Verhandlungen und Vergleiche des zu Hanau inhaftierten Frankfurter Juden David zur goldenen Scheuer mit Gläubigern und Schuldnern

HStAM Protokolle Nr. II Hanau A 2b Bd. 1  
Laufzeit / Datum
1574 März 22 - Oktober 29
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 22. März 1574 überschickt der Rat der Stadt Frankfurt Räten und Befehlhabern zu Hanau eine Supplik des Frankfurter Schutzjuden Symon zur goldenen Scheuer. Darin berichtet Symon, daß sein Vater David zur goldenen Scheuer in der Gewißheit, daß das in Hanau erbetene Geleit ihm durch einen Boten entgegengeschickt würde, auf der Sachsenhäuser Seite nach Hanau gegangen ist. Man hat ihn jedoch in Rumpenheim verhaftet, nach Hanau gebracht und in den Turm, den man die Sau nennt, geworfen. Obwohl diese Haft nun schon über acht Tage währt, ist Davids Frau jede Auskunft über den Grund der Verhaftung verweigert worden.
Der Rat der Stadt Frankfurt vermutet, daß David wegen seiner kürzlich zu Frankfurt geltend gemachten Forderungen an den Hanauer Burggrafen, der mit David "in wucherlichen contracten haimlich ain zeitlang under der decken gelegen" hat, festgenommen worden ist, und hält dies, falls es zutrifft, für "ain unfueg und gewaltsame thatliche handlung". Er verweist darauf, daß der Hanauer Stadtschreiber im Auftrag und Namen des Burggrafen gelobt hat, Forderungen gegen David nur in Frankfurt geltend zu machen, und verlangt Davids Freilassung.
Am 10. April erhebt Lucas Steffan von Köln vor dem Hanauer Hofgericht Klage gegen den noch immer inhaftierten David, von dem er gegen Verpfändung von Gold, Silber und Seidentüchern bei der Fastenmesse 1570 300 Taler geliehen hat. Als er das Pfandgut bei der folgenden Herbstmesse einlösen wollte, war David beim Reichstag in Speyer, und seine Frau hat die Herausgabe der Pfänder verweigert. Daraufhin ist Steffan nach Speyer gereist und hat einen Befehl erwirkt, der David verpflichtete, das Pfandgut binnen zehn Tagen nach Speyer zu bringen und auszuliefern, doch ist David dem bis heute nicht nachgekommen. Steffan, der des niederländischen Krieges wegen nicht länger von zu Hause fort bleiben will, bittet, ihm baldmöglichst zu seinem Recht zu verhelfen.
Daraufhin in der Haft befragt, erklärt David, daß Steffan ein verdorbener Mann ist, der geschlossene Verträge nicht hält und in der Klagsache kein gültiges Urteil des Frankfurter Gerichts vorlegen kann. David bietet jedem, der ihm zur Bezahlung einer Forderung von 600 fl., die er seinerseits an Steffan hat, verhilft, 100 Joachimstaler. Nur weil Steffan wohlweislich seit fünf oder sechs Messen nicht mehr in Frankfurt war, hat er ihn nicht verhaften lassen können. Den Tuchern (Thousanern) von Nürnberg hat er, als sie ihrerseits die von Steffan bei David hinterlegten Sachen pfänden lassen wollten, vergeblich 50 Taler geboten, wenn sie seine Forderungen an Steffan übernehmen wollten. David beteuert, daß er alles in Steffans Beisein wiederholen will, doch als man diesem eine Gegenüberstellung anbietet, erklärt er, daß er sich vor dem Gefängnis fürchtet, und lehnt ab. Daraufhin wird Steffan aufgefordert, sich den Bescheid auf seine Klage in vierzehn Tagen abzuholen.
