Überfall auf den Juden Moschi Isermann von Friedberg
Stückangaben
Regest
Am 5. April 1577 erteilt ein Geleitsknecht zu Frankfurt dem Juden Moschi [Isermann] im Namen des Landgrafen von Hessen sowie der Grafen von Solms und Königstein Geleit von Frankfurt bis Butzbach.
Am gleichen Tage wird Moschi auf der Straße von Frankfurt nach Friedberg überfallen und beraubt. Bereits am Tag darauf überschickt die Stadt Friedberg Landgraf Ludwig von Hessen die Klagschrift des in der Friedberger Judengasse lebenden Moschi Isermann, in der dieser sich unter anderem beschwert, daß der Keller zu [Ober]Rosbach, dem er den Überfall unverzüglich angezeigt hat, die Täter nicht verfolgen lassen wollte, weil der Geleitshauptmann abwesend war.
Landgraf Ludwig antwortet am 9. April, daß Moschi sich besser in Anwesenheit des Geleitshauptmannes auf den Weg gemacht hätte, statt aufzubrechen, als dieser fortgeritten war, verspricht aber, nach den Tätern fahnden zu lassen, und gibt seinen Beamten zu Butzbach, Nidda und Oberrosbach entsprechende Weisungen.
Am 13. April sagt Moschi vor dem Hessischen Keller zu Bingenheim aus, daß er in Begleitung der beiden Fauerbacher Juden David und Samuel Färber von Frankfurt aufgebrochen ist, wobei Färber ihm die Kötze mit dem Geld getragen hat. Außerdem sind der Friedberger Jude Gumprecht Schlesinger und ein Strohschneider von Bobenhausen mit ihnen gegangen. Nach einer Rast am Harheimer Born sind sie auf halbem Weg zwischen Petterweil und Oberwöllstadt von vier Reitern überfallen worden, die Moschi beraubt und ihm folgendes abgenommen haben: "50 fl. an Eysbruckern; 100 fl. an vierbatzenern; 50 fl. ungefherlich, jehe merhe alls weniger an Mansfeldern; 30 fl. an alten d[enaren]
Gumprecht Schlesinger bestätigt, daß das Geld in seinem Beisein in Kalmans Haus in Frankfurt verpackt worden ist.
Zum Zeitpunkt des Überfalls ging Gumprecht ein paar Schritte vor seinen Begleitern. Einer der Reiter hat Würfel von ihm verlangt, ist aber, als er sie ihm geben wollte, von den anderen abgerufen worden und hat sich zusammen mit ihnen gegen Moschi gewandt. Sie haben Satteltasche und "karmer" aus der Kötze gezogen und sich damit davongemacht.
Am 14. April kann der Keller zu Butzbach Landgraf Ludwig melden, daß in Friedberg ein Bauer festgenommen worden ist, der etwas von dem geraubten Geld besitzen soll.
Am 15. April sagt der verhaftete Strohschneider Caspar Stein von Seibertenrod vor Burggraf und Bürgermeister zu Friedberg aus, daß er auf seinem Weg zur Frankfurter Fastenmesse am Harheimer Born Juden getroffen hat, bei denen eine Frau war, die sich über ihren schweren Korb beklagt hat und ihn am liebsten fortgeworfen hätte. Die Frage, ob ihm damals klar war, daß die Frau den Juden Geld nach Frankfurt trug, verneint Stein, gibt aber zu, daß sein Geselle den Korb befühlt hat. Nach etwa zehntägigem Aufenthalt in Frankfurt ist ein Fauerbacher Jude zu Stein gekommen, hat ihm berichtet, daß vier Juden mit viel Geld im Begriff wären, Frankfurt zu verlassen und gemeint, es sollte ihnen einer folgen, der ihnen die Haut vollschlüge und das Geld abnähme. Stein hat dem Juden geantwortet, das sollte er nur selbst tun. Als die Friedberger Juden von Frankfurt abgezogen sind, hat Stein in einer Wirtschaft gesessen und ist erst später am Harheimer Born wieder mit ihnen zusammengetroffen, wo sie mit etwa vierzig Juden aus Friedberg und Fauerbach Rast machten. Bei dieser Gelegenheit hat David von Fauerbach Stein gefragt, ob er ihm nicht einen bei der Messe erbeuteten Becher oder ähnliches zu verhandeln hätte. Als die Friedberger aufbrachen, ist Stein zurückgeblieben, weil ihn ein Schuh drückte. Von den Reitern und dem Überfall weiß er nichts, hat aber auch keine Erklärung, wie 18 Innsbrucker aus der Beute in den Besitz seiner Frau gekommen sind.
Am 16. April vernimmt der Keller von Bingenheim Moschi erneut in einer Friedberger Herberge, und dieser berichtet, daß ihn Stein während der Fastenmesse in der Frankfurter Judengasse angesprochen und gefragt hat, ob er viel Geld bei sich hätte. Moschi hat geantwortet, "ich hab daheim keins, was solt ich dan alhier haben”. Darauf hat Stein erwidert, er wisse, daß Moschi arm sei, wolle ihm aber Geld geben, wenn er ihm einen reichen Juden zeigte. Das hat Moschi abgelehnt.
