpenduch, helt 15 eln;
  • ein untz golt ahn vier viertelchern;
  • vor ein fl. breit bosament 8#bosament - Posament, Borte, Besatz schnur;
  • vor 24 patzen zwirn, schwartz und bloe;
  • vor 18 patzen weiß zwirn;
  • 4 schechter vor 8 1/2 fl.;
  • vor 8 fl. wurtz und zucker;
  • ein ziech vor 2 fl.;
  • ein halben fl. vor ein frawenwaschcker 9#frawenwaschker - Frauenreisetasche;
  • hatt in seiner satteldaschen gehapt 50 fl. ahn allerley weiß muntz, in seiner thaschen, so er ahn seinen leib getragen, 11 fl., ihm halßbeutel 5 fl. Franckfurter pfennig, ein 15-patzen-thaler, ein alt thaler und vor 2 fl. 3 creutzer 2 ort thalers, 2 fl. sonst an muntz, vor 1 fl. dolch Lotringer, vor 6 th[aler] an rader weißpfennig und mentzisch zehner, vor 3 th[aler] Gottinger;<(/li>)
  • item im stubbich 10#stubbich - Packfaß , 3 perlenbenner, haben 16 thaler gelten wollen.
  • Aron
  • In einer sattelthaschen sampt dem darauf gebundenen beutel 70 thaler ahn alten thalern, ahn konigschen thalern, ahn regaln, an alten patzen, ahn drei creutzern;
  • 1 gurtel vor 29 oder 30 fl. werth ungefehrlich;
  • 1 gulden kleinot mit 3 roiten steinen, 8 oder 9 thaler werth;
  • 1 silbern scheide vor 4 1/2 thaler mit dem bestick;
  • 2 stepseiden vor 8 fl.;
  • 1 gefast carell, ein wolfzahn und sunst silberwerck vor 5 fl.;
  • geel drottgurthel 8 vor 1 thaler;
  • 1 handtschrift von zehen thalern;
  • 2 ducaten.
  • Joiseph Salmens eidumb
  • 2 barchent, mit roiten zeichen, 6 fl. minus 1 patzen;
  • 3 schechter 11#schechter - grobes Leinen vor 7 fl. minus 3 patzen;
  • 1 gellerischen zwilch vor 5 fl.;
  • 1 zwilch vor 4 fl. minus 2 patzen;
  • 1 stuck zwilch vor 5 fl. 1 ort;
  • 6 pfahr rehvell vor 4 1/2 f1.;
  • 4 pfahr bockvell vor 10 f1. 6 patzen;
  • 1 dotzet korduanisch fell vor 9 f1.;
  • 2 arreß, ein braun, den andern schwartz vor 18 fl. 2 patzen;
  • 2 macheier, ein schwartz, der ander bloe und roth vor 7 fl. minus 1 patzen;
  • 1 schwartzen burschet vor 4 fl. zue 16 batzen;
  • 1/2 schartzen burschet vor anderhalb cron;
  • 1/2 schwartz step seiden vor 2 fl.;
  • 1 arressen leibrock mit weissen peltz gefuitert.
  • Simons Micheln
  • 27 cronen, darunder etliche leichte nit gar wichtige geweßen;
  • 12 halbducaten;
  • 17 goltgulden;
  • 11 verbottene gulden;
  • 6 reitender gulden;
  • 1 pfhilipsen fl.;
  • 1 rosennobel;
  • 1 guldenen daumenring, hat ungefehrlich 6 oder 7 cronen gewieen;
  • 1 klein gulden ringlein ungefehrlich 2 goltgulden werth;
  • 1 zerbrochnen ringlein mit einem rubin;
  • 2 gulden regal, jeden vor 20 patzen;
  • 1/2 bleicher ungerischer ducat;
  • 1 unwichtig cron mit einer rosen;
  • 2 engellotten, ein alter und ein newer;
  • 6 alte goltgulden;
  • 1 gulden stirnschloß, kost 3 thaler;
  • 1 silbern muntz, hait hebraisch buchstab;
  • 2 bischoffshenchensgulden;
  • ist dies vorgeschrieben alles in einem leinen ausgenehten secklein in der taschen gewesen;
  • item noch in der taschen 2 duppel ducaten und vor 5 patzen bleiern judenzeichen;
  • 8 alter thaler und 13 newer thaler;
  • 5 gulwert dreibatzener der alten und newen;
  • 8 fl. Eißbruicker und patzen;
  • 5 1/2 fl. pfennig und sunst allerlei muntz;
  • 2 fl. manschfeldisch spitzgroschen;
  • 1 schuldtbrief belangen 23 thaler und 1 ort thalers ahn einem zue Heyer;
  • 1 quint ungeschmeltzt Silber;
  • 1 goltgulden und 1 thaler.
