Einbruchdiebstahl bei dem Juden Isaac zu Alsfeld

HStAM 17 I. Nr. 3047  
Laufzeit / Datum
1531 Oktober 26 - 1532 September 28
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 26. Oktober 1531 erhebt Martin Harthmann 1#Harthmann ist sicher identisch mit Martin Wagener, Weyners und Hartungk. Er stammte vermutlich aus Romrod und besaß eine einflußreiche Verwandtschaft und Freundschaft, zu der offenbar auch Lokalbeamte, wie der Schultheiß von Felda und der Amtmann zu Romrod, gehörten. vor dem Stadtgericht Alsfeld Klage gegen Cunz Buchener, weil dieser ihn 1529 grundlos des Diebstahls bei dem Alsfelder Juden Isaac beschuldigt hat. Nach einer Wiederholung der Klage am 10. November werden am 23. März 1532 die Zeugen vernommen, wobei sich herausstellt, daß sowohl Harthmann wie Buchener an der Tat beteiligt waren.
Harthmann gibt sich damit nicht zufrieden und erklärt dem Gericht am 5. Juli, daß nur Bucheners Aussagen ihn in Verdacht gebracht haben, dagegen "des juden falsch, erlogen leuchnen ime, Mertin, nichts schedlich, sondern furtreglich was zu sein eren, das der vorzweiffelt boßwicht, der jude, daruber us forcht das lant hat geraumpt". Darauf überschickt die Stadt die Prozeßakten am 17. August mit der Bitte um Rechtsbelehrung der Kanzlei Kassel, die den Fall an sich zieht und am 18. September Isaacs Frau verhört.
Sara sagt, daß ihr Mann etwa 22 fl. und gekauftes oder verpfändetes Silber im Wert von 18 oder 19 fl. besessen hat. Das Geld befand sich in einer Kammer in ihrer Schlafstube. Unter dem auf Martin Hartungks 1# Hof gehenden Kammerfenster stand gewöhnlich ein Rocken, den sie eines Tages, als sie mit einem Arm voll Brot in die Kammer kam, umgestoßen fand. Sie hat darauf die kleine, unverschlossene Lade, in der ihr Mann das Geld verwahrte, untersucht und sie bis auf 4 oder 5 Heller leer gefunden. Als sie weinend zu ihrem Mann gelaufen ist, hat der sie geschlagen, weil sie die Lade nicht in der Schlafstube verwahrt hatte. Auf den Lärm sind die Nachbarn zusammengelaufen und Hartungks Frau hat Isaac angeschrien, seine Frau nicht zu schlagen. Hartungk selbst, der merklich zitterte, hat auf Isaacs Klage, daß man ihm den Verdienst eines ganzen Lebens genommen habe, zwei Tagelöhner verdächtigt, von denen einer früher in ihrem Haus gewohnt hatte. Isaac hat das für unwahrscheinlich gehalten. Nach einem vergeblichen Versuch, die Tagelöhner zur Flucht zu bewegen, ist Hartungk selbst entwichen, später zurückgekehrt, verhaftet und auf Betreiben des Amtmanns wieder freigelassen worden. Als Isaac sich darüber beim Landgrafen beschwerte, haben ihn Hartungks Verwandte bedroht, und vor Saras Augen hat der Schultheiß von Felda so auf ihn eingeschlagen und -gestochen, daß nur die Hilfe frommer Leute ihm das Leben gerettet hat. Inzwischen ist Isaac, der den Landgrafen mehrfach vergeblich um Schutz gebeten hatte, verschwunden. Was das gestohlene Geld angeht, so hat Sara nach einer Predigt, in der der Pfarrer von ihrer Armut und ihren kleinen Kindern gesprochen hatte, auch daß der Diebstahl an einem Juden ebenso sündhaft sei wie an einem Christen, am Hühnerloch an der Haustür 4 1/2 fl. gefunden, die der Stadtrat ihrem Mann zugesprochen hat. Das gänzlich ungegründete Gerücht von unerlaubten Beziehungen zwischen Sara und Buchener ist entstanden, als Bucheners Verwandte seine Mutter bereden wollten, zur Rettung ihres Sohnes vor Gericht eine entsprechende Aussage zu machen. Diese hat aber erklärt, sie wollte lieber ihren Sohn hängen sehen als die Jüdin verunglimpfen. Der Jude Freitag ist ein weitläufiger Verwandter Isaacs, der Sara einmal durch den Rentmeister 1/2 Johannistaler zum Unterhalt ihrer sieben Kinder geschickt hat. Davon, daß er gesagt haben soll, ihr Mann käme nicht wieder, weiß Sara nichts, doch hat ihr der Rentmeister, als sie nach Kassel zog, ausrichten lassen, Freitag sei am Totenbett ihres Mannes gewesen. Sara hat aber gehört, daß in Grünberg etliche hingerichtet worden sind, die gestanden hatten, für Isaacs Ermordung Geld genommen zu haben. Isaac wollte nach Augsburg reisen, um dort beim Reichstag dem Landgrafen sein Anliegen vorzutragen und dann weiter nach Welschland zu ziehen. Man hat ihn zuletzt bei Angersbach gesehen. Hartungks Frau soll gesagt haben, "weren wir des diebs los, des juden sein wir los". Saras Nachforschungen in Deutschland waren vergeblich. Sie selbst ist von einem Verwandten Hartungks auf der Gasse mit einer Stange angegriffen worden, so daß fremde Leute sie retten mußten. Sie bittet um Schutz und Geleit.
