Wahl zum Deutschen Reichstag

 
Bezugsort(e)
Bad Arolsen · Darmstadt · Kassel · Wetzlar · Wiesbaden
Epoche
Kaiserreich
Themenbereich
Politik

Ereignis

Was geschah

Im Deutschen Reich finden die Wahlen zum 11. Reichstag statt. Die SPD erreicht auf Reichsebene die meisten Stimmen, stellt jedoch aufgrund des für sie ungünstigen Mehrheitswahlrechts nach dem Zentrum nur die zweitgrößte Fraktion im Reichstag. Die Mandatsverteilung steht dabei in einem eklatanten Missverhältnis zur Anzahl der Wählerstimmen. Das absolute Mehrheitswahlrecht sorgt bei der Reichstagswahl dafür, dass die SPD zwar einen deutlichen Stimmenzugewinn verzeichnet und insgesamt 3,011 Mio. Wählerstimmen auf sich vereinigt1, jedoch mit 81 Sitzen nur zweitstärkste Partei im Reichstag hinter dem Zentrum (1,875 Millionen Wählerstimmen) bleibt. Die Wahlbeteiligung zur Reichstagswahl liegt bei rund 76 % der Stimmberechtigten und damit deutlich höher als bei der vorangegangenen Reichstagswahl im Jahr 1898 (damals rund 68 %). Von den acht Abgeordneten, die aus dem Regierungsbezirk Kassel in den Reichstag einziehen, gehören vier zu den antisemitischen Parteien (Deutschsoziale Partei (drei) und Deutsche Reformpartei (einer). Jeweils einen Abgeordneten stellen die Freisinnige Volkspartei, der Nationalsoziale Verein, die Nationalliberale Partei und das Zentrum. Im Regierungsbezirk Wiesbaden werden sechs Abgeordnete des Reichstags gewählt. Davon gehören zwei der Nationalliberalen Partei, zwei dem Zentrum, einer der antisemitischen CSP und einer der SPD (Heinrich Schmidt im Wahlkreis Frankfurt). Von den neun Abgeordneten aus dem Großherzogtum Hessen gehören sechs Abgeordnete der Nationalliberalen Partei an, einer der Freisinnigen Volkspartei und zwei der SPD (aus den Wahlkreisen Darmstadt – Groß-Gerau sowie Bingen-Alzey). Das Fürstentum Waldeck-Pyrmont entsendet einen Abgeordneten der Freisinnigen Volkspartei. Insgesamt ist bemerkenswert, dass von den 14 Abgeordneten aus den preußischen Regierungsbezirken Kassel und Wiesbaden allein fünf antisemitische Parteien vertreten. Von den elf Abgeordneten dieser Richtung im Deutschen Reichstag stellt die preußische Provinz Hessen-Nassau demnach fast die Hälfte.

Gewählte Abgeordnete

Königreich Preußen – Provinz Hessen-Nassau – Regierungsbezirk Wiesbaden

Bartling, Eduard (1845–1927; Nationalliberale Partei; Wahlkreis 2: Wiesbaden, Rheingau, Untertaunus)2
Buchsieb, Friedrich (1856–1933; Nationalliberale Partei; Wahlkreis 4: Limburg, Oberlahnkreis, Unterlahnkreis)3
Burckhardt, Georg (1848–1927; Christlich-soziale Partei; Wahlkreis 5: Dillkreis, Oberwesterwald)4
Dahlem, Anton (1859–1935; Zentrum; Wahlkreis 3: Braubach, Montabaur, Nassau, Nastätten, St. Goarshausen, Wallmerod)5
Itschert, Peter (1860–1939; Zentrum; Wahlkreis 1: Obertaunus, Höchst, Usingen)6
Schmidt, Wilhelm (1851–1907; SPD; Wahlkreis 6: Frankfurt am Main)7

Königreich Preußen – Provinz Hessen-Nassau – Regierungsbezirk Kassel

Gerlach, Hellmut von (1866–1935; Nationalsoziale Partei; Wahlkreis 5: Marburg, Frankenberg, Kirchhain)8
Lattmann, Wilhelm (1864–1935; Deutschsoziale Partei; Wahlkreis 2: Kassel, Melsungen)9
Liebermann von Sonnenberg, Max (1848–1911; Deutschsoziale Reformpartei; Wahlkreis 3: Fritzlar, Homberg, Ziegenhain)10
Lucas, Georg (1865–1930); Nationalliberale Partei; Wahlkreis 8: Hanau-Stadt, Hanau-Land, Gelnhausen, Frankfurt-Land11
Müller, Richard (1851–1931; Zentrum; Wahlkreis 7: Fulda, Schlüchtern, Gersfeld)12
Reventlow, Ludwig Graf zu (1864–1906; Deutschsoziale Reformpartei; Wahlkreis 1: Rinteln, Hofgeismar, Wolfhagen)13
Seyboth, Leonhard (1842–1916; FVp; Wahlkreis 4: Eschwege, Schmalkalden, Witzenhausen)14
Werner, Ludwig (1855–1928; Deutschsoziale Reformpartei; Wahlkreis 6: Hersfeld, Rotenburg (Fulda), Hünfeld)15