  • Joseph
  • 1/2 arreß;
  • 1 bomesin 12#bomesin - Bombasin, Baumwollgewebe weniger 5 eln;
  • 3 eln und ein virthel lundisch duich, die eln vor 18 1/2 patzen und 1 hirschhaut vor 3 1/2 thaler;
  • 1 pfahr rehvell vor 3 1/2 fl.;
  • 11 zinnen saltzfaßlein vor 16 patzen;
  • 2 becher mit decklein, der ein gahr uberguldt, 23 loit, das loit vor 1 fl., der ander weiß gewesen, 16 loit weniger 1 quint gewiegen, das loit 12 patzen werth gewesen;
  • 2 ingwer vor 2 fl.;
  • 1/2 firthel safran vor 10 patzen;
  • 1 neglein vor 18 patzen;
  • 1/2 firthel bluimen vor 6 patzen;
  • 1/2 pfeffer vor 5 1/2 patzen;
  • 3 zucker vor 3 ort fl.;
  • in einer satteldaschen ungefehrlich 24 fl oder 25 fl. schreckenberger;
  • ein weiß becherlein, ein ufstenderchen, vor 1 thaler;
  • ein buchslein mit salben;
  • in einer taschen, so er ahm leib gehapt 10 fl. ahn allerlei muntz, item ein schwedisch viertelthaler, ein silbern bitschir mit judischen buchstaben;
  • item ein ungerisch pfennig, ein orts werth ungefehrlich;
  • item ein gurtel mit silberin und ubergulten sencklein;
  • item ein stiftlein mit einem kleinen rubinlein 1 fl. werth;
  • item vielerlei handtschriften und rechnungen;
  • item ein pfar lederen hosen, darin auch etlich brief gewickelt geweßen;
  • item 2 newer bareten vor 11 patzen;
  • 30 oder 31 stuck gelt ungefehrlich, darunder gewesen ein engelot, vir oder funf ungerisch ducaten, ein philipsgulden, das ander ahn leichten cronen;
  • 5 schleyer;
  • 2 pfahr der zehen gebott, so die juden pflegen alle tag auf zu binden, ein betbuch.
Salmon juid und der juid von Biedenkap, so auch das ihr bei und darunder gehapt, seint itzo abwesent.
  • Jacob der juiden schulmeister
  • 1 fl. vor 20 patzen;
  • 1 cronen;
  • 1/2 ducaten;
  • 1 fl. ahn muntz.“
Am 26. September 1569 schildern der Diener des Gießener Schultheißen, der Geleitsmann der Juden war, und der Fuhrmann Stoffel Göbel aus Kirchgöns ihre im wesentlichen mit Michaels Darstellung übereinstimmenden Eindrücke von dem Überfall. Göbel berichtet auch, daß ein Fuhrlohn von 9 Albus pro Zentner vereinbart war und seine Fracht aus vier Tannenholzfässern, einer Seidenlade und zwei Ballen von zusammen 12 Zentnern bestand.
Am 4. Oktober berichtet der Keller zu Butzbach, der noch keinen Hinweis auf die Täter hat, nach Marburg daß er zwei Juden beauftragt hat, sich bei Juden und Schneidern nach der gestohlenen Ware umzuhören.
