Vermittlung des Juden Joseph zum goldenen Schwan zu Frankfurt in den Irrungen zwischen Hessen und der Stadt Frankfurt

HStAM 3 Nr. 1818  
Laufzeit / Datum
1564 November 18 - 1565 April 18
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Vermittlung des Juden Joseph zum goldenen Schwan zu Frankfurt in den Irrungen zwischen Hessen und der Stadt Frankfurt
Auf die Nachricht, daß etliche Juden, "so ein pferd oder zehen gehapt", vier sächsische Diener auf ihrem Weg zur Frankfurter Messe auf hessischer Geleitsstraße bei Vilbel überfallen, sie mit Büchsen bedroht, gestoßen und zum Verlassen ihrer Kutsche gezwungen haben, teilt Landgraf Philipp von Hessen Kurfürst August von Sachsen mit, daß die Stadt Frankfurt auf seine Aufforderung, die Juden zu verhaften, nur eine unzulängliche Pfändung über sie verhängt hat, so daß sie ungehindert abziehen konnten. Da der Landgraf nicht beabsichtigt, den Vorfall auf sich beruhen zu lassen, erbittet er einen ausführlichen Bericht über den Tathergang. Gleichzeitig läßt er einen Bericht seines Amtmanns zu Eppstein anfordern und gibt Anweisung, darauf zu achten, ob "etwan ein reicher (a#für gestrichen: feister judde oder etzliche aus Franckfurt" in Hessen angetroffen werden, und sie an Stelle der Entwichenen vorläufig festzuhalten und zu verhaften.
Am 6. Dezember kündigt Kurfürst August Landgraf Philipp die baldige Übersendung des erbetenen Berichts an. Am 7. Dezember wird der Landgraf davon unterrichtet, daß am Vortage drei Frankfurter Juden, die auf dem Rückweg nach Frankfurt auf einem Karren von Oppenheim nach Gerau gekommen sind, verhaftet und über Nacht auf dem Rathaus zu Gerau festgehalten wurden. Weil aber dort ein geeignetes Gefängnis fehlt und zu besorgen war, daß die Juden ein Einlager im Wirtshaus zur Flucht nutzen würden, sind sie dem Keller zu Rüsselsheim mit dem Befehl überschickt worden, "sie uf ein gemach zu bestricken und zu verwaren, doch auch woll zu halten". Einer der Gefangenen, Moises von Bonn genannt, soll einer der Reichsten in Frankfurt sein. Der zweite ist Moises' Schwiegersohn, und auch der dritte soll sich "einer zimlichen narunge" erfreuen. Moises, der einen kaiserlichen Schutzbrief vorgelegt hat, ist, als er merkte, daß dies ohne Wirkung blieb, "gar kleinmuetigk worden" und hat um eine baldige Entscheidung über die Auslösungsbedingungen gebeten, damit er nicht zu lange aufgehalten wird.
Am 13. Dezember teilt Landgraf Philipp seinem Kanzler mit, daß er von den Juden eine Ablösungssumme von 4000, mindestens aber 3000 fl. erwartet, und fordert eine Stellungnahme. Am Tag darauf erhält der hessische Oberamtmann Weisung, sich zu den Verhafteten zu begeben und ihnen mitzuteilen, daß sie sich ihre Lage selbst zuzuschreiben haben, weil sie sich trotz des ihnen bekannten Verbots, das, solange die Entschädigungszahlung für die Verhaftung des hessischen Kammerschreibers in Frankfurt bei der vergangenen Herbstmesse noch aussteht, allen Frankfurter Bürgern Aufenthalt, Geschäfte und Durchzug in Hessen untersagt, auf hessisches Gebiet begeben haben. Außerdem hat der Landgraf sie als Glaubensgenossen jener zehn berittenen Juden verhaften lassen, die bei der letzten Herbstmesse die vier sächsischen Diener überfallen und sich später aus Frankfurt davongemacht haben. Der Oberamtmann soll eine Zahlung von 4000 fl. fordern 1#Der Absatz im Konzept, wonach der Landgraf sich, wenn die Juden die Zahlung der 4000 fl. verweigern, mit 3000 fl. begnügen will, wurde gestrichen. und dieser Forderung mit dem Hinweis Nachdruck verleihen, daß die Gefangenen bei einer Klage wegen Landfriedensbruchs Leib und Leben riskieren. Sollten sie später Schwierigkeiten haben, sich an den eigentlichen Landfriedensbrechern und Straßenräubern schadlos zu halten, läßt ihnen der Landgraf jede Unterstützung zusichern und verspricht, die Täter verhaften zu lassen, sobald sie sich auf hessisches Gebiet begeben. Sind die Gefangenen nicht zu Verhandlungen über die geforderte Zahlung bereit, sollen ihre Haftbedingungen verschärft werden.
