Irrung zwischen Salmon dem Alten und der Judenschaft zu Windecken
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Regest
Irrung zwischen Salmon dem Alten und der Judenschaft zu Windecken
Am 3. Februar 1546 erhält die Kanzlei Hanau von Graf Reinhard von Solms eine am 12. Januar abgefaßte Supplik, in der Salmon der Alte zu Windecken klagt, daß ihn, seit er sich vor etwa dreieinhalb Jahren in Windecken niedergelassen hat, "partheiische juden" in den "judischlichen ordenungen" behindern. Auf seine Bitte, ihn "als iren einen laßen bliben", haben sie beim Keller ein Urteil erwirkt, gegen das er, weil es ihm "zu schwer gewest", an die hanauische Kanzlei appelliert hat. Da es sich um Fragen der jüdischen Ordnung handelte, ist der Fall "durch bit Meister Lazarus fur judischlich recht" gewiesen worden, und die Frankfurter Rabbiner haben zu Salmons Gunsten entschieden. Dessenunerachtet hat man ihn gepfändet und ihm die Ordnung nicht gehalten. In seiner Abwesenheit ist der Heugeber mit einem reisigen Knecht in Salmons Haus gedrungen, hat den Sohn gezwungen, den Tuchschrank zu öffnen und ein gelbes Kirschauer (Kirßawer) Tuch mitgenommen. Als Salmons Frau sich beim Keller darüber beklagte, hat er gesagt, ihr Mann sollte wegen des Tuches denen nachlaufen, auf die er sich berufen habe.
Salmon gibt den Juden die Schuld an dem Streit. Trotz des Gebots Frieden zu halten haben sie in ihren Häusern Glocken angebracht und, wo immer Salmon aus- oder eingegangen ist, geläutet und "Heylman" gesungen, als sollte sein Vater, der Heylman hieß, "sich getauft haben und lig under der Christen glocken". Als Salmon sie durch den Stadtknecht zum dritten Mal zum Frieden mahnen ließ, hat ihn Salmon der Junge ungestraft einen "boßwicht" genannt, so daß die anderen Juden ihn auch weiterhin beschimpfen und vor allem wegen der über ihn verhängten hohen Strafe und des Verlustes seines Vermögens verspotten.
Zu den Spöttern gehört vor allem Mosche an der Pforte (an der porten), der doch selbst das gräfliche Gebot mißachtet und erst kürzlich ein Haus beliehen hat, es nutzt und Wucher davon nimmt, obgleich die Beleihung liegender Güter untersagt ist. Übrigens hat auch Mosche wie Salmon und wie die anderen Juden in der Grafschaft, die stets Wein gekauft und genommen haben, wo sie wollten, Wein von den Leuten erhalten und allein aus "Stupffes drauben" jährlich drei Fuder gemacht. Salme [der Junge] hat ebenfalls fünf Fuder auf Gewinn gekauft. Dagegen hat Salmon den Wein nur genommen, um seine Gläubiger und binnen eines halben Jahres 41 fl. Schatzung bezahlen zu können.
Am 12. Februar erinnert Salmon die Räte an seine Supplik und bittet, den Juden ihre "freveliche tadten" nicht nachzusehen und ihm zu seinem Unterhalt zu verhelfen, damit er bei der kommenden Fastenmesse die 350 fl., die er schuldig ist, bezahlen kann. Am 4. April bittet der Windecker Jude Meier die hanauischen Räte, ihn von einer etwaigen Bestrafung der Windecker Judenschaft auszunehmen, da er an dem Streit mit Salmon unbeteiligt war. Als auf dessen Klage hin die Juden seinerzeit vor die Kanzlei geladen wurden, haben sie zu Meier "in die schul" geschickt, gefragt, ob er zu ihnen halten wollte und Rat hinsichtlich der möglichen Streitfolgen erbeten. Meier hat geantwortet: "Mit meinem willen sol man ihm kein judeslich ordenung noch recht abschlagen, denn mir uff das letz nit darbey behalten können". Trotzdem haben ihn die anderen durch den Keller genötigt, mit ihnen nach Hanau zur Kanzlei zu gehen.
Am 23. März wendet sich Salmon an den Oberamtmann zu Hanau, dessen Ankunft in Windecken und Entscheidung in der Irrung mit den Juden er zwar abwarten will, den er aber um Erlaubnis bittet, am kommenden Freitag eine Supplik wegen des ihm zu Wachenbuchen gepfändeten Weins einreichen zu dürfen, weil ihm in dieser Sache das Warten allzu schwer wird. Er verweist darauf, daß es sich nur um 5 Ohm handelt, die er mit herrschaftlicher Genehmigung wie andere Juden auch gekauft hat, und daß er deswegen bereits eine vierzehntägige Turmstrafe abgesessen hat.
