Vermittlung des Juden Joseph zum goldenen Schwan zu Frankfurt in den Irrungen zwischen Hessen und der Stadt Frankfurt
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Vermittlung des Juden Joseph zum goldenen Schwan zu Frankfurt in den Irrungen zwischen Hessen und der Stadt Frankfurt
Auf die Nachricht, daß etliche Juden, "so ein pferd oder zehen gehapt", vier sächsische Diener auf ihrem Weg zur Frankfurter Messe auf hessischer Geleitsstraße bei Vilbel überfallen, sie mit Büchsen bedroht, gestoßen und zum Verlassen ihrer Kutsche gezwungen haben, teilt Landgraf Philipp von Hessen Kurfürst August von Sachsen mit, daß die Stadt Frankfurt auf seine Aufforderung, die Juden zu verhaften, nur eine unzulängliche Pfändung über sie verhängt hat, so daß sie ungehindert abziehen konnten. Da der Landgraf nicht beabsichtigt, den Vorfall auf sich beruhen zu lassen, erbittet er einen ausführlichen Bericht über den Tathergang. Gleichzeitig läßt er einen Bericht seines Amtmanns zu Eppstein anfordern und gibt Anweisung, darauf zu achten, ob "etwan ein reicher (
Am 6. Dezember kündigt Kurfürst August Landgraf Philipp die baldige Übersendung des erbetenen Berichts an. Am 7. Dezember wird der Landgraf davon unterrichtet, daß am Vortage drei Frankfurter Juden, die auf dem Rückweg nach Frankfurt auf einem Karren von Oppenheim nach Gerau gekommen sind, verhaftet und über Nacht auf dem Rathaus zu Gerau festgehalten wurden. Weil aber dort ein geeignetes Gefängnis fehlt und zu besorgen war, daß die Juden ein Einlager im Wirtshaus zur Flucht nutzen würden, sind sie dem Keller zu Rüsselsheim mit dem Befehl überschickt worden, "sie uf ein gemach zu bestricken und zu verwaren, doch auch woll zu halten". Einer der Gefangenen, Moises von Bonn genannt, soll einer der Reichsten in Frankfurt sein. Der zweite ist Moises' Schwiegersohn, und auch der dritte soll sich "einer zimlichen narunge" erfreuen. Moises, der einen kaiserlichen Schutzbrief vorgelegt hat, ist, als er merkte, daß dies ohne Wirkung blieb, "gar kleinmuetigk worden" und hat um eine baldige Entscheidung über die Auslösungsbedingungen gebeten, damit er nicht zu lange aufgehalten wird.
Am 13. Dezember teilt Landgraf Philipp seinem Kanzler mit, daß er von den Juden eine Ablösungssumme von 4000, mindestens aber 3000 fl. erwartet, und fordert eine Stellungnahme. Am Tag darauf erhält der hessische Oberamtmann Weisung, sich zu den Verhafteten zu begeben und ihnen mitzuteilen, daß sie sich ihre Lage selbst zuzuschreiben haben, weil sie sich trotz des ihnen bekannten Verbots, das, solange die Entschädigungszahlung für die Verhaftung des hessischen Kammerschreibers in Frankfurt bei der vergangenen Herbstmesse noch aussteht, allen Frankfurter Bürgern Aufenthalt, Geschäfte und Durchzug in Hessen untersagt, auf hessisches Gebiet begeben haben. Außerdem hat der Landgraf sie als Glaubensgenossen jener zehn berittenen Juden verhaften lassen, die bei der letzten Herbstmesse die vier sächsischen Diener überfallen und sich später aus Frankfurt davongemacht haben. Der Oberamtmann soll eine Zahlung von 4000 fl. fordern
Am 14. Dezember unterrichtet der hessische Kanzler Landgraf Philipp davon, daß der Frankfurter Jude Joseph zum goldenen Schwan einen Diener mit einem vom 8. Dezember, also zwei Tage nach der Verhaftung der Juden zu Rüsselsheim, datierten Brief und dem mündlich ausgerichteten Angebot geschickt hat, zu vertraulichen Verhandlungen über die Irrungen zwischen der Stadt Frankfurt und dem Landgrafen nach Kassel zu kommen, sofern man ihm Geleit gewährt.
Am 28. Januar 1565 erteilt Landgraf Philipp Joseph zum goldenen Schwan, der sich, nachdem er zu Verhandlungen in Kassel war, Bedenkzeit erbeten und seine Rückkehr zum 22. Februar zugesagt hat, Geleit von Frankfurt nach Kassel und zurück.