Königreich Preußen – Provinz Westfalen – Regierungsbezirk Arnsberg

Stoecker, Adolf (1835–1909); Christlich-soziale Partei; Wahlkreis 1: Wittgenstein, Siegen, Biedenkopf16

Königreich Preußen – Rheinprovinz – Regierungsbezirk Koblenz

Kraemer, Heinrich (1842–1907; Nationalliberale Partei; Wahlkreis 1: Wetzlar-Altenkirchen)17

Großherzogtum Hessen

Becker, Dr. med. Jakob (1864–1949; Nationalliberale Partei; Wahlkreis 5: Offenbach, Dieburg)18
Cramer, Balthasar (1851–1923; SPD; Wahlkreis 4: Darmstadt, Groß-Gerau)19
David, Eduard (1863–1930); SPD; Wahlkreis 9: Mainz, Oppenheim20
Haas, Wilhelm (1839–1913; Nationalliberale Partei; Wahlkreis 6: Erbach, Bensheim, Lindenfels, Neustadt im Odenwald)21
Heyl zu Herrnsheim, Dr. h.c. Cornelius Wilhelm Freiherr (1843–1923; Nationalliberale Partei; Wahlkreis 7: Worms, Heppenheim, Wimpfen)22
Heyligenstaedt, Louis (1842–1910); Nationalliberale Partei, Wahlkreis 1: Gießen, Grünberg, Nidda23
Oriola, Waldemar von (1854–1910); Nationalliberale Partei; Wahlkreis 2: Friedberg, Vilbel, Büdingen24
Schmidt, Reinhart (1838–1909; Freisinnige Volkspartie; Wahlkreis 8: Bingen, Alzey)25
Wallau, Eduard (1855–1941; Nationalliberale Partei; Wahlkreis 3: Lauterbach, Alsfeld, Schotten)26

Fürstentum Waldeck-Pyrmont

Potthoff, Heinz (1875–1945; Freie Vereinigung)27
(OV/KU/LV)