Am 17. April teilt Landgraf Ludwig dem Bingenheimer Keller mit, daß er den Rentmeister zu Alsfeld und die von Riedesel um Auskünfte über Stein gebeten hat, und fordert den Keller auf, die von Moschi als Tatzeugen benannten Bauern zu vernehmen.
Dieser läßt die Bauern durch den Schultheiß von Oberwöllstadt befragen, der ihm das Ergebnis am 6. Mai mitteilt. Danach haben die Bauern etliche Reiter beobachtet, die die Juden "angerent und mit ihnen gemangelt" haben, waren aber der Meinung, sie forderten Würfel und haben deswegen nichts unternommen. Die Juden selbst haben sich auch nicht bei den Bauern beklagt und Moschi von Friedberg ist, als er in Oberwöllstadt erfuhr, daß der Schultheiß abwesend war, davongezogen, ohne bei der Familie des Schultheißen oder bei den Amtsknechten Klage geführt zu haben.
Der Bingenheimer Keller schickt diesen Bericht am 9. Mai nach Marburg und fügt hinzu, daß der Schultheiß von Rodheim ihm mündlich hat ausrichten lassen, daß er in Abwesenheit des Grafen von Königstein nicht nach den Tätern forschen lassen könne.
Am 20. Mai teilt der Keller zu Oberrosbach Kanzler und Räten zu Marburg mit, daß vier des Überfalls verdächtige Reisige aufgegriffen und in Friedberg inhaftiert worden sind. Einen Tag später berichtet der Keller von Bingenheim, daß der mit Stein gut bekannte Jude Moschi von Fauerbach entwichen ist, als er erfuhr, daß Stein ernstlich verhört werden sollte. Man nimmt an, daß Moschi die Friedberger Juden verraten hat.
Trotz Androhung von Tortur und peinlicher Befragung bestreiten die Gefangenen in Friedberg jedoch jede Beteiligung an dem Überfall, und auch Stein beteuert seine Unschuld.
Am 29. Juli überschickt die Stadt Friedberg Landgraf Ludwig eine Supplik Moschis, in der dieser unter Berufung auf die Reichsordnung von 1559 Erstattung seines Verlustes verlangt und erklärt, daß er seine Gläubiger nicht bezahlen kann, wenn ihm nicht geholfen wird. Am 13. November widerholt Moschi seine Klage, und die Stadt schickt seine Bittschrift am 28. des Monats nach Marburg. Darauf antworten Statthalter, Kanzler und Räte am 13. Dezember, daß Moschi ein Tag benannt werden soll, damit er seinen Verlust anzeigen und seinen Geleitsbrief zur Prüfung vorlegen kann.
Zwei Tage später empfiehlt einer der Marburger Räte, zunächst festzustellen, ob Moschi Frankfurt tatsächlich am 5. April, als ihm das Geleit erteilt wurde, verlassen hat und ihm, wenn das zutrifft, ein Drittel seines Schadens zu erstatten. Den restlichen Verlust sollen ihm die Butzbacher Mitherren ersetzen.
Am 14. Januar 1578 teilt die Stadt Friedberg Landgraf Ludwig mit, daß Moschi am 25. des Monats in Marburg erscheinen und den Geleitsbrief vorlegen wird.
Archivangaben
Altsignatur
260 Alte Kriminalakten Nr. 35
Arcinsys-ID
Archivkontext
Indizes
Personen
- David, aus Friedberg, später zu Fauerbach, Sohn des Seligmann
- Gumprecht Schlesinger, zu Friedberg
- Ludwig IV., Landgraf von Hessen-Marburg
- Kalmann (Kalman), zu Frankfurt am Main
- Moses Eisermann (Moschi Isermann), zu Friedberg, Sohn des Eisermann
- Moses (Moschi), zu Fauerbach
- Riedesel zu Eisenbach, Familie
- Samuel, zu Fauerbach, Färber
- Solms-Braunfels, Philipp von, Graf
- Stolberg-Wernigerode, Christoph von, Graf
- Stein, Caspar, Strohschneider, Einwohner von Ober-Seibertenrod
Orte
- Alsfeld
- Bingenheim
- Bobenhausen II
- Butzbach
- Fauerbach v. d. Höhe
- Frankfurt am Main
- Friedberg
- Harheim
- Marburg
- Nidda
- Ober-Rosbach
- Ober-Wöllstadt
- Petterweil
- Rodheim v. d. Höhe
- Ober-Seibertenrod
Sachbegriffe
Siehe auch
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Personen
Quellen und Materialien
Nachnutzung
Rechtehinweise
Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Überfall auf den Juden Moschi Isermann von Friedberg“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4929_ueberfall-auf-den-juden-moschi-isermann-von-friedberg> (aufgerufen am 25.11.2025)
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