Am 5. Oktober zeigt ein Jude an, daß ein Jude namens Schmuel (Schmol, Schmal) aus Oberpleis (Bleiß bei Seiffriden, Bleese bei Siburgk, Bleiss bei Seiberg, Bleß bei Seyberich, Pless) bei Jeckel in Friedberg gewohnt, dort mit mehreren Reitern verkehrt und wohl auch Geld von ihnen erhalten hat, denn er hat „das sein verschlempt“. Derselbe Jude hat sich während des Sommers um Staden herum aufgehalten und vermutlich die um Pfingsten bei Karben überfallenen Juden verraten, denn während er vor diesem Überfall nicht einen Pfennig besaß, hat er sich danach in Frankfurt neu eingekleidet. Schmol hatte in Frankfurt Kontakt mit Reitern, die in der Vorstadt nicht weit von der Judengasse einquartiert waren. Der Informant wird daraufhin zu weiteren Erkundigungen nach Frankfurt geschickt.
Am 14. Oktober entschuldigt sich der Gießener Rentmeister wegen der Ergebnislosigkeit seiner bisherigen Nachforschungen.
Am 18. Oktober berichtet der Amtmann zu Eppstein, daß ihn Graf Ludwig von Königstein, der den Überfall scharf verurteilt, aufgefordert hat, auf umherziehende reisige Juden und deren Umgang zu achten.
Am 21. November fordern Kanzler und Räte zu Marburg den Rentmeister zu Gießen erneut zu einem Bericht über das Ergebnis seiner Fahndung auf.
Zwei Tage später entschuldigen sich Burggraf und Baumeister der Stadt Friedberg bei Landgraf Ludwig, daß die am 12. Oktober erbetene Befragung des Friedberger Juden Jeckel erst jetzt vorgenommen werden konnte. Jeckel hat den von ihm beherbergten Schmuel als einen „verdorben judd“ bezeichnet, kennt aber weder seinen derzeitigen Aufenthaltsort noch die Reiter, mit denen er Umgang hatte.
Am 26. November berichtet der Gießener Rentmeister nach Marburg, daß der Schmied zu Staden von einer Beute, von der es in Staden allerdings heißt, sie sei jenseits des Mains gemacht worden, gesagt hat, das Ganze sei Lumpenwerk und kaum 50 fl. wert. Da bei einem abendlichen Gelage aus zwei geraubten silbernen Bechern getrunken worden sein soll, hat sich der Rentmeister bei den Wetzlarer Juden nach dem Aussehen der ihnen gestohlenen Becher erkundigt.
Am 16. Januar 1570 werden von Statthalter, Kanzler und Räten zu Marburg mehrere Zeugen des Überfalls verhört.
Nachdem der Jude Hechmann zu [Groß-]Eichen (zum Ayches) sich in Marburg beklagt hat, daß ihn Helwig Geyse, der Befehlhaber zu Ulrichstein ausgeboten hat und wegen des Verdachts eines Diebstahls verhaften lassen wollte, berichtet Geyse am 24. Juli nach Marburg, daß nach einigen vorgefallenen Diebstählen der Jude zu Felda (Felle) und Hechmann bezichtigt worden sind, mit Garn und anderem ihnen zugebrachten Diebesgut zu handeln. Außerdem hat der Pfarrer zu Bobenhausen Geyse erzählt, daß zwei in Marburg hingerichtete Übeltäter den Juden zu Storndorf und Hechman als Abnehmer gestohlenen Kirchenguts bezeichnet haben. Auf eine daraufhin ergangene Vorladung sind weder Hechmann noch der Jude zu Felda erschienen. Als dann am 10. Juli in Felda ein mit 400 Ballen Leinentuch beladener Wagen gestohlen wurde, hat der Rentmeister zu Felda einen sich dort aufhaltenden und als „loeser, leichtfertiger schalck“ bekannten Juden nach seinem Alibi befragt. Er hat behauptet, die Nacht in einer Scheuer verbracht zu haben, während die Frau des Feldaer Juden aussagte, er habe bei ihrem Mann gelegen. Daraufhin ist er verhaftet und nach Ulrichstein gebracht worden. Seine Friedberger Freunde haben auf diese Nachricht hin wissen lassen, daß sie nichts für ihn tun würden, sondern „lohnen das er gehengt wurde“. Seit dieser Verhaftung sind der Feldaer Jude und Hechmann flüchtig.
Am 5. August schickt Geyse das Protokoll über die Vernehmung des gefangenen Friedberger Juden Simon nach Marburg. Danach hat Simon jede Aussage verweigert und lediglich erklärt, daß er bettelnd im Land umherziehe und seine Freundschaft nur deshalb nicht für ihn bürgen will, weil sie ihn nicht für einen rechten Juden ansieht, da er sich „mit eßen seins glaubens halben nicht halte“.
