Erlaß einer Judenordnung und Besteuerung der Juden zu Münzenberg durch die Mitherren

HStAM 81 Regierung Hanau Nr.  
Laufzeit / Datum
1572 Dezember 8 - 1573 November 26
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Erlaß einer Judenordnung und Besteuerung der Juden zu Münzenberg durch die Mitherren
Am 8. Dezember 1572 stellen Räte und Befehlhaber zu Hanau fest, daß beim letzten Baurechnungstag zu Münzenberg unter anderem wegen der vor einem Jahr ohne hanauische Zustimmung von dem Mitherren erlassenen Judenordnung verhandelt und auch über die Steuer von 1 Denar pro Gulden gesprochen wurde, die die Mitherren seit der gleichen Zeit von den etwa dreizehn hausgesessenen Münzenberger Juden erheben. Sie dürfte eine Einnahme von 40 oder 50 fl. erbracht haben.
Den am 18. Dezember vor der hanauischen Kanzlei erschienenen Münzenberger Juden wird vorgehalten, daß sie die Steuer gezahlt haben, statt sich pfänden oder verhaften zu lassen, "und ist dieses die erst beed, so die juden zu Müntzenbergck jhe gegeben". Die Beklagten verteidigen sich mit dem Hinweis, daß ihnen von der Kanzlei Hanau stets nur wenig Hilfe zuteil geworden ist und die Drohungen der Mitherren sie für Leib und Leben fürchten lassen mußten. Sie bitten, die Steuer auch künftig zahlen zu dürfen, da sie anders keinen Frieden bekommen können. Daraufhin werden die Vorgeladenen genötigt, im Haus von Salles Witwe Einlager zu nehmen, und am 19. Dezember ergeht Weisung an den Münzenberger Keller, die vier vornehmsten Juden aufzufordern, am 22. Dezember in Hanau zu erscheinen. Am gleichen Tage erstatten die Räte den hanauischen Vormündern Bericht, warnen vor einer möglichen Schmälerung der hanauischen Privilegien und schlagen vor, die Münzenberger Judenschaft mit einer Buße von 1000 oder 800, mindestens aber 600 oder 500 Talern zu belegen.
Am 25. Dezember gibt Graf Johann den Räten zu bedenken, daß die Juden doch wohl mehr aus Furcht als aus bösem Willen gehandelt haben, und bestimmt, daß eine Strafe von 400 Talern verlangt, diese aber später auf die Hälfte ermäßigt werden soll. Außerdem ist die weitere Zahlung der Steuer zu untersagen.
Am 29. Dezember bittet Scheme um Entlassung aus dem Einlager, weil seine von einer vor wenigen Tagen erfolgten Geburt noch geschwächte Frau dem großen Hauswesen mit vierzehn Dienstboten nicht vorstehen kann und überdies das Malwerk in seinem Haus stehengeblieben ist, so daß es an Brot und Mehl fehlt. Nachdem er geschworen hat, sich auf Anfordern jederzeit wieder vor der Kanzlei einzufinden, wird Scheme entlassen, die Bitte seiner Gefährten, ebenfalls heimkehren zu dürfen, aber abgeschlagen.
Am 31. Dezember wird den Zurückgebliebenen mitgeteilt, daß Graf Johann sie mit einer Buße von 400 Talern belegt hat. Daraufhin erklären sie, daß in Münzenberg nur elf hausgesessene Juden leben, von denen fünf sehr arm sind, und bitten um Minderung der Strafe. Nachdem sie zunächst 50, dann 100 Taler angeboten haben, wird ihre Strafe auf 200 Taler festgesetzt und verkündet, daß die im Einlager Sitzenden erst entlassen werden sollen, wenn dieses Geld bezahlt ist und sie Urfehde geschworen haben.
Am 9. Januar 1573 werden den einsitzenden Münzenberger Juden folgende Fragen gestellt:

  1. Seit wann, an wen und wieviel Bede sie zahlen.
  2. Wieviel Hausgesessene im Ort leben und wie sie heißen.
  3. Ob und wenn ja, seit wann sie Weinungeld zahlen.
  4. Ob sie den Geldverleih nach der neuen Ordnung mit Vorwissen des Baumeisters betreiben.
  5. Ob fremde Juden dem Baumeister die geforderten 4 Denar Nachtgeld zahlen.
  6. Ob die Juden den Dienern der Mitherren beim Einritt 2 Taler geben.
Darauf berichtet Lew, daß die Steuer erstmals zu Martini 1571 erhoben wurde und er von 966 fl. für je 100 fl. 12 1/2 Albus gezahlt hat. Die zwölf Hausgesessenen sind Lew, Joseph, Meyer, Mordtge, Davids Witwe, Isaack, Schieme, Gutmann, Salman, der arme Mordtge, Hietzigk und Joseph, der Schulmeister. Weinungeld hat Lew noch nicht gezahlt. Der Geldverleih darf seit etwa zwei Jahren nur mit Wissen des Baumeisters geschehen. Anstelle des Nachtgeldes geben die Juden dem Baumeister seit etwa zwei Jahren jährlich ein Pfund "imber". Die durch die neue Ordnung vorgeschriebene Zahlung der 2 Taler Einrittsgeld ist noch nicht erfolgt, weil noch keiner der Mitherren in Münzenberg war.
Mordtge (Martge) der Reiche hat 5 1/2 fl. 1 Kreuzer 6 Albus 1 Denar Steuer und von 2 Ohm ausgeschenkten Weines 1571 7 Maß zu Ungeld geben müssen, danach aber keinen Wein mehr ausgeschenkt oder versteuert. Isack hat 5 fl. Steuer gezahlt. Gutmann mußte 400 fl. versteuern und hat vor etwa einem halben Jahr 8 Kreuzer Ungeld gegeben. Meyer hat 400 fl. mit 2 fl. versteuert, den Herdschilling, aber noch kein Ungeld zahlen müssen.
Die Vorgenannten und Scheme (Schiemle) schwören Urfehde und geloben im Namen der Münzenberger Judenschaft die Zahlung der 200 Taler.
Am 9. Februar klagen die Münzenberger Juden vor der Kanzlei Hanau, daß die Stadt Münzenberg eine jährliche Steuer von 20 fl. von ihnen verlangt und droht, ihnen durch die Mitherren Wasser, Weide und Land verbieten zu lassen, wenn sie nicht zahlen. Die Juden, denen die Regierung Hanau jede Steuerzahlung untersagt hat, erklären, ein solches Verbot nicht hinnehmen zu können, da sie ihre Außenstände überwiegend auf dem Gebiet der Mitherren haben. Sie bitten um wirksamen Schutz.
Am 29. Juni berichtet der hanauische Keller, daß die Mitherren die Juden gepfändet haben und die Zahlung der ausstehenden Steuern binnen vierzehn Tagen verlangen, wenn die Pfänder nicht verfallen sollen.
Auf Anfordern der Räte vom 30. Juni schickt der Keller am 7. Juli der Kanzlei folgende von den städtischen Bedehebern erstellte Liste der am 25. Juni gepfändeten Gegenstände:
Meyer: Steuerschuld 1 1/2 fl. 8 Schilling 4 Denar; gepfändet: ein kupfernes "haffendupffen" und eine Maßkanne für 2 1/2 f. 8 Albus.
Josopf: Steuerschuld 1 1/2 fl. 8 Schilling 4 Denar; gepfändet: ein Kessel und eine Maßkanne für 3 fl.
Lewes Witwe: Steuerschuld 4 fl.; gepfändet: Zinnschüsseln von 36 Pfund für 6 fl.
Spitz Martgen: Steuerschuld 6 fl. 8 Albus 3 Denar; gepfändet: zwei Kupferkessel, ein kupferner "kullkessel", ein Messingkessel für 7 1/2 fl.
Davids Witwe: Steuerschuld 1 1/2 fl. 4 Schilling 6 Denar; gepfändet: zwei Kessel, eine Maßkanne, eine Zinnschüssel für 2 1/2 fl.
Itzigk: Steuerschuld 14 Schilling; gepfändet: ein Messingtiegel und ein Kupferkessel für 1 1/2 fl.
Gleichzeitig berichtet der Keller, daß die Stadt die Steuer zur Anlegung eines Weihers verwenden will.
Mit Schreiben vom 8. Juli protestieren die hanauischen Räte bei den Münzenberger Steuereinnehmern gegen die Pfändung und fordern die unentgeltliche Rückgabe des Pfandguts.
Darauf antworten die Bedeheber am 21. Juli, daß sie auf Weisung der Mitherren gehandelt und diesen auch das Pfandgut übergeben haben.
Am 23. Juli verlangen die hanauischen Räte erneut die Herausgabe der genommenen Pfänder bei Strafe von 100 Talern.
Daraufhin wenden sich die Bedeheber an Graf Philipp von Solms, und dieser läßt die Räte am 10. August wissen, daß, auch wenn die Juden zu Münzenberg Hanau allein unterstehen, sie doch die bürgerlichen Freiheiten wie Schutz, Schirm, Wasser, Weide und dergleichen von allen Mitherren haben und von diesen "mit gleichem dhor und negel" gesichert werden wie von Hanau. Deswegen können sie auch besteuert werden, und die Juden selbst haben dies mit Akzeptierung der von den Mitherren erlassenen Ordnung auch anerkannt. Er wertet daher die Steuerverweigerung als eine von den hanauischen Räten zu Unrecht unterstützte "rebellion" und verweigert die Herausgabe der Pfänder.
Am 5. September weisen die Räte diese Vorwürfe zurück, erklären, daß Hanau die neue Judenordnung niemals anerkannt hat, und betonen, daß auch andernorts die im Schutz einer Stadt lebenden Juden nur einem Schutzherrn unterstehen, dem sie Steuern und Abgaben zu zahlen haben.
Anläßlich einer zu Münzenberg erlassenen neuen Bedesatzung erklären die Räte am 26. November noch einmal, daß die steuerung der Juden durch Stadt und Mitherren gegen alles Herkommen ist.

Weitere Angaben

vgl. HStAM, 86 Hanauer Nachträge Nr. 702 u. HStAM, 86 Hanauer Nachträge Nr. 5934 Bl. 81

Archivangaben

Altsignatur

81 Regierung Hanau D 1 Nr. 78/6

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Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

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„Erlaß einer Judenordnung und Besteuerung der Juden zu Münzenberg durch die Mitherren“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4628_erlass-einer-judenordnung-und-besteuerung-der-juden-zu-muenzenberg-durch-die-mitherren> (aufgerufen am 25.11.2025)

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