Am 12. April bemühen sich die hanauischen Räte in Windecken um einen Vergleich zwischen Salmon und der Judenschaft. Salmons Klage, daß ihn die Gemeinde mit 5 Achteln Hafer beschwert und stets ohne seinen Vater abgerechnet hat, wird von dieser mit der Gegenklage erwidert, daß Salmon sich weigert, seinen Teil an den 2 fl. zu bezahlen, die der Hanauer Rentmeister jährlich zu Fastnacht erhält. Außerhalb des eigentlichen Schiedsspruchs wird darauf die Gemeinde angewiesen, Salmon künftig an ihren Abrechnungen zu beteiligen.
Hauptstreitpunkt ist Salmons nach seiner Ansicht zu hoch bemessener Anteil an einer Zahlung von 5 fl. Auf Heyums und Mosches Klage haben die Frankfurter Rabbiner seinerzeit eine Neuberechnung der Anteile unter Salmons Beteiligung gefordert, wobei die einzelnen Juden wie folgt veranlagt wurden: Mosche - 700 fl., Meiers Sohn Heyum (Heigum) - 800 fl., Secklins Sohn Heyum (Heigum) - 700 fl., der alte Secklin - 150 fl., der junge Salmon - 400 fl., klein Meyer - 50 fl., der Totengräber Jacob - 20 fl., die Witwe - 100 fl. und Salmon der Alte - 800 fl. Wie der Keller berichtet, ist es jedoch nach dem Frankfurter Urteil erneut zum Streit gekommen, und Salmon hat die anderen Juden in der Synagoge beschimpft, weil sie das Urteil nicht befolgten. Darauf sind auf die 5 fl. weitere 1 1/2 fl. aufgeschlagen worden.
Die Räte entscheiden, daß Salmons Anteil etwas zu hoch bemessen war und die Judenschaft ihm Ersatz leisten sowie eine Strafe an die herrschaftliche Kasse zahlen soll. Was die zusätzlichen 1 1/2 fl. und sonstige Kosten des Streits angeht, so soll jede Partei ihren Anteil selbst tragen. Im einzelnen haben zu den 5 fl. anteilig zu zahlen: Salmon - 22 Batzen 1 Denar, Mosche - 21 Batzen 1 Heller, Heyum - 23 Batzen 4 Heller, die Witwe Sarle - 3 1/2 Batzen 1 Heller, Secklin und sein Sohn Heyum - 26 Batzen, Meier - 2 Batzen 1 Heller und der Totengräber Jacob ebensoviel.
Wegen des Kirschauer Tuches soll eine weitere Untersuchung angestellt werden.
Was das Glockenläuten angeht, so sagt Mosche, daß sein Kind zwar eine kleine Schelle geschwungen hat, aber ganz ohne die Absicht, Salmon zu ärgern. Trotzdem wird die Judenschaft wegen des zu "schande und schmahe" des christlichen Glaubens erfolgten Läutens und Singens zu einer Strafe von 400 fl. verurteilt, die binnen Monatsfrist zu zahlen ist.
Salmon der Junge gibt zu, Salmon den Alten einen Bösewicht genannt zu haben, doch nur, weil dieser ihn hinterrücks mit einem Kolben geschlagen hat, was Salmon der Alte bestreitet. Beiden wird eine Bestrafung in Aussicht gestellt.
Abschließend wird allen Parteien befohlen, untereinander Frieden zu halten und sich bei etwaigen Streitigkeiten an den Amtmann zu wenden. Schließlich werden auch Salmons Vorwürfe gegen Mosche untersucht, der erklärt, daß Keller und Schultheiß ihm erlaubt haben, 16 fl. auf eine Scheuer zu leihen. Beide bestätigen das, sagen aber, daß Mosche die Auflage hatte, das Darlehen zinslos zu geben und sich mit der Nutzung der Scheuer genügen zu lassen. Dessen unerachtet ist aber in der Schuldverschreibung eine Zinszahlung von einem Pfennig pro Gulden und Woche festgelegt worden.