Am 7. August fordern Statthalter und Räte zu Marburg Geyß auf, Simon nochmals unter Eid und Androhung der Folter zu vernehmen und ihn nach den Überfällen bei Kleinrechtenbach und Wöllstadt sowie wegen des Diebstahls in Felda zu befragen.
Diese Befragung erfolgt am 15. August. Simon erklärt, daß er über [den Überfall auf] die Wetzlarer Juden nichts weiß, und rät, Baruch zu Hochweisel zu fragen, der überall umherreitet, von dem Simon aber sonst nichts weiß. Der Jude Schmuel von Oberpleis war in Frankfurt in der Herberge zur goldenen Scheuer, als die Wetzlarer Juden dort waren. Er hat ihre Waren ausgekundschaftet und eine Frau zu Friedberg, genannt die Fenndersche, hat etliche Briefe für ihn besorgt. Zwar hat Schmuel später in Friedberg geklagt, daß er und noch ein anderer in Butzbach beraubt worden sind, doch hat man festgestellt, daß „es nichts sy mit ime“.
Am 9. September 1570 wird Simon Flesch von Friedberg erneut, diesmal auf dem Marburger Schloß, verhört.
Über seinen Lebensunterhalt sagt er, er habe „die allmusen von den jüden gehoben, auch bißweylen gespielet und botschaft gangen“, aber nicht gehandelt. Auf seinem Weg von Friedberg nach Fulda ist er wegen des Tuchdiebstahls in Felda verhaftet worden. Er schwört bei seinem Judeneid, daß er die beraubten [Wetzlarer Juden] zwar in Frankfurt und Friedberg gesehen hat, von dem Überfall auf sie aber nichts weiß. Warum die drei Juden zu [Groß-] Eichen, Felda und Storndorf geflohen sind, weiß er nicht. Er hat sie seit einem Jahr nicht mehr gesehen und keine Kenntnis von ihrem Handel. Allerdings hält er die drei, die nach ihrem Vater die Lauterbächer genannt werden, für lose Gesellen, mit denen man besser nichts zu tun hat. Schmuel kennt er nicht näher, sondern weiß nur, daß er in Friedberg in Jacobs Haus gelebt und soviel Briefe verschickt hat, daß man angefangen hat, darüber zu reden. Er ist übrigens schon vor zwei Jahren verdächtigt worden, etwas mit dem Überfall auf den Sohn seiner Schwester zu schaffen gehabt zu haben, und seinetwegen ist auch der Judenwirt Jacob verhaftet und verhört worden. Man hat bei Schmuel etliche Stücke gefunden, die im vergangenen Winter einem Juden bei Holzheim unterhalb von Diez geraubt worden sind, insbesondere einen Gürtel, und ihn deswegen, vielleicht aber auch anderer Dinge halben seinerzeit verhaftet. Während der Frankfurter Herbstmesse war Schmuel in der von seiner Schwester geführten Herberge zur goldenen Scheuer. Simon selbst hat wie andere Juden in Frankfurt auch in dieser Zeit im Haus des Schulklopfers und in der Garküche genächtigt, die goldene Scheuer dagegen nicht betreten. Er verschwört sich, niemals Gottes Angesicht schauen zu wollen, wenn er etwas von den Reitern weiß, die in Jeckels Haus in Friedberg verkehrt haben. Den [der Beteiligung am Überfall zu Kleinrechtenbach ebenfalls verdächtigten] Schultheiß zu Staden kennt er nicht, da er in diesem Winter zum ersten Mal in seinem Leben nach Staden gekommen ist. Er hat sich den vergangenen Winter über in der Kellerei Butzbach in Hochweisel und Ostheim aufgehalten, was seine Unschuld erweist, da er andernfalls Hessen sicher verlassen hätte. Schließlich wissen alle Juden, daß die Landgrafen keinen Straßenraub dulden. Von dem Überfall hat er erst acht Tage danach gehört, als er von Frankfurt nach Hanau und Friedberg gezogen ist. Von Baruch zu Hochweisel weiß er nur, daß ihn der Befehlhaber von Ulrichstein „verschickt und gebraucht“ hat. Schmuel soll zu Oberpleis gewohnt und 20 000 fl. gehabt, aber alles durchgebracht haben. Am Tag des Überfalls zu Kleinrechtenbach war Simon „uff der langen tag in der feyer“ und hat sich [zu Friedberg] bei Isaac, „da die stummen jüden sein“, fünf oder sechs Tage aufgehalten. Mit Hinweis auf mehrfache Folterungen und Verhöre in Ulrichstein bittet Simon, ihn nicht erneut zu foltern.
