Forderungen des Nürnberger Kaufmanns Georg Hiettrodt d. J. an den Juden Maior zu Hochstadt

HStAM 86 Hanauer Nachträge Nr. 25896  
Laufzeit / Datum
1585 September 25/Oktober 5 - 1591 Mai 6/16
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 25. September 1585 berichtet der Nürnberger Kaufmann Georg Hiettrodt d. J. Räten und Befehlhabern zu Hanau, daß er vor anderthalb Jahren bei der Frankfurter Messe dem Hochstädter Juden Maior Bockfelle für mehr als 30 fl. auf Kredit verkauft und eine Schuldverschreibung darüber erhalten hat. Bei der folgenden Messe hat Maior ihn bis auf 7 fl. bezahlt und gegen das Versprechen, ihm eine neue Schuldverschreibung über 48 fl. auszustellen, weitere Felle im Wert von 41 fl. bekommen.
Da Maior sich nicht an seine Zusage gehalten hat, ist Hiettrodt vor einem halben Jahr nach Hochstadt geritten, hat Maior, der sich nicht finden lassen wollte, in seinem Haus aufgespürt und ihm auf sein Bitten versprochen, sich bis zur nächsten Messe zu gedulden. Als Maior aber zur Messezeit nicht in Frankfurt erschienen ist, hat sich Hiettrodt abermals nach Hochstadt begeben und hat dort trotz der Beteuerungen von Maiors Frau, ihr Mann sei in Frankfurt, um ihn zu bezahlen, so lange im Gasthof gewartet, bis ihm der Jude über den Weg gelaufen ist. Seine Bitte, einen Silberbecher anzunehmen und die Forderungen um 20 fl. zu ermäßigen, hat er abgelehnt und sich mit einer Klage an den Schultheißen gewandt, vor dem Maior sich aber nur zu der alten Schuld von 7 fl. bekennen wollte. Hiettrodt bittet, ihm zu seinem Geld zu verhelfen.
Am 27. September tadeln die Räte den Schultheißen, weil er Maior trotz entsprechender Weisung des Oberamtmanns nicht gepfändet hat. Da ein bereits in Nürnberg gerichtlich vernommener Zeuge, der Hiettrodts Angaben bestätigt, vermutlich erst während der kommenden Ostermesse in Hanau aussagen kann, soll der Schultheiß einstweilen Maiors Besitz mit Arrest belegen und inventarisieren lassen.
Am 15. Januar 1588 klagt Hiettrodts Anwalt die 48 fl. vor dem Hanauer Landgericht ein. Maior beanstandet seine Vollmacht und verlangt, nachdem dieser Punkt beigelegt ist, eine Kaution, weil Hiettrodt außerhalb des hanauischen Jurisdiktionsbereiches lebt.
Am 16. Dezember übergibt Hiettrodts Nürnberger Anwalt die Prozeßvollmacht für einen Frankfurter Anwalt und verspricht, als Maior auf der Kaution besteht, in einer eidesstattlichen Erklärung, daß der Prozeß ausschließlich vor dem hanauischen Landgericht geführt werden soll und sein Mandant im Falle der Verurteilung die Kosten tragen wird. Maior, von dem es heißt, daß er die Grafschaft verlassen will, muß im Gegenzug versprechen, dies erst nach dem Abschluß des Verfahrens zu tun und seinerseits auch kein anderes Gericht zu bemühen.
Als Maior am 20. Januar 1589 bestreitet, Hiettrodt mehr als 7 fl. schuldig zu sein, übergibt dessen Anwalt dem Gericht die Handelsbücher seines Mandanten und Auszüge aus denselben zur Prüfung. Maiors Forderung nach Abschriften weist er als nur zur Prozeßverzögerung dienlich zurück. Er bestätigt Maiors Angaben über eine am 15. September 1584 erfolgte Abrechnung, bei der Maior 7 fl. schuldig geblieben ist, erklärt aber, daß er nach Ausweisung der Handelsbücher noch für 41 fl. sämisches Leder erhalten und nicht bezahlt hat. In dem Bemühen, zu seinem Geld zu kommen, hat Hiettrodt in der Folge 16 fl. 4 Schilling 4 Denar ausgeben müssen. In den vorgelegten Auszügen aus Hiettrodts Frankfurter Marktbüchlein des Jahres 1584 wird neben Maior noch der Jude Feifel von Auernheim (Auershayn) genannt, der zur Herbstmesse 18 fl. für sämisches Leder zahlen soll. Hiettrodts Aufzeichnungen zeigen auch, daß die [Hochstädter] Juden Abraham und Moses 1585 versucht haben, ihn mit 27 fl. seiner Forderung an Paul Thiel zu Hochstadt zu verweisen und ihrerseits die Zahlung von 21 fl. vor Bürgermeister und Schultheiß zugesagt haben.
Am 25. Februar bestätigt der Nürnberger Bürger Georg Pfadenhauwer dem Anwalt seines vormaligen Prinzipals Hiettrodt, daß Maior zur Fastenmesse 1584 20 Bockfelle sämisches Leder für 18 fl. und zur Herbstmesse desselben Jahres 40 Felle für 41 fl. bekommen hat. Pfadenhauwer hat das Leder selbst ausgeliefert und die Rücknahme verweigert, als Maior sich später über den zu hohen Preis beklagte.