Am 29. April wiederholt Meyer (Maior) seine Bitte, ihn von der Bestrafung der Windecker Judenschaft auszunehmen, zumal es ohnehin nicht auf seinen von nur 50 fl. zu zahlenden Anteil ankommen kann, da es doch fünf gibt, die "barreies gegen Salamon sein" und auf mehr als 820 fl. geschätzt werden. Darauf antwortet die Windecker Judenschaft am 21. Mai, daß Meier seinen Anteil der Strafe bezahlen soll, da er doch "in kleiner zeyt hart wieder ihnen [Salmon] ist geweßen, alß unser keyner" und sich erst nach dem Windecker Urteil mit ihm ausgesöhnt hat. Wenn Meier sich ungerecht behandelt glaubt, so soll darüber vor dem Rabbi oder den Juden zu Friedberg verhandelt werden. Übrigens lügt Meiyer, wenn er behauptet arm zu sein, "Gott mach unß arm derselben, reich ist er, arm darpf er dester minder liegen, wolt Gott der Almechtig, mir hetten unser anlog als woll er seins hoit".
Am 22. August beschwert sich Salmon bei der Kanzlei Hanau, daß sich die Windecker Judenschaft erneut an die Frankfurter Rabbiner gewandt und von ihnen eine Stellungnahme gegen das zu Windecken gefällte Urteil verlangt hat. Die "rauben" haben das mit der Begründung verweigert, daß ihnen der Fall aus den Händen genommen wurde, doch sind die Juden "zugefaren und [haben] zu Franckfurdt keysserlich recht angesucht" und haben die Rabbiner durch den Bürgermeister nötigen lassen, ihnen ein Gutachten zu geben, das das Urteil außer Kraft setzen soll. Außerdem versuchen sie nach wie vor, Salmon "zuverstossen von allen gebreuchligen gerechtigkeit als iren einen". Salmon bittet, dem gesprochenen Urteil Geltung zu verschaffen.
Archivangaben
Altsignatur
86 Hanauer Nachträge Nr. 28011; Protokolle II Hanau A Nr. 2a Bd. 7/3 Bl. 23-27; vgl. Nr. 1378.
Arcinsys-ID
Archivkontext
Indizes
Personen
- Hayum (Heyum) Sacka gen. Post, zu Windecken, Sohn des Secklin, verheiratet mit Schönle, Vater des Meyer zu Guntersblum, Schwiegervater des Anselm zu Rüsselsheim
- Hayum (Heyum), zu Windecken, Sohn des dicken Meyer, Bruder des Schlaumann zum Spiegel zu Frankfurt am Main
- Heinemann (Heylman), erwähnt zu Windecken, Vater von Salomon dem Älteren
- Isaac (Secklin), der Alte zu Windecken, Vater von David und Heyum
- Jacob, Totengräber zu Windecken
- Meir (Meyer), der Kleine, Schulklopfer zu Windecken
- Lazarus, erwähnt zu Hanau, Meister
- Meir (Meier), der Dicke zu Windecken, später in Frankfurt am Main, Vater von Heyung und Schlaumann, Schwiegervater des Liebermann
- Moses (Mosche), an der Pforte zu Windecken
- Salomon (Salmon), der Alte zu Windecken, Sohn des Heilmann, verheiratet mit einer Schwester des Jacob zu Steinheim, Vater des Simon
- Salomon (Salmon) der Junge zu Windecken, verheiratet mit Kela
- Sara (Sarle), zu Windecken
- Solms-Lich, Reinhard I. von, Graf
- Lazarus, zu Babenhausen, zeitweise in Worms, Arzt, verheiratet mit Gutte, Vater von Menck, Bemuß und Elias zu Treysa, Schwiegervater des Natha
Orte
Sachbegriffe
- Abgaben
- Armut
- Bußen, Geldstrafen
- Gefängnis, Haftstrafen
- Gotteslästerung
- Getreide (Handelsgut)
- Grundstücke (Handelsgut)
- Tuch (Handelsgut)
- Wein (Handelsgut)
- Hausbesitz
- Judenschule
- Pfandleihhandel
- Pfändung jüdischen Vermögens
- Rabbinergericht
- Reichtum
- Schulklopfer
- Spott-, Scherz- u. Ekelnamen
- Steuer
- Taufen
- Totengräber
- Tätlichkeiten von u. unter Juden
- Vermögen
- Wucher
- Zinsen
- Ärzte
Siehe auch
Weitere Angebote in LAGIS (Bezugsort)
Orte
- Hessische Flurnamen
- Historische Kartenwerke
- Jüdische Friedhöfe
- Historisches Ortslexikon
- Synagogen in Hessen
- Topografische Karten
Personen
Quellen und Materialien
Nachnutzung
Rechtehinweise
Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Irrung zwischen Salmon dem Alten und der Judenschaft zu Windecken“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/3766_irrung-zwischen-salmon-dem-alten-und-der-judenschaft-zu-windecken> (aufgerufen am 25.11.2025)
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