Forderungen des Juden Heinemann zu Witzenhausen an Andreas Conrad zu Medebach

HStAM 4 f Staaten K Nr. Köln, Erzstift 5  
Laufzeit / Datum
1576 März 18 - 30
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 18. März 1576 bittet Andreas Conrad zu Medebach Erzbischof Salentin von Köln um Schutz vor den Forderungen der Räte zu Kassel und Münden, die von Bürgermeister und Rat zu Medebach verlangen, daß ein von dem Juden Heinemann zu Zeiten, als er noch unter braunschweigischem Schutz saß, gegen Conrad erwirktes Urteil vollstreckt wird.
Conrad berichtet, daß Heinemann vor Jahren Frankenberger Bürgern, die der teuren Zeiten wegen genötigt waren, Geld bei ihm aufzunehmen, erst etwas leihen wollte, nachdem sich Conrad als ehemaliger Landsmann der Frankenberger bereitgefunden hatte, die Bürgschaft zu übernehmen. Als in der Folge der Schuldverschreibungen mehr wurden, hat Heinemann zunächst die Zinsen anwachsen lassen und dann eine neue, auf Conrads Namen lautende Schuldverschreibung konzipiert, die Conrad auf Heinemanns Zureden abgeschrieben und dem Juden überlassen hat. Daß es mit dieser Verschreibung nicht seine Richtigkeit haben kann, zeigt schon die darin enthaltene Behauptung, Conrad habe mit dem empfangenen Geld Haus und Gut erworben, während er doch, wie sich bezeugen läßt, beides bereits besaß. Auch hat Conrads Frau nicht, wie angegeben, der Verschuldung zugestimmt, da sie von der ganzen Sache nichts wußte.
Heinemann hat die Verschreibung dem Gericht vorgelegt und Conrad zwingen lassen, ihm wöchentlich pro Taler 3 Pfennig Zinsen zu zahlen. Selbst aber hat Conrad von den Frankenberger Schuldnern, als er sich bei ihnen schadlos halten wollte, nur den landesüblichen Zinssatz bekommen können, und alle Bemühungen des verstorbenen Landgrafen Philipp von Hessen, Heinemann zu bewegen, sich an dem Zinssatz von 5 % genügen zu lassen, sind vergeblich geblieben.
Conrad hat Heinemann bis auf 5 Taler bezahlt und eine Quittung von ihm erhalten, deren Richtigkeit Heinemann vor Zeugen anerkannt hat. Seine spätere Behauptung, es habe sich um eine Fälschung gehandelt, derentwegen Klage vor dem Landgericht zu Werl geführt wurde, ist unrichtig, denn Conrad hat niemals in Werl vor Gericht gestanden. Er ist diesem Gericht auch nicht aus Furcht, die Quittung vorlegen zu müssen, ferngeblieben, sondern weil es ihm Bürgermeister und Rat zu Medebach untersagt hatten, damit nicht neues Recht geschaffen würde.
Entgegen seiner Aussage ist Heinemann, nachdem man ihm ein unparteiisches Verfahren zugesichert hatte, vor dem Freistuhl zu Medebach erschienen und hat, als das Urteil dort gegen ihn ausfiel, "in den baumgarten zu Arnsperg" appelliert, die Appellation dann aber über "zwo fatalia in desertion verpleiben lassen". Daraufhin ist Conrad freigesprochen worden.
Jetzt aber hat Heinemann, der inzwischen zu Witzenhausen lebt, die hessischen Räte, denen er doch früher in dieser Sache niemals Rede stehen wollte, bewogen, Bürgermeister und Rat zu Medebach zu bedrängen, damit Conrad Heinemann zum zweiten Male bezahlt.
Conrad erklärt, daß er nicht der einzige von Heinemann Geschädigte ist. Der von Kassel nach Medebach gezogene Ludwig Weingarten hat durch den Juden seinen gesamten Besitz verloren.
Am 19. März berichten Bürgermeister und Rat zu Medebach dem Erzbischof, daß sie den Kasseler Räten die Klärung des Falls durch eine unparteiische Kommission vorgeschlagen und ihnen zugleich mitgeteilt haben, daß Heinemanns gesamter Besitz zu Medebach mit Arrest belegt und eingezogen worden ist, nachdem Grete Hartwig wegen ihrer [von Heinemann geschwängerten] verstorbenen Schwester Klage gegen Heinemann erhoben hatte. Uberdies ist Heinemann wegen der gegen den Amtmann und Conrad geäußerten Beleidigungen mit einer Buße belegt worden. Die Bürger, die den Zuschlag auf Heinemanns Besitz erhalten haben, haben das Geld dafür auf dem Rathaus hinterlegt, keinesfalls aber hat Heinemann selbst dort, wie er behauptet, etwas deponiert. Von dem Geld hat der Landschreiber zu Arnsberg, der im übrigen auch wegen der 10 Taler Auskunft geben kann, mit Zustimmung des Amtmanns eine gewisse Summe "als ein beclagt gelehent gelt" erhalten. Bürgermeister und Rat bitten den Erzbischof, sich bei der Regierung Kassel für sie zu verwenden, da die Räte offenbar nur Heinemann Glauben schenken und die Medebacher schon dem Kasseler Markt am Sonntag Invocavit fernbleiben mußten aus Furcht, gepfändet zu werden.
Dieser Bitte entspricht der Erzbischof am 30. März und macht dabei deutlich, daß es nicht Sache der Kasseler Räte sein kann, Heinemanns Forderungen im Erzstift zu schützen, da sie ja auch nicht gedenken, seine dort begangenen Missetaten zu sühnen. Er verweist darauf, daß inzwischen auch die braunschweigischen Räte zu Münden bereit sind, auf eine Einmischung und die den Medebachern angedrohte Pfändung zu verzichten.

Weitere Angaben

Bl. 2, 5; vgl. auch HStAM, 17 I Alte Kasseler Räte Nr. 264, Bl. 6r-11v

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Forderungen des Juden Heinemann zu Witzenhausen an Andreas Conrad zu Medebach“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4835_forderungen-des-juden-heinemann-zu-witzenhausen-an-andreas-conrad-zu-medebach> (aufgerufen am 25.11.2025)

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