Am 19. April wird David vor der Kanzlei Hanau wegen der Forderungen verschiedener hanauischer Untertanen vernommen. Auf die Klage von Cunz Schill zu Bruchköbel erklärt er, daß ihm der Bruchköbeler Glöckner seinerzeit eine auf Weigel Weinbrenner und Hans Gaaß lautende Schuldverschreibung über 70 fl. ausgestellt hat, die vom Oberamtmann zu Hanau später auf 60 fl. reduziert wurde, doch haben die genannten Schuldner David weitere 10 fl. zugestanden, so daß sich die Schuld wieder auf 70 fl. belief. Sie wurde mit 20 Ohm und etlichen Vierteln Wein abbezahlt bis auf 20 fl., für die Schill die Bürgschaft übernommen hat. Wegen dieser 20 fl. hat David Schill vor dem Frankfurter Stadtgericht verklagt, sich aber dann mit Weinbrenner verglichen. Über die Schill laut Urteil zu zahlenden Gerichts- und Prozeßkosten will sich David mit ihm vor dem Frankfurter Stadtgericht vergleichen. Was den geforderten Fuhrlohn für gelieferten Wein angeht, so erklärt David, Schill bezahlt zu haben.
Die Witwe von Henn Wentzel zu Hochstadt, der David 274 fl. und 1 Fuder Wein schuldete, ist von David vor dem Hofgericht Rottweil verklagt worden, doch hat er sich mit ihr später vor der Kanzlei Hanau dahin verglichen, daß sie ihm 380 fl. zahlen sollte. Sie hat das mit zwei Raten von je 190 f1. auch getan und hat bei der zweiten Rate die ihr durch die Klage in Rottweil erwachsenen Kosten abgerechnet, so daß sie keine Forderungen mehr geltend machen kann.
Hans Metzler zu Rüdigheim hat bei David 300 fl. bar geliehen und dazu einen Gültbrief über 100 fl. bekommen. Gegen das in dieser Sache früher ergangene Urteil des hanauischen Hofgerichts hat David an das Reichskammergericht appelliert und verweist auf den Ausgang des noch schwebenden Verfahrens.
Der verstorbene Peter Frosch von Hochstadt hat sich vor etwa zwölf Jahren laut Eintrag im Frankfurter Konfeßbuch 80 fl. geliehen. Als er sie nicht zurückzahlte, hat David Froschs Frau in Frankfurt verhaften lassen und einen Zahlungsbefehl gegen ihn erwirkt, sich aber später mit ihm auf einen Vergleich vor dem Oberamtmann zu Hanau eingelassen. Die dabei vereinbarten Ratenzahlungen sind stets pünktlich erfolgt. Hätte Froschs Witwe begründete Forderungen an David geltend machen können, hätte dies schon längst geschehen müssen.
Was die Forderungen von Hans Fischers Erben zu Hochstadt angeht, so hat sich Peter Adler bei David vor etwa 14 Jahren mit 50 fl. verschuldet. Weitere mit 1 Denar pro Woche und Gulden zu verzinsende 2 fl. hat David ihm erst geliehen, als Hans Fischer und seine Frau die Bürgschaft übernommen haben. Fischer hat einen Teil der Zinsen bezahlt, ist dann aber später, als Zahlungen ausgeblieben sind und die Forderung mit Zinsen auf 100 fl. angewachsen war, von David in Rottweil verklagt worden. Das Hofgericht hat David die Anleitung auf Fischers Besitz erteilt, und als dieser starb, hat sich David mit den Erben dahin verglichen, daß sie ihm binnen vier Wochen 70 fl. bezahlen sollten, wogegen er die Zahlung der Hofgerichtskosten übernommen hat, so daß auch sie keine Forderungen mehr geltend machen können. Die Verschreibung über 50 fl., die Adler ihm schuldete, hat David, weil das Geld nicht zu bekommen war, vor dem Oberamtmann zerrissen.
