Fahndung nach unvergleiteten fremden Juden in der Grafschaft Hanau

HStAM 81 Regierung Hanau Nr. B 1 93/3  
Laufzeit / Datum
1583 Mai 7/17 - September 24/Oktober 4
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Fahndung nach unvergleiteten fremden Juden in der Grafschaft Hanau
Der Oberamtmann zu Hanau, der festgestellt hat, daß fremde Juden den Verordnungen zuwider ohne Geleit durch die Grafschaft ziehen und "zu belestigung der armen unterthanen sich allerhandt schedlicher, wucherlicher handtirung undt conträct" befleißigen, befiehlt Amtleuten und Schultheißen am 7. Mai 1583, auf unvergleitete Frankfurter und Friedberger Juden zu achten und sie verhaften zu lassen.
Am 13. Mai berichtet der Amtmann zu Bergen, daß, nachdem er die Weisung vertraulich an den Schultheißen zu Praunheim und den Zentgrafen zu Bockenheim weitergegeben hatte, die Frankfurter Juden Kiva zum Riesen und Isac, der Sohn des Lev zur Sichel, auf dem Weg nach Niederursel zwischen Praunheim und Bockenheim festgenommen worden sind.
Am 23. Mai 1#Das Schreiben trägt das Datum des 26. Mai, aber ein Präsentatum vom 25. Mai. Da das Antwortkonzept am 24. Mai verfaßt wurde, dürfte das richtige Berichtsdatum der 23. Mai sein. meldet der Keller zu Assenheim, der Weisung hatte, nach Möglichkeit einen Friedberger Juden zu ergreifen, den man gegen einen im Gefängnis [zu Friedberg] mit dem Tode kämpfenden Untertanen aus Nauheim austauschen kann, daß es ihm gelungen ist, einen Juden im Wirtshaus zu Assenheim festzuhalten. Die Mitglieder des Rats zu Assenheim haben allerdings Bedenken geäußert und gemeint, "die lose juden werden uns nichts guts machen".
Darauf befiehlt der Oberamtmann dem Keller am 24. Mai, den Juden zur Vermeidung von Streitigkeiten mit den Mitherren zu Assenheim dem Greben zu übergeben und in das herrschaftliche Gefängnis zu bringen.
Am gleichen Tage berichtet der Schultheiß zu Dorheim nach Hanau, daß es ihm trotz verstärkter Kontrollen nicht gelungen ist, unvergleitete Juden aufzugreifen. Einige, die zu dem entleibten Juden nach Dorheim kommen wollten, sind ausgeblieben, denn "daß gleitgeben zu Nauheim hat sie alle scheue gemacht".
Am 26. Mai teilt der Keller zu Assenheim den Hanauer Räten mit, daß der gefangene Jude und seine Frau gebeten haben, ihn auf eigene Kosten im Wirtshaus bleiben zu lassen, da er gerade erst von einer langen Krankheit genesen ist, deren Spuren er noch trägt. Der Jude hat beteuert, daß er niemals Wucher getrieben und keinerlei Händel mit hanauischen Untertanen hat. Der Bitte wird am 27. Mai stattgegeben mit der Auflage, daß niemand von den Seinen zu dem Verhafteten gelassen wird und daß das Wachtgeld für zwei Mann und deren Zehrung täglich oder doch alle zwei Tage gezahlt und nicht gestundet werden soll. Zwei Tage später, am 29. Mai, berichtet der Keller jedoch, daß die Kontaktaufnahme zu fremden Juden sowie Friedberger Bürgern und Ratsmitgliedern im Wirtshaus nicht zu verhindern ist und er den Juden deshalb in der Wohnung des Turmwächters einquartiert hat.
Am gleichen Tage werden Kiva zum Riesen und Isac vor der Hanauer Kanzlei vernommen. Dabei sagt Kiva unter anderem, daß der jetzt zu Rheinberg (Reymberg umwendig Colln) lebende Nathan sein Schwager und ein Sohn des Frankfurter Juden Susskindt zum Elefanten ist. Er hat die letzte Herbstmesse besucht und ist durchaus keine “vagabunda persona", der der Aufenthalt in Frankfurt verboten wäre.
Nach seinen Schuldnern befragt, erklärt Kiva, daß er keine hanauischen Schuldner hat. Isac nennt Martin Geissel zu Ginnheim, dem er vor sechs oder acht Jahren 80 fl. geliehen hat, und Hans Becker, der ihm seit zwei Jahren 73 fl. schuldet.
Hinsichtlich des Geleits berufen sich Kiva und Isac darauf, daß auf der Straße nach Bockenheim, die sie benutzen müssen, um zur Mühle oder nach Ursel auf den Markt zu gelangen, das Geleitsrecht von Mainz und dem Landgrafen von Hessen beansprucht wird. Die Forderungen der beiden Juden in der Grafschaft werden mit Arrest belegt und alle künftigen Geschäfte mit hanauischen Untertanen untersagt. Sie müssen Urfehde schwören 2#Die Ausfertigung trägt eine hebr. Unterschrift, in 86 Hanauer Nachträge Nr. 28483. und werden freigelassen, nachdem die Brüder Abraham und Hayumb zu Hanau sich für sie verbürgt haben.
Am 31. Mai weisen die Hanauer Räte den Keller zu Assenheim, der gemeldet hat, daß sein Gefangener "in schwachheit gerathen" ist, an, ihn in das Haus des Windecker Juden Koscher bringen zu lassen, der für ihn bürgen will. Falls er nicht mehr selbst gehen kann, soll er auf eigene Kosten gefahren werden, wobei auf eine Fesselung zu verzichten ist. Der Transport, von dem die Mitherren unterrichtet werden müssen, soll keinesfalls über Friedberger Gebiet gehen.
Am 5. Juni schwört Mosche aus Friedberg, Eisemans nachgelassener Sohn, Urfehde. Er wird aus der Haft entlassen und verspricht, binnen vierzehn Tagen ein Verzeichnis seiner Schuldner in der Grafschaft einzureichen, die Kosten seiner Haft zu bezahlen und auf alle weiteren Geschäfte mit hanauischen Untertanen zu verzichten.
Am 19.Juli protestieren die Grafen Ludwig von Isenburg und Hans Georg von Solms beim hanauischen Keller zu Assenheim gegen Moschis Verbringung nach Windecken und verlangen eine Buße von 50 fl.
Der Keller unterrichtet die Kanzlei Hanau am 23. Juli von dieser Beschwerde und beruft sich darauf, daß er im Einvernehmen mit den Beamten der Mitherren gehandelt hat.
Bei einem Tag zu Assenheim am 24. September gibt der Vorfall Anlaß zu dem Beschluß, daß die Assenheimer Keller bei Strafund Bußfällen künftig nur noch gemeinsam tätig werden sollen.

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Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

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„Fahndung nach unvergleiteten fremden Juden in der Grafschaft Hanau“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/5500_fahndung-nach-unvergleiteten-fremden-juden-in-der-grafschaft-hanau> (aufgerufen am 25.11.2025)

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