In einem Verhör vor dem Marburger Hofgericht am 31. März 1571 erklärt Martin Preuß, der Schultheiß von Staden, daß er keinen Juden aus Oberpleis kennt, es sei denn, daß es der war, der die beraubten Juden ausgekundschaftet hat. Seinerzeit waren zwei Juden bei Adam Waise [von Fauerbach] um ihm ein Pferd abzukaufen. Sie haben den Schultheißen bei dieser Gelegenheit auf einige Wetzlarer Juden aufmerksam gemacht, die sich anschickten, aus Frankfurt aufzubrechen, und ihn gefragt, ob er ihnen helfen wollte, diese ohne Geleit reisenden Juden, die ihnen Schaden zugefügt hätten, zu überfallen. Einer der Juden mag aus der Gegend von Siegburg gewesen sein, der andere hat sich damals in Friedberg aufgehalten. Preuß hat ihnen Hilfe zugesagt und zusammen mit ihnen die Juden, bei denen sich, den Fuhrmann eingerechnet, drei Christen befanden, zwischen Friedberg und Butzbach an einem ihm nicht mehr erinnerlichen Ort gezwungen, ihre Wagen in den Wald zu fahren. Dort sind die Juden gefesselt und ihre Hosen durchsucht worden. Anschließend hat man sich ihre Taschen vorgenommen, doch Preuß will einen Eid darauf schwören, daß in der von ihm durchsuchten langen Tasche nur 18 Schreckenberger waren und man alles in allem nur 100 bis 120 fl. erbeutet hat. Ansonsten hat man zwei Silberbecher, zwei Ringe, etliche Stücke Tuch, Fell und Arras mitgenommen. Der Anteil, den Preuß von der Beute bekommen hat, war nicht mehr als 40 fl. wert. Er bestand aus 9 fl., 11 Ellen Londoner Tuch, einem „corduanisch“ und fünf gelben Fellen, einem halben Pfund Ingwer, einem Stück Burschatt, einem Stück Arras sowie einem ganzen und einem halben „barchett“. Den vergoldeten Silberbecher hat Adam Waise[von Fauerbach] zu Staden bekommen, den zweiten der Schultheiß zu Mockstadt. Wer den kleinen Becher erhalten hat, weiß Preußlücht. Er hat auch weder Samt noch Seidengewänder gesehen oder goldene Gürtel und Perlen. Von den drei Perlenbändern hat er keines bekommen. Übrigens waren die Juden ohne Geleit, sofern es nicht der vor ihren Wagen herreitende Jude bei sich hatte.
Am 5. Februar 1574 weist Landgraf Ludwig den Protest des Grafen Ludwig von Königstein über die Verhaftung eines königsteinschen Untertanen zu Obererlenbach durch hessische Beamte mit der Begründung zurück, daß Graf Ludwig trotz vielfachen Ansuchens bisher nicht ernsthaft gegen den der Straßenräuberei [bei Rechtenbach] verdächtigen Mann vorgegangen ist.
Am 28. Februar bekennt Caspar Hans gen. Schmidt von Obererlenbach, daß er an dem 1569 auf hessischer Geleitsstraße bei Kleinrechtenbach verübten Überfall beteiligt war und einen Teil der Beute bekommen hat. Er gelobt, eine Strafe von 210 fl. zu zahlen, und schwört Urfehde.

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Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

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„Überfall bei Kleinrechtenbach auf Juden aus Wetzlar und Biedenkopf während ihrer Rückreise von der Frankfurter Messe“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4435_ueberfall-bei-kleinrechtenbach-auf-juden-aus-wetzlar-und-biedenkopf-waehrend-ihrer-rueckreise-von-der-frankfurter-messe> (aufgerufen am 25.11.2025)

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