Am 12. Mai bekennt David, daß man ihn, weil er ohne Geleit auf hanauischem Gebiet angetroffen wurde, zu Recht verhaftet hat, und schwört Urfehde. Er verspricht, der Kanzlei noch vor seiner Haftentlassung ein Verzeichnis all seiner Schuldner und Forderungen in der Grafschaft zu übergeben, zu jedem gewünschten Termin vor der Kanzlei zu Verhandlungen mit den Schuldnern zu erscheinen und gegen die Entscheidungen des Hofgerichts keinen Widerspruch zu erheben. Was den Bruchköbeler Weinkauf von 1572 angeht, so verspricht David mit Cunz Carle und allen anderen, die deswegen Forderungen erheben, abzurechnen und, sofern man ihm Betrug nachweisen kann, Schadensersatz und Strafe zu zahlen. David stellt alle seine Außenstände in der Grafschaft als Sicherheit, und außerdem übernimmt sein Schwiegersohn Joseph zur goldenen Scheuer eine Bürgschaft über 200 fl.1#Das Schreiben trägt die Unterschriften von David und Joseph..
Ein der Kanzlei übergebenes Verzeichnis nennt Davids Schuldner zu Bergen, Bischofsheim, Dorfelden, Hochstadt, Kilianstädten und Seckbach. Weitere Schuldner will David binnen vier Tagen anzeigen. Am 27. Mai soll David erneut vor der Kanzlei Hanau verhört werden, teilt Räten und Befehlhabern aber am 3. Juni mit, daß er nicht kommen konnte, weil die Judenschaft zu dieser Zeit eine Feier hatte und ihm außerdem ein Kind gestorben ist, so daß er bis zum gegenwärtigen Tag "nach unser gewonhait bekimmerlich trauren und mich etzlich tag inhalten mußen". Da ihm inzwischen Geleit und Ladung zum 7. Juni zugegangen sind, bittet er, ihm das mittlerweile von einem Anwalt erstellte Gutachten zuzusenden, damit er sich auf den Termin vorbereiten kann2#Das Schreiben trägt das aufgedr. Verschlußsiegel des Ausstellers..
Am 5. Juni wird David erneut zum 10. Juni geladen.
Am 25. und 26. August werden Davids Schuldner vor der Kanzlei Hanau vernommen. Dabei wird für die einzelnen Orte folgendes festgestellt: Bischofsheim Metzlers Weigels Hans, der David laut Handelsbuch 200 fl.schuldet, bekennt, daß die Schuld inzwischen größer ist, und wird aufgefordert, diese Schulden vom Zentgrafen aufzeichnen und der Kanzlei melden zu lassen.
Gerlachs Hans soll seine Schuld von 24 fl. nebst 4 fl. Zinsen zu Martini bezahlen.
Hans Grohe schuldet laut Eintrag im Handelsbuch von 1572 8 fl. sowie von seiner Mutter her 5 fl. nebst 5 fl. Zinsen und verspricht, bis Martini zu zahlen. Hans Lyn ist 106 fl. nebst Zinsen schuldig und will im Herbst eine erste Rate von 102 fl. und den Rest in den folgenden zwei Jahren zahlen. David hat diese Forderung seinem Schwiegersohn Joseph übertragen. Seckbach Hans Bach will im kommenden Herbst 3 fl. 18 Schilling bezahlen.
Caspar Burck hat von einer im Konfeßbuch des Oberamtmanns 1571 eingetragenen Schuld 20 fl. 8 Schilling bezahlt und will den Rest von 29 fl. 16 Schilling zu Martini mit einer ersten Rate von 13 fl. 18 Schilling und mit zwei in den folgenden beiden Jahren zu zahlenden Raten von je 8 fl. abzahlen. Falls er bis zum folgenden Tag den Beweis beibringen kann, daß er David 1571 1 Ohm Wein geliefert hat, soll das auf die Schuld angerechnet werden.
Hans Thiel gen. Hess schuldet David 100 fl., doch ist dieser bereit, seine Forderung auf 83 fl. 8 Schilling zu mindern. Thiel verspricht im Herbst 33 fl. 8 Schilling und den Rest in den kommenden zweieinhalb Jahren mit Raten von zweimal 20 und einmal 10 fl. zu bezahlen.