Am 16. Februar überschickt der Rat der Stadt Frankfurt Landgraf Philipp eine Supplik, in der Fogel, die Frau des Moises (Mosche) von Bonn, und ihre Tochter Schönlin, Frau des Samuel, bitten, ihre Männer aus der nun schon lange währenden Haft zu entlassen.
Am 17. Februar wendet sich der Frankfurter Bürger Johann von Glauburg d. Ä. mit der Bitte um Unterstützung in einer ihn und die Stadt Frankfurt betreffenden Angelegenheit an Landgraf Wilhelm und ersucht darum, Joseph zum goldenen Schwan, der in den nächsten Tagen nach Kassel reisen wird, Audienz zu gewähren und ihn in dieser Sache anzuhören.
Bei den folgenden Verhandlungen in Kassel am 23. Februar erklärt Joseph, daß die Stadt Frankfurt die geforderten 10000 fl. unmöglich aufbringen und allenfalls 1000 oder 1500 fl., äußerstenfalls auch 2000 fl. bezahlen kann. Er verweist darauf, daß die Stadt den Rechtsweg bislang vermieden und sich wegen der Irrung nicht an den Kaiser gewandt hat.
Darauf läßt der Landgraf Joseph mit der Begründung auf der Badestube festsetzen, daß er entgegen seiner ursprünglichen Zusage ohne die versprochenen 4000 fl. nach Kassel gekommen ist und damit sein Geleit verwirkt hat. Joseph bittet, ihn freizulassen, damit nicht das Gerücht aufkommt, daß er Schulden halber inhaftiert wurde, und seine Gläubiger ihn vollends ruinieren. Er ist bereit, 1200 fl. und etliche goldene Ketten
Der hessische Kanzler protestiert vergeblich gegen den an Joseph begangenen Geleitsbruch, durch den er sich seiner Glaubwürdigkeit beraubt sieht.
Am 26. Februar erteilt Landgraf Philipp dem Frankfurter Juden Keva Jacoben Geleit von Kassel nach Frankfurt und zurück, damit er seinem Vetter Joseph die verlangten 2000 fl. holen kann, erklärt aber zugleich, daß das Geleit verfällt, wenn er ohne die 2000 fl. zurückkommt.
Am 7. März bescheinigt Landgraf Philipp Joseph, daß er ihn als Unterhändler in einer Irrung mit der Stadt Frankfurt mit einer Summe Goldgulden zufriedengesteflt hat. Gleichzeitig bekundet Joseph, daß er nach der Zahlung von 4000 fl. aus einer zu Recht über ihn verhängten Haft entlassen wurde, und schwört mit jüdischem Eid Urfehde.
Am 10. März teilt Landgraf Wilhelm Johann von Glauberg mit, daß Joseph ihn zwar mit allem notigen Eifer von Glaubergs Anliegen unterrichtet hat, er aber nach Lage der Dinge nicht zwischen der Stadt und Glaubergs Vater vermitteln kann.
Am 16. März berichtet Joseph dem landgräflichen Sekretär, daß ihm die Stadt Frankfurt die 4000 fl. erstattet hat, und bittet um die offizielle Beendigung der Irrung zwischen dem Landgrafen und der Stadt. Allerdings soll in dem landgräflichen Schreiben die gezahlte Summe nicht erwähnt werden, da nicht der ganze Rat von der Zahlung unterrichtet ist und Joseph von einer solchen Eröffnung Nachteile für sich fürchtet. Auch das während Josephs Haft entstandene Gerücht, wonach er verhaftet wurde, weil er ohne Auftrag der Stadt verhandelte, soll tunlichst nicht erwähnt werden, zumal es, wie eine Bestätigung der Stadt vom gleichen Tage bescheinigt, unrichtig ist.
Am 20. März teilt Landgraf Philipp der Stadt Frankfurt mit, daß er die Irrungen mit ihr als beigelegt betrachtet.
Am 6. März überschickt die Stadt Frankfurt Landgraf Philipp eine neuerliche Supplik von Fogel und Schönlin, die sich erboten haben, für die Freilassung ihrer Männer 1200 fl. zu bezahlen. In der Bittschrift ersuchen die beiden Jüdinnen den Landgrafen, der die 1000 fl., die sie ihm durch Joseph haben bieten lassen, abgelehnt und 2000 fl. gefordert hat, allerdings darum, sich mit 1000 fl. zu begnügen, da sie selbst mit Rücksicht darauf, daß Moises (Moschi) sehr krank und dem Tode nahe ist, mehr nicht aufbringen können.