Am 14. Dezember unterrichtet der hessische Kanzler Landgraf Philipp davon, daß der Frankfurter Jude Joseph zum goldenen Schwan einen Diener mit einem vom 8. Dezember, also zwei Tage nach der Verhaftung der Juden zu Rüsselsheim, datierten Brief und dem mündlich ausgerichteten Angebot geschickt hat, zu vertraulichen Verhandlungen über die Irrungen zwischen der Stadt Frankfurt und dem Landgrafen nach Kassel zu kommen, sofern man ihm Geleit gewährt.
Am 28. Januar 1565 erteilt Landgraf Philipp Joseph zum goldenen Schwan, der sich, nachdem er zu Verhandlungen in Kassel war, Bedenkzeit erbeten und seine Rückkehr zum 22. Februar zugesagt hat, Geleit von Frankfurt nach Kassel und zurück.
Am 16. Februar überschickt der Rat der Stadt Frankfurt Landgraf Philipp eine Supplik, in der Fogel, die Frau des Moises (Mosche) von Bonn, und ihre Tochter Schönlin, Frau des Samuel, bitten, ihre Männer aus der nun schon lange währenden Haft zu entlassen.
Am 17. Februar wendet sich der Frankfurter Bürger Johann von Glauburg d. Ä. mit der Bitte um Unterstützung in einer ihn und die Stadt Frankfurt betreffenden Angelegenheit an Landgraf Wilhelm und ersucht darum, Joseph zum goldenen Schwan, der in den nächsten Tagen nach Kassel reisen wird, Audienz zu gewähren und ihn in dieser Sache anzuhören.
Bei den folgenden Verhandlungen in Kassel am 23. Februar erklärt Joseph, daß die Stadt Frankfurt die geforderten 10000 fl. unmöglich aufbringen und allenfalls 1000 oder 1500 fl., äußerstenfalls auch 2000 fl. bezahlen kann. Er verweist darauf, daß die Stadt den Rechtsweg bislang vermieden und sich wegen der Irrung nicht an den Kaiser gewandt hat.
Darauf läßt der Landgraf Joseph mit der Begründung auf der Badestube festsetzen, daß er entgegen seiner ursprünglichen Zusage ohne die versprochenen 4000 fl. nach Kassel gekommen ist und damit sein Geleit verwirkt hat. Joseph bittet, ihn freizulassen, damit nicht das Gerücht aufkommt, daß er Schulden halber inhaftiert wurde, und seine Gläubiger ihn vollends ruinieren. Er ist bereit, 1200 fl. und etliche goldene Ketten 2#Auf einem Zettel, auf dem offenbar Josephs mitgeführte Barschaft verzeichnet ist, werden aufgeführt: 1246 fl., 17 Sonnenkronen, 18 kaiserliche Kronen, 17 Crossaten, 10 ungarische Gulden, zwei Kleinode, drei goldene Ketten. zu übergeben und für die Zahlung der dann noch verbleibenden 2000 fl. innerhalb von vierzehn Tagen Bürgen zu stellen. Erscheint dies nicht annehmbar, bittet Joseph um eine Geldstrafe wegen der nicht mitgebrachten 4000 fl. und um Freilassung, da er ein Unterhändler mit Geleit ist und den landgräflichen Dienern bei den Frankfurter Messen stets gute Dienste beim Geldwechseln geleistet hat. Überdies kann er im Gefängnis kein Geld beschaffen und hat Bedenken, deswegen nach Frankfurt zu schreiben. Der Landgraf schlägt ihm darauf vor, sich das Geld bei etlichen Adeligen zu borgen, die er sich ins Gefängnis bestellen soll, und erklärt sich bereit, ihm zu quittieren, daß die 4000 fl. namens der Stadt Frankfurt bezahlt wurden, so daß Joseph sie von der Stadt zurückfordern kann. Joseph entschließt sich darauf doch zu einem Schreiben an seine Frau und seinen Bruder Meier, in dem er die Übersendung von 2500 fl. fordert und sie bittet, alles, was sich in seinem Haus an Gold und Silber findet, zu versetzen, ihm das Geld zu schicken und mit niemandem darüber zu reden. Gleichzeitig weist Landgraf Philipp den Keller zu Rüsselsheim an, die gefangenen Juden in den Turm zu sperren und erst herauszulassen, wenn sie bereit sind, 2000 fl. zu bezahlen und Urfehde zu schwören. Sollte das Gefängnis zu kalt sein und Gefahr bestehen, daß die Juden verderben, soll sie der Keller gefesselt, so daß sie nicht entkommen können, in eine Stube legen.
Der hessische Kanzler protestiert vergeblich gegen den an Joseph begangenen Geleitsbruch, durch den er sich seiner Glaubwürdigkeit beraubt sieht.
Am 26. Februar erteilt Landgraf Philipp dem Frankfurter Juden Keva Jacoben Geleit von Kassel nach Frankfurt und zurück, damit er seinem Vetter Joseph die verlangten 2000 fl. holen kann, erklärt aber zugleich, daß das Geleit verfällt, wenn er ohne die 2000 fl. zurückkommt.