Die Witwe von Haret Claus kann nicht zahlen und muß sich "des bettelsbrots erneren". Bruchköbel Der Glöckner Peter Groth soll für Weigel Weinbrenner 32 fl. bezahlen und hat als Abzahlung bereits 11 Ohm 8 Viertel Wein in fünf Fässern geliefert, wovon allerdings 11 Viertel zu Hofrecht abzurechnen sind, so daß 10 Ohm 17 Viertel übrigbleiben, die, wenn man das Fudermaß zu 18 fl. anschlägt, mit 32 fl. 13 Schilling berechnet werden können.David hat also 5 Fässer und 13 Schilling zuviel erhalten.
Weigel Weinbrenner und sein Schwiegersohn Cunz Koch sind laut Eintrag im Konfeßbuch des Oberamtmanns 28 fl. schuldig. Dafür hat Weinbrenner 4 und Koch 8 Ohm Wein geliefert, das macht zusammen 2 Fuder, von denen 12 Viertel zu Hofrecht abgehen, so daß 11 Ohm 8 Viertel bleiben, die mit 34 fl. 5 Schilling anzuschlagen sind. David muß daher 6 fl. 5 Schilling sowie die Fässer zurückgeben. Bischofsheim Klump Hans d. J. ist dem Frankfurter Juden Marx gen. Gumpel zum schwarzen Ring laut Eintrag im Konfeßbuch des Oberamtmanns von 1572 54 fl. schuldig und hat davon 19 fl. 12 Schilling bezahlt. Den Rest will er mit Raten von 20 fl. und 2 1/2 fl. Zinsen sowie 14 1/2 fl. und 2 fl. Zinsen zu Martini 1574 und 1575 bezahlen.
Niclausen Hans schuldet Marx gen. Gumpel laut Eintrag im Konfeßbuch des Oberamtmanns von 1572 34 fl., die er zu Martini 1573 hätte zahlen sollen, was er aber wegen der mißratenen Weinernte nicht konnte. Er will zu Martini 20 fl. und den Rest sowie 2 fl. Zinsen zu Martini des kommenden Jahres zahlen. Hans Klump ist sein Bürge. Bruchköbel Cunz Schill hat in mehreren Lieferungen 4 Fuder 3 Ohm 12 Viertel Wein nach Frankfurt gefahren, was, rechnet man pro Fuder 2 fl., einen Fuhrlohn von 9 fl. 4 Schilling ausmacht. Dazu kommt 1 Batzen, "den schrotten von 4 ohm wein abzuschrodten", 1 Batzen Fuhrlohn für einen Sack mit Kraut und Rüben und 3 Batzen für Zehrung im Wirtshaus. Von den insgesamt 9 fl. 12 Schilling hat David 6 1/2 fl. bezahlt und will die restlichen 3 fl. binnen acht Tagen entrichten. Seckbach Bach Henn hat von einer Schuld von 140 fl. 60 fl. bezahlt und will bis zur endgültigen Bezahlung David jeden Herbst 1 Fuder Wein liefern. Kilianstädten Leyn Johann schuldet David seit 1570 37 fl. und ist, da er bislang nichts zurückgezahlt hat, auf Davids Verlangen in Schuldhaft genommen worden, doch so, "das der judt imen alle tagk mit einem weispfenning halten solle".
Wiln Peters Hans war David laut Eintrag im Konfeßbuch des Oberamtmanns 57 fl. schuldig. Er hat davon 27 fl. bezahlt und außerdem 3 1/2 fl. für zwei Fässer zu fordern, die David nicht geliefert hat, so daß er noch 26 1/2 fl. und 2 1/2 fl. Zinsen von 15 fl., die zu Martini fällig waren, schuldig ist. Er will zu Martini 1574 15 fl. und zu Martini 1575 14 f1. und 2 fl. Zinsen bezahlen.
Am 30. August ist vor der Kanzlei Hanau abermals eine Verhandlung zwischen David und seinen Schuldnern angesetzt. Am 29. Oktober bittet David, dem ein vorangegangenes Geleitsersuchen wegen der "anstehenden sterblauft" abgeschlagen wurde, die Kanzlei Hanau erneut um Geleit, da seine Schuldner jetzt im Herbst zahlungsfähig sind und ihre Schulden mit Wein begleichen können 2#Das Schreiben trägt das aufgedr. Verschlußsiegel des Ausstellers..

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