Münzwechsel und Silberlieferungen der oberhessischen Juden

HStAM [ohne Angabe] Nr.  
Laufzeit / Datum
1572 Juni 27 - Juli 10
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Münzwechsel und Silberlieferungen der oberhessischen Juden
Am 27. Juni 1572 befiehlt Landgraf Ludwig von Hessen den Rentmeistern im Oberfürstentum, alle jüdischen Männer bei Strafe zum 7. Juli nach Marburg zu laden. Sie sollen die spanischen und anderen im Reich verbotenen Münzen im Oberfürstentum einwechseln und nach Marburg bringen, wo man sie ihnen ”vermuge der außgangenen valuation" vergüten wird. Auch sollen sie gutes Silber kaufen und dem Gießener Münzwardein liefern, der pro Mark Feinsilber 9 fl. Batzen zahlt.
Am 7. Juli erscheinen in Marburg: Salmon aus Kirchhain, Gottschalck aus Schönstadt, Michel von Biedenkopf, Liebmann und Baruch von [Nieder]Ohmen, Joseph aus Staufenberg, dessen Sohn David sowie Abraham aus Staufenberg, Nathan, Abraham und Isack von Echzell, Dreudlein und Muschi aus Nordenstadt, Seligmann von Igstadt, Wolf von Lorsbach, Salmon von Homberg a.d. Ohm, Muschi aus Rosenthal, Gottschalck und Mayer von Watzenborn, Nathan und Bermann von Hochweisel, Colmann und Liebmann von Ostheim, Isack und David von Homburg v.d.H., Mayer und Mendelin von Seulberg, Beifus und Jacob von Gonzenheim, Bonum und Man von Oberstedten und Salmon von Köppern.
Ihnen wird befohlen, die neue Reichsmünze nicht zu wechseln und aus dem Land zu bringen, desgleichen keine verbotenen Münzen einzuführen. Die eingewechselten verrufenen Münzen sollen wöchentlich abgeliefert und nach neuer Währung bezahlt werden. Außerdem haben sie bei Verlust von Schutz und Schirm dem landgräflichen Wardein jährlich 400 Mark Feinsilber zum Preis von 9 fl. Batzen pro Mark zu liefern.
Nach "genommenem bedacht” erklären sich die Juden bereit, sich an die Verordnung über das Münzenwechseln zu halten und verrufene Münzen abzuliefern, sehen sich aber nicht in der Lage, die Lieferung bestimmter Summen zu versprechen, da die verbotenen Münzen größtenteils bereits außer Landes gebracht wurden und von Handels- und Kaufleuten auch weiter ausgeführt werden. Sie versprechen aber, dem Landgrafen zur nächsten Messe 2000 spanische Taler zum neuen Kurs zu wechseln.
Was das Silber angeht, so bieten die Juden an, jährlich für 100 Mark Werksilber gegen Bezahlung zu liefern, und erhöhen dies Angebot später auf 200 Mark. Die Feinsilberlieferung wollen sie mit einer einmaligen Zahlung von 100 fl. ablösen.
Diese Vorschläge werden von den landgräflichen Räten abgelehnt, die auf einer jährlichen Lieferung von 400, mindestens aber 300 Mark Feinsilber bestehen.
Darauf erklären die Juden, daß sie unmöglich so viel Silber bekommen und allenfalls vier Jahre lang jährlich für 100 Mark Silber liefern können. Sie weisen auch darauf hin, daß Landgraf Wilhelm von Hessen mit seiner Judenschaft einen Silberpreis von 10 fl. 10 Kreuzern vereinbart hat. Für das ihnen befohlene Einwechseln der verrufenen Münzen bieten sie eine Ablösung von 30 Mark Silber oder 200 fl.
Die landgräflichen Beamten erklären sich bereit, den Kasseler Silberpreis zu zahlen, fordern aber immer noch eine jährliche Feinsilberlieferung von 300 oder 250 Mark.
Um sich von diesen Forderungen loszukaufen, bieten die Juden an, Landgraf Ludwig im Laufe von drei Jahren 300 fl. oder 40 Mark Feinsilber zu schenken. Im Ablehnungsfall wollen sie - verteilt auf sechs, mindestens aber drei Jahre - 600 Mark Feinsilber liefern, bitten aber, daß für jeden aus dem Oberfürstentum abziehenden Juden ein anderer aufgenommen wird.