Bezugsrahmen

Nachweise

Fußnoten

  1. Auf die SPD entfällt ein Stimmenanteil von 31,7 %. Damit besitzt sie, bezogen auf den Zuspruch der Wähler, einen Stimmenvorsprung von zwölf Prozentpunkten gegenüber der nächststärksten Partei.
  2. Bartling setzte sich in der Stichwahl mit 54,7 % der Stimmen gegen den Sozialdemokraten Gustav Lehmann (1855–1926) durch. Lehmann lag nach dem ersten Wahlgang noch klar in Führung (33,9 % der Stimmen gegen 23,7 % für Bartling). Dr. Hans Crüger (1859–1927; Freisinnige Volkspartei), der den Wahlkreis seit der Ersatzwahl im November/Dezember 1901 vertreten hatte, errang nur 19,2 % der Stimmen und damit am wenigsten der insgesamt vier Kandidaten. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 642-647.
  3. Buchsieb setzte sich in der Stichwahl mit 57,1 % der Stimmen gegen Peter Paul Cahensly (1838–1923; Zentrum) durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 775-779.
  4. Burckhardt setzte sich in der Stichwahl mit 56,4 % der Stimmen gegen den Nationalliberalen Heinrich Hofmann (1857–1937) durch. Hofmann, der den Wahlkreis zwischen 1893 und 1903 im Reichstag vertreten hatte, lag nach dem ersten Wahlgang noch knapp in Führung (28,1 % der Stimmen gegen 25,7 % für den Antisemiten Burckhardt). Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 844-850.
  5. Dahlem, der den Wahlkreis seit einer Ersatzwahl im Vorjahr im Reichstag vertritt, setzte sich im ersten Wahlgang mit 58,3 % der Stimmen gegen Kandidaten der Nationalliberalen, der SPD und des Bundes der Landwirte durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 720-725.
  6. Itschert setzte sich in der Stichwahl mit 50,7 % der Stimmen (oder einem Vorsprung von nur 437 Stimmen bei 32.785 abgegebenen Stimmen) gegen Friedrich Brühne (1855–1928; SPD) durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 561-566.
  7. Schmidt setzte sich in der Stichwahl mit 52,0 % der Stimmen gegen Dr. jur. Ludwig Bruck († 1927; Volkspartei) durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 896 f.
  8. Von Gerlach setzte sich in der Stichwahl mit 52,6 % der Stimmen gegen den Konservativen Provinziallandtagsabgeordneten Karl Rabe von Pappenheim (1847–1918) durch. Rabe von Pappenheim hatte im ersten Wahlgang mit 34,3 % noch deutlich mehr Stimmen errungen als von Gerlach (25,2 %). Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 305-310.
  9. Lattmann setzte sich in der Stichwahl mit 51,4 % der Stimmen (oder einem Vorsprung von nur 890 Stimmen bei 32.773 abgegebenen Stimmen) gegen den Sozialdemokraten Karl Thiel (1860–1924; Redakteur des „Volksblatts“ in Kassel) durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 156.
  10. Liebermann von Sonnenberg setzte sich im ersten Wahlgang mit 67,8 % der Stimmen gegen Kandidaten der Konservativen, des Zentrums und der SPD durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 196.
  11. Lucas setzte sich in der Stichwahl mit 51,9 % der Stimmen gegen den Sozialdemokraten Gustav Hoch (1862–1942) durch, der den Wahlkreis seit 1898 im Deutschen Reichstag vertreten hatte. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 496-500.
  12. Müller setzte sich im ersten Wahlgang mit 78,5 % der Stimmen gegen drei Kandidaten durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 439-444.
  13. Graf zu Reventlow setzte sich in der Stichwahl mit 70,3 % der Stimmen gegen den Sozialdemokraten Oscar Vetterlein (1874–1955; Geschäftsführer des Konsumvereins in Helmarshausen) durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 83 f.
  14. Seyboth setzte sich in der Stichwahl mit 59,5 % der Stimmen gegen den Sozialdemokraten Wilhelm Hugo (geb. 1862; Zigarrenarbeiter) durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 247.
  15. Werner setzte sich in der Stichwahl mit 67,1 % der Stimmen gegen Richard Müller (1851–1931; Zentrumspartei, siehe Wahlkreis Kassel 7) durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 373.
  16. Stoecker setzte sich im ersten Wahlgang mit 50,9 % der Stimmen gegen drei Kandidaten durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 935.
  17. Kraemer setzte sich in der Stichwahl mit 67,6 % der Stimmen gegen den nach dem ersten Wahlgang noch vorn liegenden Kandidaten der Christlichen Arbeiterpartei (Zentrumspartei), Richard Breidebach, durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 976.
  18. Becker setzte sich in der Stichwahl mit 52,1 % der Stimmen gegen den nach dem ersten Wahlgang noch vorn liegenden SPD-Kandidaten Karl Ulrich (1853–1933) durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 3, Marburg 1995, S. 229.
  19. Cramer setzte sich im ersten Wahlgang mit 51,3 % der Stimmen gegen vier weitere Kandidaten durch, von denen der Nationalliberale Prof. Dr. Philipp Stein (1870–1932) mit 31,4 % der Stimmen das zweitbeste Ergebnis erzielte. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 3, Marburg 1995, S. 185.
  20. David setzte sich in der Stichwahl mit 55,0 % der Stimmen gegen den Kandidaten der Zentrumspartei, Dr. Maximilian König (1854–1921), durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 3, Marburg 1995, S. 420.
  21. Haas setzte sich in der Stichwahl mit 61,3 % der Stimmen gegen den SPD-Kandidaten Andreas Rau (1858–1935), durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 3, Marburg 1995, S. 296.
  22. Freiherr Heyl zu Herrnsheim setzte sich in der Stichwahl mit 67,3 % der Stimmen gegen den Kandidaten der Zentrumspartei Jakob Blum (1871–1930), durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 3, Marburg 1995, S. 339.
  23. Heyligenstaedt setzte sich in der Stichwahl mit 57,5 % der Stimmen gegen den SPD-Kandidaten Eduard Krumm (1863–1944) durch, der im ersten Wahlgang die meisten Stimmen errungen hatte (36,3 % gegenüber 32,2 % für Heyligenstaedt). Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 3, Marburg 1995, S. 38 f.
  24. Graf von Oriola setzte sich in der Stichwahl mit 62,8 % der Stimmen gegen den Sozialdemokraten Heinrich Busold (1870–1915), durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 3, Marburg 1995, S. 93-97.
  25. Schmidt setzte sich in der Stichwahl mit 53,8 % der Stimmen gegen Dr. Otto von Brentano (1855–1927; Zentrum), durch, der im ersten Wahlgang noch die meisten Stimmen errungen hatte (33,5 % gegenüber 29,4 % für Schmidt. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 3, Marburg 1995, S. 374.
  26. Wallau setzte sich in der Stichwahl mit 53,6 % der Stimmen gegen Friedrich Bindewald (1862–1940) von der Deutschen Reformpartei, durch, der den Wahlkreis seit 1893 vertreten hatte. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 3, Marburg 1995, S. 147-152.
  27. Potthoff setzte in der Stichwahl knapp mit 50,7 % der Stimmen (oder einem Vorsprung von nur 140 Stimmen bei 10.253 abgegebenen Stimmen) gegen den nach dem ersten Wahlgang noch vorn liegenden Kandidaten der Deutschsozialen Reformpartei, dem bisherigen Mandatsträger Julius Konrad Müller, durch. Vgl. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, Bd. 1, Marburg 1989, S. 1018.

Literatur

Weiterführende Informationen

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Siehe auch

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„Wahl zum Deutschen Reichstag, 16. Juni 1903“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/2237_wahl-zum-deutschen-reichstag> (aufgerufen am 25.11.2025)

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