Am 19. September 1532 sagt Buchener vor der Kasseler Kanzlei aus, daß in der Zeit, als er bei Hartungk das Böttcherhandwerk erlernte, Isaacs Frau einmal in Abwesenheit ihres Mannes Hartungk 16 fl. in Batzen zur Prüfung gebracht hat, mit denen sie Silber kaufen wollte, das die Alsfelder feilboten. Als sie fort war, hat Hartungk gesagt, er wollte ihr das viele Geld abnehmen, ein solcher Diebstahl wäre keine Sünde, weil die Juden ihr Geld doch nur bei den Christen erwuchert hätten. Zwischen Ostern und Pfingsten zur Zeit der Hafersaat ist Buchener nachts mit Hartungk zu dem neben Hartungks Haus liegenden Judenhaus gegangen und in die Kammer eingestiegen. Er hat auf Hartungks Weisung in die am Boden stehenden Töpfe gegriffen und als er dort nichts fand, die kleine unverschlossene Lade entdeckt, deren Inhalt er in einen in der Kammer gefundenen gestrickten Handschuh gefüllt hat, ohne die Lade umzukippen, so daß er nicht sagen kann, ob er sie ganz geleert hat. In der Lade war auch Bruchsilber in einer kleinen Büchse, ähnlich einer Würzbüchse. Die Beute betrug 13 fl. 1 Binger Heller. Davon hat Hartungk 6 1/2 fl. und den Heller bekommen. Das Silber sollte später geteilt werden. Hartungks Verwandte haben Buchener bei der Flucht unterstützt und ihm Arbeit besorgt. Die von Buchener vorgeschlagene Rückgabe der Beute hat Hartungk abgelehnt und erklärt, daß er das Silber aus Zorn, weil ein Schmelzversuch in der Pfanne mißlungen war, in den Brunnen geschüttet hätte.
Am 21. September bekennt Hartungk, daß er Buchener zu dem Diebstahl angestiftet hat. Die Büchse mit dem Silber hat er in seinem Haus unter dem Dach versteckt und nicht wieder angerührt. Am 26. September ändert er diese Aussage und erklärt, daß die Knaben die Silberbüchse, die nicht größer als eine Kindsfaust war, beim Stochern nach Schwalbennestern heruntergestoßen und einen Teil der Silberkörner, die die Größe von "rickes erbes" hatten, als Schießkörner benutzt haben. Die Büchse hat Hartungk seiner Frau gegeben. Buchener fügt dem hinzu, daß die Büchse 10 - 12 Körner und ein silbernes Kreuz enthalten hat. Am 27. September sagt Sara, daß ihr Bucheners Mutter für den Fall, daß sie ihren Sohn vor dem Halsgericht nicht anklagt, 2 fl. versprochen, aber nicht gegeben hat. Von ihrem Geld hat sie niemandem erzählt. Zu [Hartungks Schwiegervater] Essel, der ihrem Mann den Kauf des Alsfelder Silbers empfohlen hatte, weil er glaubte, daß man es ihm selbst ungern verkaufen würde, hat sie keine näheren Beziehungen unterhalten. Erst als Isaac von Melsungen mit anderen fremden Juden gekommen ist, um das Silber aufzukaufen, hat sie sich auf Weisung ihres Mannes, der zu Ostern abgereist war, um eine Jüdin zur Frankfurter Messe zu begleiten, bei Essel Rat geholt und dann ihre 2O fl. in Batzen im Schürztuch zur Prüfung zu Hartungk getragen, der sie für gut befunden hat. Sie hat die Münzen in einem geliehenen Geldbeutel zum Rathaus gebracht, mußte aber, weil die Herren viel zu tun hatten, unverrichteter Dinge wieder abziehen. Das Silber haben dann doch die fremden Juden gekauft, so daß ihr Mann nach der Rückkehr die Batzen gewechselt und "verpactiret" hat. Sara näht für die Leute Hemden und Kragen. Buchener hat ein solches Hemd von ihr gekauft und Hartungk hat es bezahlt. Möglicherweise sind die Leute durch dieses Hemd auf den Gedanken gekommen, sie unterhielte Beziehungen zu Buchener.
Am 28. September 1532 ordnet Landgraf Philipp an, bei Hartungks Frau nach der gestohlenen Büchse zu forschen. Buchener soll befragt werden, ob er zur Zeit von Isaacs Abzug in Eisleben war, "dan sich wol etwas von der rede, die der Esel 2#Harthmanns Schwiegervater Essel.<(fn>) gethan haben sol, diweil die judin selbst ja Cuntzen entschuldigt, zuvermuten were". Ferner fordert der Landgraf auf Bitten Siegfried von Hansteins, die Inhaftierung von dessen Juden zu Melsungen zu überprüfen und dafür zu sorgen, daß er entweder Urfehde schwört und entlassen oder bei erwiesener Schuld bestraft wird.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Einbruchdiebstahl bei dem Juden Isaac zu Alsfeld“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/3416_einbruchdiebstahl-bei-dem-juden-isaac-zu-alsfeld> (aufgerufen am 26.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/qjg/3416