Die landgräflichen Räte beharren auf der jährlichen Silberlieferung, die sie allerdings jetzt auf 100 fl. reduzieren. Darauf bieten die Juden jährlich, solange der Landgraf münzen läßt, 64 Mark.
Jetzt erklären sich die landgräflichen Räte mit einer Ablösung einverstanden, fordern aber, weil die Juden selbst schon 300 fl. geboten haben, 400 fl.
Darauf wird vereinbart, daß die Juden die 400 fl. im Laufe von vier Jahren in Raten von 50 fl. zu den Frankfurter Messen zahlen sollen. Dazu werden sie soviel Silber wie möglich zum vereinbarten Preis von 10 fl. 10 Kreuzer an die Münze liefern und verbotene Münzen zum Einwechseln bringen.
Im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen wenden sich die Juden auch direkt an Landgraf Ludwig, beklagen sich, daß man ihnen vorwirft, es "sollte alle verbottene und falsche müntz durch uns juden ins landt kommen sein", und erklären, daß sie unmöglich wie gefordert wöchentlich für 50 fl. verrufene Münzen einwechseln können, "dan der mehretheyl under uns so arm, das mir schwerlich das brott konnen erwerben". Da es den landgräflichen Beamten nicht gelungen ist, das Verbot, schlechte Münzen außer Landes zu bringen, durchzusetzen, wird dies den Juden erst recht nicht möglich sein, doch wollen sie sich des Wechselgeschäfts mit Eifer annehmen, falls den Untertanen durch Verordnung befohlen wird, ihre verbotenen Münzen zu den Juden zu bringen.
Die Forderung an die zweiunddreißig im Lande gesessenen Juden, bei Verlust des Schutzes alle vierzehn Tage 1 Mark Feinsilber nach Gießen zu liefern, ist unerfüllbar, "wan wir schon weib und kindt verließen und das gantze landt außlieffen".
Am 8. Juli schlagen die Räte Landgraf Ludwig vor, die angebotenen 300 oder 400 fl. als Ablösung zu akzeptieren, da andernfalls zu fürchten ist, daß die Juden ihre Außenstände eintreiben und das Land verlassen.
Am 9. Juli erklärt sich Landgraf Ludwig einverstanden und gestattet auch, daß, sofern sich die Gesamtzahl nicht erhöht und er vorher davon Kenntnis erhält, für jeden abziehenden Juden ein anderer Jude aufgenommen wird.
Daraufhin wird am 10. Juli die Vereinbarung vom 7. Juli bestätigt und von den erschienenen Juden unterzeichnet, die zugleich Nathan von Echzell, Gottschalck von Watzenborn, Isac Michel von Biedenkopf und Mayer von Seulberg zu Aufhebern und Lieferanten von Münzen und Silber bestallen1#Der Vertrag liegt in zwei Ausfertigungen vor, von denen die eine die hebräischen, die andere die deutschen Unterschriften der 32 Juden trägt. Die beiden, einmal deutsch, einmal hebräisch unterzeichneten Reverse der Juden tragen nur die Unterschriften von Nathan, Isack und Abraham von Echzell, Gottschalck von Watzenborn, Isack Michel von Biedenkopf, Salmon von Kirchhain, Joseph von Staufenberg, Liebmann und Colman von Ostheim und Mayer von Seulberg..

Weitere Angaben

vgl. auch Auslaufregister Bl. 74v, 40d Kammernachträge, Marburg Pak.303

Archivangaben

Altsignatur

40d Kammernachträge, Marburg Pak. 295

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Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Münzwechsel und Silberlieferungen der oberhessischen Juden“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4604_muenzwechsel-und-silberlieferungen-der-oberhessischen-juden> (aufgerufen am 25.11.2025)

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