Als das Landgericht am 17. März darauf besteht, daß Hiettrodt entweder die Schuldverschreibung über 41 fl. vorlegen oder beweisen soll, daß Maior ihm einen Silberbecher und 20 fl. geboten hat, benennt Hiettrodts Anwalt den zur Messe in Frankfurt anwesenden Handelsdiener [Pfadenhauwer] als Zeugen, worauf das Landgericht noch am gleichen Tage die Stadt Frankfurt um seine Vernehmung ersucht. Da dies aus Termingründen nicht möglich ist, beschließt das Landgericht trotz Maiors Protest am 14. April Pfadenhauwer in Nürnberg vernehmen zu lassen. Dazu verlangt Hiettrodts Anwalt, daß der Jude Mosche zu Hochstadt und der dort ebenfalls ansässig gewesene Jude Abraham verhört werden sollen, die Hiettrodt seinerzeit eine Teilzahlung der Schuld und die Ubertragung ihrer Forderungen an Paul Thiel angeboten haben, was Hiettrodt als zu unsicher abgelehnt hat. Ferner sollen Maiors Anwalt sowie Schultheiß und Bürgermeister von Hochstadt wegen der Verhandlungen vernommen werden, die über die Rückzahlung der Schuld 1585 geführt worden sind.
Am 22. April überschickt der Nürnberger Stadtrichter Pfadenhauwers Aussage, aus der sich allerdings nur ergibt, daß Maior das Leder bekommen, nicht aber ob und wann er es bezahlt hat.
Am 7. Mai sagt der Hochstädter Schultheiß aus, daß Hiettrodt vor etwa drei Jahren seine Forderungen bei ihm eingeklagt, er ihn aber, weil Maior nicht zu Hause war, an den Oberamtmann verwiesen hat. Auf dessen Befehl ist dann eine Schätzung von Maiors Fahrhabe vorgenommen worden, worauf sich Maiors Sohn Abraham und der Jude Mosche zu Hochstadt erboten haben, Hiettrodt 20 fl. zu zahlen und ihm eine Forderung über 27 fl. an Paul Thiel abzutreten. Hiettrodt hat das abgelehnt, aber nicht auf Vollstreckung der Pfändung bestanden.
Als der Gemeindediener vernommen wird, gibt er an, dem Juden seines Glaubens wegen "nit holdt" zu sein, wie ja auch die Juden keinem Christen wohlgesonnen sind, erklärt sich aber im Hinblick auf den vorliegenden Fall für unbefangen. Er war bei der Pfändung von Maiors Habe zugegen. In gleicher Weise äußert sich ein weiterer Zeuge.
Mosche erklärt, nachdem er mit "ingelegter rechter handt uff das gesetzt Moses nach jüdischem prauch geschworen" hat, daß er 36 Jahr alt, zu Hochstadt wohnhaft und im Besitz von etwas über 12.000 fl. ist. Maior ist sein Vetter. Als er von Hiettrodts Forderungen hörte, hat er sich, weil Maior nicht zu Hause war, erboten, gegen Aushändigung der quittierten Schuldverschreibung zu zahlen, doch hat sich Hiettrodt daraufhin nicht wieder gemeldet. Er hat diese Zahlung ohne Maiors Auftrag allein zur Vermeidung von Kosten angeboten. Als Hiettrodt zum ersten Mal in Hochstadt war, hat Maior, wie er Mosche nach der Rückkehr berichtet hat, seine Tochter in Badenheim besucht. Bei Hiettrodts zweitem Aufenthalt in Hochstadt war Mosche nicht zugegen, weiß mithin auch nicht, ob Maior zu Hause war.
Nach einem weiteren Prozeßtermin am 16. Juni übergibt Maior (Meyer) dem Gericht am 11. August seine Stellungnahme, in der er alle Forderungen Hiettrodts zurückweist und erklärt, lediglich 7 fl. schuldig zu sein. Dagegen protestiert Hiettrodts Anwalt und wirft Maior mit Hinweis darauf, daß er am 12. Mai unter dem Vorwand, durch das jüdische Pfingsfest verhindert zu sein, nicht zur Zeugenvernehmung erschienen ist, Prozeßverzögerung vor.
Am 20. Oktober 1589 verurteilt das Landgericht Maior zur Zahlung der 48 fl., sofern Hiettrodt willens ist, die Berechtigung seiner Forderung zu beeiden. Auf Maiors Bitte wird ihm die Appellation gestattet, und dieser wendet sich am 27. Oktober mit einer Klage an das Hofgericht.
Am 14. November bekunden Bürgermeister und Rat zu Köln, daß der Nürnberger Kaufmann Hiettrodt vor ihnen den geforderten Eid wegen seiner Ansprüche an Maior abgelegt hat.
Am 25. November unterrichtet das Hofgericht Hanau das Landgericht davon, daß Maiors Appellationsklage angenommen worden ist, und fordert die Akten an. Gleichzeitig werden Hiettrodt und Maior zum 9. Dezember geladen. Nach der Verfahrenseröffnung wird der nächste Verhandlungstag auf den 23. Dezember gelegt, dann jedoch auf den 3. Februar 1590 verschoben. Nachdem beide Parteien ihre Einlassungen gemacht haben, wird die Verhandlung am 17. Februar geschlossen. Am 13. April bestätigt das Hofgericht das Urteil des Landgerichts.
Am 6. Mai 1591 ersucht Hiettrodts Nürnberger Anwalt Oberamtmann und Räte, Maior angeblich von dem Frankfurter Anwalt Dr. Johann Faust für ihn deponierte 65 fl. so lange nicht auszuhändigen, bis über Hiettrodts Forderungen entschieden ist.

Weitere Angaben

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Forderungen des Nürnberger Kaufmanns Georg Hiettrodt d. J. an den Juden Maior zu Hochstadt“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/5602_forderungen-des-nuernberger-kaufmanns-georg-hiettrodt-d-j-an-den-juden-maior-zu-hochstadt> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/qjg/5602