Am 15. April antwortet Landgraf Philipp, daß er sich mit 1500 fl. begnügen will, behält sich dabei aber ausdrücklich die Bestrafung der Straßenräuber von Vilbel vor.
Am 18. April erteilt der Landgraf den Juden Behr von Großbockenheim, Schmoll von Braubach und der Jüdin Gude von Worms, die in Kassel wegen der Freilassung der in Rüsselsheim Inhaftierten verhandelt haben und über Frankfurt nach Rüsselsheim reisen wollen, Geleit für den Weg. Gleichzeitig teilt er seinem Keller in Rüsselsheim mit, daß er von den Verwandten der gefangenen Juden 1100 fl. erhalten hat und dieser sie freilassen soll, sobald er die restlichen 400 fl. erhalten hat. Da sich die Verwandten über das dumpfe, schwere Gefängnis beklagt haben, soll der Keller die Inhaftierten einstweilen in die Stube zurückbringen, in der sie früher gelegen haben. Der Oberamtmann wird angewiesen, den Gefangenen nach der Zahlung der 400 fl. Geleit nach Frankfurt zu erteilen und ihnen ihre Sachen zurückzugeben. Außerdem ergeht Weisung an die hessischen Beamten, die Frankfurter Juden künftig wieder ungehindert durch Hessen reisen zu lassen.
Ausfertigung
3 PA Nr. 1818 Bl. 38-39, 44-47, 58-59, 62-76, 80-86, 90-111; Nr. 2832 Bl. 134-135, 152-153; 3 I Kammersekretariat Nr. 6; 3/II Landgraf Wilhelm, Kurköln.
Archivangaben
Altsignatur
3 PA Nr. 1818 Bl. 38-39, 44-47, 58-59, 62-76, 80-86, 90-111; Nr. 2832 Bl. 134-135, 152-153; 3 I Kammersekretariat Nr. 6; 3/II Landgraf Wilhelm, Kurköln.
Digitalisat vorhanden
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Arcinsys-ID
Nachweise
Edition
Regestdruck
Küch, Politisches Archiv, Bd. 2 S.271 Nr. 1818; Heinemeyer, Politisches Archiv, Bd. 3 S.457 Nr. 2832.
Indizes
Personen
- Bär (Behr), zu Großbockenheim
- Maximilian II., Römischer Kaiser
- Glauburg (Glauberg), Johann d. Ä. von, Einwohner von Frankfurt am Main
- Fogel, verheiratet mit Samuel
- Gütlin (Gude), zu Worms
- Philipp I., Landgraf von Hessen
- Wilhelm IV., Landgraf von Hessen-Kassel
- Kifa Jacoben zu Frankfurt am Main, Vetter des Joseph zum goldenen Schwan
- Joseph, zum goldenen Schwan zu Frankfurt am Main, Bruder des Meyer, Vater des Hirsch
- Meir (Meier), zu Frankfurt am Main, Bruder des Joseph zum goldenen Schwan
- Moses (Moises), aus Bonn zu Frankfurt am Main, verheiratet mit Fogel, Vater der Schönlin
- August, Kurfürst von Sachsen
- Samuel (Schmoll), zu Braubach
- Samuel, zu Frankfurt am Main, verheiratet mit Schönlin
- Schönle (Schönlin), zu Frankfurt am Main, Tochter des Moises aus Bonn und der Fogel, verheiratet mit Samuel
- Vogel (Fogel), zu Frankfurt am Main, verheiratet mit Moises aus Bonn, Mutter der Schönlin
Orte
Sachbegriffe
- Bankrott
- Bußen, Geldstrafen
- Bürgschaften, jüdische
- Drohungen gegen Juden
- Durchzugsrechte
- Eid
- Einlager
- Fürstendiener
- Gefängnis, Haftstrafen
- Geldwechsel
- Geleit
- Gesinde
- Gold, Silber, Kleinodien (Handelsgut)
- Krankheit, Gebrechen
- Landfriedensbruch
- Pferde, Besitz und Gebrauch
- Pfändung jüdischen Vermögens
- Reichtum
- Schutzbriefe, Reverse
- Straßenraub
- Urfehde
- Vermögen
- Waffengebrauch
Siehe auch
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Orte
Personen
Quellen und Materialien
Nachnutzung
Rechtehinweise
Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Vermittlung des Juden Joseph zum goldenen Schwan zu Frankfurt in den Irrungen zwischen Hessen und der Stadt Frankfurt“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4061_vermittlung-des-juden-joseph-zum-goldenen-schwan-zu-frankfurt-in-den-irrungen-zwischen-hessen-und-der-stadt-frankfurt> (aufgerufen am 25.11.2025)
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