Am 7. März bescheinigt Landgraf Philipp Joseph, daß er ihn als Unterhändler in einer Irrung mit der Stadt Frankfurt mit einer Summe Goldgulden zufriedengesteflt hat. Gleichzeitig bekundet Joseph, daß er nach der Zahlung von 4000 fl. aus einer zu Recht über ihn verhängten Haft entlassen wurde, und schwört mit jüdischem Eid Urfehde.
Am 10. März teilt Landgraf Wilhelm Johann von Glauberg mit, daß Joseph ihn zwar mit allem notigen Eifer von Glaubergs Anliegen unterrichtet hat, er aber nach Lage der Dinge nicht zwischen der Stadt und Glaubergs Vater vermitteln kann.
Am 16. März berichtet Joseph dem landgräflichen Sekretär, daß ihm die Stadt Frankfurt die 4000 fl. erstattet hat, und bittet um die offizielle Beendigung der Irrung zwischen dem Landgrafen und der Stadt. Allerdings soll in dem landgräflichen Schreiben die gezahlte Summe nicht erwähnt werden, da nicht der ganze Rat von der Zahlung unterrichtet ist und Joseph von einer solchen Eröffnung Nachteile für sich fürchtet. Auch das während Josephs Haft entstandene Gerücht, wonach er verhaftet wurde, weil er ohne Auftrag der Stadt verhandelte, soll tunlichst nicht erwähnt werden, zumal es, wie eine Bestätigung der Stadt vom gleichen Tage bescheinigt, unrichtig ist.
Am 20. März teilt Landgraf Philipp der Stadt Frankfurt mit, daß er die Irrungen mit ihr als beigelegt betrachtet.
Am 6. März überschickt die Stadt Frankfurt Landgraf Philipp eine neuerliche Supplik von Fogel und Schönlin, die sich erboten haben, für die Freilassung ihrer Männer 1200 fl. zu bezahlen. In der Bittschrift ersuchen die beiden Jüdinnen den Landgrafen, der die 1000 fl., die sie ihm durch Joseph haben bieten lassen, abgelehnt und 2000 fl. gefordert hat, allerdings darum, sich mit 1000 fl. zu begnügen, da sie selbst mit Rücksicht darauf, daß Moises (Moschi) sehr krank und dem Tode nahe ist, mehr nicht aufbringen können.
Am 15. April antwortet Landgraf Philipp, daß er sich mit 1500 fl. begnügen will, behält sich dabei aber ausdrücklich die Bestrafung der Straßenräuber von Vilbel vor.
Am 18. April erteilt der Landgraf den Juden Behr von Großbockenheim, Schmoll von Braubach und der Jüdin Gude von Worms, die in Kassel wegen der Freilassung der in Rüsselsheim Inhaftierten verhandelt haben und über Frankfurt nach Rüsselsheim reisen wollen, Geleit für den Weg. Gleichzeitig teilt er seinem Keller in Rüsselsheim mit, daß er von den Verwandten der gefangenen Juden 1100 fl. erhalten hat und dieser sie freilassen soll, sobald er die restlichen 400 fl. erhalten hat. Da sich die Verwandten über das dumpfe, schwere Gefängnis beklagt haben, soll der Keller die Inhaftierten einstweilen in die Stube zurückbringen, in der sie früher gelegen haben. Der Oberamtmann wird angewiesen, den Gefangenen nach der Zahlung der 400 fl. Geleit nach Frankfurt zu erteilen und ihnen ihre Sachen zurückzugeben. Außerdem ergeht Weisung an die hessischen Beamten, die Frankfurter Juden künftig wieder ungehindert durch Hessen reisen zu lassen.

Ausfertigung

3 PA Nr. 1818 Bl. 38-39, 44-47, 58-59, 62-76, 80-86, 90-111; Nr. 2832 Bl. 134-135, 152-153; 3 I Kammersekretariat Nr. 6; 3/II Landgraf Wilhelm, Kurköln.

Archivangaben

Altsignatur

3 PA Nr. 1818 Bl. 38-39, 44-47, 58-59, 62-76, 80-86, 90-111; Nr. 2832 Bl. 134-135, 152-153; 3 I Kammersekretariat Nr. 6; 3/II Landgraf Wilhelm, Kurköln.

Digitalisat vorhanden

Arcinsys-ID

Nachweise

Edition

Regestdruck

Küch, Politisches Archiv, Bd. 2 S.271 Nr. 1818; Heinemeyer, Politisches Archiv, Bd. 3 S.457 Nr. 2832.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Vermittlung des Juden Joseph zum goldenen Schwan zu Frankfurt in den Irrungen zwischen Hessen und der Stadt Frankfurt“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4061_vermittlung-des-juden-joseph-zum-goldenen-schwan-zu-frankfurt-in-den-irrungen-zwischen-hessen-und-der-stadt-frankfurt> (aufgerufen am 25.11.2025)

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