Duldung und Schutz der Juden zu Berka

HStAM 3 Nr. 2581  
Laufzeit / Datum
1539 Mai 23 - August 24
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Duldung und Schutz der Juden zu Berka
Der Schultheiß zu Eisenach und der Schosser zu Gerstungen berichten Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und seinem Bruder Herzog Johann Ernst am 23. Mai, daß Untertanen von Burkhardtsroda, die sich in Berka vollgesoffen hatten, auf der Rückfahrt einen der vom Landgrafen von Hessen in Berka geduldeten Juden getroffen haben, der in Geschäften auf der Landstraße nach Breitenbach unterwegs war. Sie haben ihn auf ihrem Wagen mitgenommen, ihm aber, als sie merkten, daß er ein Jude war, gedroht, ihn auf die Wartburg zu bringen, weil er sich ohne Geleit in Sachsen aufhielt. Trotz seines Bittens haben sie auf ihn eingeschlagen, ihm mit einem Messer etliche Löcher ins Wams geschnitten, einen Strick hindurchgezogen und ihn gebunden in den Wagen gelegt. In Breitenbach haben von dem Juden um Hilfe angerufene Bauern den Wagen angehalten und den Vogt zu Berka benachrichtigt, der die Burkhardtsrodaer Bauern im Turm von Hausbreitenbach einsperren lassen wollte. Weil er sich aber mit Schultheiß und Schosser über die Geleitsrechte auf der Straße bei Burkhardtsroda nicht einigen konnte, wurde die Strafe auf vier Wochen ausgesetzt.
Am 20. Juli unterrichten Kurfürst Johann Friedrich und sein Bruder den Landgrafen Philipp von Hessen von dem Vorfall und bitten um Mitteilung, ob der Landgraf wider Verhoffen ohne ihr Wissen Juden in Berka duldet. Sie verweisen darauf, daß sie zwar auf Bitten einiger Pfarrer, die Hebräisch lernen wollten, vereinzelten Juden den Aufenthalt in Thüringen gestattet haben, ihnen dieser Schutz aber inzwischen wegen Gotteslästerung, Wuchers und Betrugs aufgekündigt ist und alle Juden des Landes verwiesen wurden. Nur jenen, die in Leipzig oder anderen sächsischen Orten Handel treiben wollen, ist beim letzten Tag zu Frankfurt der Durchzug, nicht aber der Aufenthalt gestattet worden. Somit ist dem widerrechtlich zu Berka lebenden Juden mit der Festnahme durch sächsische Untertanen kein Unrecht geschehen, und der hessische Vogt hat kein Recht, strafend einzugreifen, zumal die Straße im Amt Hausbreitenbach Sachsen allein zusteht. Die zu Berka lebenden Juden sollen verhaftet und ihr Besitz beschlagnahmt werden.
Auf Anfrage von Statthalter, Kanzler und Räten zu Kassel vom 30. Juli berichtet der Vogt zu Berka den Vorfall noch einmal ausführlich und verweist darauf, daß die Juden zu Berka sowohl hessischen wie sächsischen Schutz genießen und dem kursächsischen Amtmann ein jährliches Schutzgeld zahlen. Hinsichtlich der rechtlichen Zuständigkeit beruft er sich auf den mehr als zwanzig Jahre zurückliegenden Fall eines Juden, der vehaftet wurde, weil er auf der Straße zwischen Berka und Breitenbach eine Frau überfallen und vergewaltigt hatte. Ehe er später im Gefängnis starb, wurde er vom kursächsischen Amtmann und vom hersfeldischen Vogt gemeinsam vernommen, was beweist, daß bei solchen und ähnlichen Vorkommnissen die Beamten der beteiligten Landesherren stets gemeinsam vorgegangen sind.
Aufgrund dieses Berichts antwortet Landgraf Philipp dem Kurfürsten Johann Friedrich am 24. August, daß er zwar keine Kenntnis vom Aufenthalt der Juden zu Berka hatte, man ihm aber nicht vorwerfen kann, sie ohne Wissen des Kurfürsten dort geduldet zu haben, da dessen Amtmann "des juden jerliche gedingte gab" ebenso angenommen hat wie der hessische Vogt. Da er sich indessen "von juden nicht vil ehr oder nutzes" verspricht, ist er mit der Ausweisung einverstanden, sofern nicht in einem Schutzbrief, den es einzuhalten gilt, eine bestimmte Dauer des Wohnrechts vereinbart ist.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Duldung und Schutz der Juden zu Berka“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/3637_duldung-und-schutz-der-juden-zu-berka> (aufgerufen am 26.11.2025)

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