Forderungen der Frankfurter Jüdin Gütlin zur Leiter an Hans Maus zu Niederdorfelden

HStAM Protokolle Nr. II Hanau A 2b Bd. 1  
Laufzeit / Datum
1579 Oktober 27 - 1583 Dezember 9 (1589)
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Forderungen der Frankfurter Jüdin Gütlin zur Leiter an Hans Maus zu Niederdorfelden
Am 27. Oktober und 17. November 1579 soll vor der Kanzlei Hanau über die Klage der Frankfurter Jüdin Gütlin zur Leiter gegen Hans Maus zu Niederdorfelden verhandelt werden.
Da Gütlin nicht erscheint, wird Maus am 17. Mai 1580 freigesprochen und die Klägerin zur Zahlung der Kosten verurteilt.
Am 7. Juni unterrichtet das Hofgericht Rottweil Schultheiß, Gericht und Gemeinde zu Niederdorfelden davon, daß Maus aufgrund von Gütlins Klage geächtet worden ist, und teilt dies neben anderem auch dem Frankfurter Juden Hayumb zum Paradies in einem Schreiben vom 18. Juni mit.
Darauf protestieren Räte und Befehlhaber zu Hanau am 18. Juli in Rottweil gegen diese Ächtung und erklären, daß, nachdem das Verfahren gegen den zum 19. Januar vor das Hofgericht geladenen Maus nach Hanau remittiert wurde, Gütlin offenbar fälschlich behauptet hat, ihr sei kein Geleit erteilt worden. Dem hätte man in Rottweil allerdings nicht ohne weiteres Glauben schenken sollen, da offenkundig ist, "wie das arglistig, verdampt jüdisch volck zu erlangung ires gesuchten vortheils mhererthails sich der unwarheit befleißigen und behelfen". Gütlin ist mehrfach geladen worden, aber nicht erschienen, weshalb Maus freigesprochen wurde.
Auf diese Einlassung der Räte läßt Gütlin, Witwe des Simon zur Leiter, jetzt Frau des Jhohirh zur Leiter, am 15. November durch ihren Anwalt erklären, daß ihre 1579 vor dem Hofgericht erhobene Klage gegen Maus am 18. August desselben Jahres nach Hanau zurückverwiesen wurde. Am 19. August hat Maus ihr heimlich und ohne Wissen seiner Obrigkeit 31 fl. Zinsen anbieten lassen und versprochen, sie später ganz zu bezahlen. Als Gütlin dann vor das hanauische Hofgericht geladen wurde, hat sie mit Hinweis auf dies Zahlungsversprechen erklärt, vorerst nicht klagen zu wollen. Nachdem Maus jedoch in Hanau freigesprochen worden war, hat er weitere Zahlungen verweigert, so daß Gütlin zu einer erneuten Klage in Rottweil genötigt war, die, da Maus die Ladungen des Hofgerichts nicht beachtet hat und die Klage von Hanau nicht abgefordert wurde, die berechtigte Ächtung zur Folge hatte.
Diese Ausführungen bezeichnen die hanauischen Räte am 7. Februar 1581 als ”nichtig, ungegrundts, falsch, arglistig, unverschempt und erdichts angeben der juden arth und gebrauch nach". Gütlin hat, wie die Akten ausweisen, dem hanauischen Gerichtshoten keineswegs gesagt, daß sie mit der Klage warten wolle, sondern erklärt, daß es ihr verboten ist, der Ladung zu folgen. Entsprechend hat sie sich auch am 9. Mai 1580 geäußert, als ihr der Bote nach der am 1. März erfolgten Remission ihrer zweiten Klage durch das Hofgericht Rottweil eine Ladung des hanauischen Hofgerichts überbrachte. Daraufhin ist Maus, den die Hanauer Richter bereits am 17. November 1579 freigesprochen hatten, am 17. Mai 1580 zum zweiten Mal freigesprochen worden. Von einer danach in Rottweil anhängig gemachten neuerlichen Klage ist den Räten nichts bekannt. Die angeblich angebotene Zahlung von 31 fl. hat Maus bestritten.
Was den von Gütlin vorgelegten beglaubigten Auszug aus dem Frankfurter Konfeßbuch mit der von Maus am 31. Dezember 1577 unterzeichneten Schuldverschreibung angeht, so ist den Frankfurter Juden am 17. Februar und dem Hofgericht Rottweil am 3. April 1571 die hanauische Verordnung "wieder der juden wucherliche contract" übersandt worden, nach der jede ohne obrigkeitliche Genehmigung zustande gekommene Schuldverschreibung nichtig ist. Gütlins Forderungen sind daher der Herrschaft Hanau verfallen, und sie selbst hat eine Strafe von 10 Mark lötigen Goldes verwirkt.
Am 20. Juni 1581 lehnt das Hofgericht Rottweil die Aufhebung der Ächtung ab, weil die Acht vor der erst am 25. Juli 1580 eingegangenen hanauischen Remissionsforderung verhängt wurde.
Am 10. November wird Gütlin durch das Reichskammergericht davon in Kenntnis gesetzt, daß die hanauische Vormundschaftsregierung gegen die Entscheidung des Hofgerichts Rottweil eine Appellationsklage eingereicht hat. Am 26. November bekundet der Gerichtsbote, daß die in der Frankfurter Judengasse lebende Gütlin zur Leiter und ihr Mann Hirß die Ladung angenommen haben.
Am 29. November beauftragt Gütlin einen Anwalt mit ihrer Prozeßvertretung.
Am 13. Oktober 1582 beschweren sich die hanauischen Räte beim Hofgericht Rottweil, weil die seit dem 29. März 1582 wiederholt angeforderten Akten dem Reichskammergericht noch immer nicht übersandt wurden.
Am 6. Juli 1583 protestiert der hanauische Anwalt in Speyer gegen das am 10. April ergangene Reichskammergerichtsurteil, wonach die Klage wegen nicht fristgerechter Vorlage der erst am 13. Dezember 1982 übergebenen Akten abgewiesen wurde. Er weist darauf hin, daß die Verzögerung allein vom Hofgericht Rottweil verschuldet wurde, das von den hanauischen Räten mehrfach gemahnt worden ist und selbst in einem wegen der hanauischen Appellationsklage gegen den Frankfurter Juden Joseph zur goldenen Scheuer ergangenen Schreiben vom 31. August 1582 an die Notwendigkeit einer Fristverlängerung erinnert hat. Der Anwalt bittet um Aufhebung des Urteils.
Am 9. Dezember wird dieses Gesuch abgeschlagen.
Ohne weitere Eintragungen sind im Prozeßprotokoll noch die Jahreszahlen 1584-1589 vermerkt.

Weitere Angaben

Archivangaben

Altsignatur

Protokolle II Hanau A Nr. 2b Bd. 1 1579 Oktober 27, November 17; 86 Hanauer Nachträge Nr. 26013, 28613, 28622; 255 Reichskammergericht Lit. H Nr. 39, vgl. a. Nr. 41 und Nr. 237.

Arcinsys-ID

Archivkontext

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Forderungen der Frankfurter Jüdin Gütlin zur Leiter an Hans Maus zu Niederdorfelden“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/5170_forderungen-der-frankfurter-juedin-guetlin-zur-leiter-an-hans-maus-zu-niederdorfelden> (aufgerufen am 26.11.2025)

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