Klage des Juden Simon Anselm zu Rüsselsheim gegen Michel Kopps Witwe zu Hochstadt

HStAM Protokolle Nr. II Hanau A 2b Bd. 1  
Laufzeit / Datum
1570 April 4 - 1573 Juni 23
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 4. April 1570 lädt das Hofgericht Rottweil Michel Kopps Witwe Merga zu Hochstadt aufgrund einer Klage des durch seinen Sohn Anselm vertretenen Juden Simon zu Rüsselsheim zum 30. Mai vor, weist die Klage aber bei diesem Gerichtstermin an das Hofgericht Hanau zurück.
Am 18. Juli ergeht eine erste Ladung der hanauischen Räte zum 21. August. Zu diesem Tag erscheint Anselm, macht eine Forderung von 48 fl. nebst den Zinsen von 1 Binger Heller pro Gulden und Woche geltend und erklärt, daß er, da Geleit und Ladung ihn nicht fristgerecht erreicht haben, berechtigt wäre, die Klage erneut in Rottweil anhängig zu machen, sein Vater jedoch bereit ist, sich mit Merga, die inzwischen Anton Mauermann geheiratet hat, zu vergleichen, sobald er wieder vom Rotlauf genesen ist.
Die Verhandlung wird auf den 4. September vertagt, doch erscheinen zu diesem Termin trotz des am 23. August erbetenen und am 31. des Monats erteilten Geleits weder Simon noch sein Sohn, so daß am 30. September eine neuerliche Ladung zum 30. Oktober ergeht. Am 27. Oktober teilt Simon mit, daß er in Geschäften seines Herrn vier oder fünf Wochen verhindert sein wird, und erhält darauf am 28. des Monats eine Ladung zum 4. Dezember. Zu diesem Termin erscheint Anselm, erklärt, daß Landgraf Wilhelm von Hessen seinen Vater zum Reichstag nach Speyer bestellt hat, und übergibt die förmliche Klagschrift, in der festgestellt wird, daß Simon Michel Kopp gen. Dollen Michel um Pfingsten 1561 48 fl. zum oben genannten Zinssatz sowie zinslos weitere 2 fl. geliehen hat. Als Kopp kurz darauf dem großen Sterben zum Opfer gefallen ist, hat Simon die Witwe, zu der er des Sterbens wegen nicht selbst gehen konnte, mahnen lassen, ist aber nicht bezahlt worden.
Am 8. Januar 1571 verweigert Mergas Anwalt jede Prozeßeinlassung, solange Anselm keine hinreichenden Prozeßvollmachten vorweisen kann. Darauf erteilt der zusammen mit seinem Sohn erschienene Simon diesem die verlangte Vollmacht, und das Verfahren wird auf den 23. Januar vertagt. Zu diesem Zeitpunkt verlangt Mergas Anwalt die Stellung einer Kaution, da der Kläger außerhalb der Grafschaft Hanau lebt, und so übergibt Anselm am 5. Februar eine Erklärung seiner Schwiegermutter Schönle, der Witwe des Windecker Juden Hayumb Seckel, die sich für 30 fl., die sie Anselm schuldet, verbürgt. Obwohl Mergas Anwalt die Kaution als zu gering zurückweist, anerkennt das Gericht sie und vertagt das Verfahren auf den 13. März. Es folgen weitere Verhandlungstermine am 3. und 30. April sowie am 15. und 28. Mai. Am 3. Juli legt Anselm das verlangte Original der Schuldverschreibung vom 3. Juni 1561 vor, das er erst beim Hofgericht Rottweil abfordern mußte.
Am 21. August 1571 erklärt Mergas Anwalt die Verschreibung aus vielerlei Gründen für nicht beweiskräftig. Er unterstellt unter anderem, daß der Stadtschreiber sie auf Simons Anstiften und gegen Bezahlung ohne Kopps Wissen ausgestellt haben könnte, zumal bekannt ist, daß er Simon eine Riephenn zu Erbstadt mit 20 fl. belastende falsche Verschreibung ausgefertigt hat. Der Anwalt führt weiter an, daß Kopp nie in Geldnot war und überdies jederzeit bei seinem Bruder, dem hanauischen Kämmerer Jacob Kopp, hätte borgen können. Verwunderlich erscheint ihm auch, daß die Schuld bis zu Kopps Tod im Jahre 1563 nie angemahnt wurde und Simon, als die Witwe ihn wegen seiner danach erhobenen Forderung auf den Rechtsweg verwies, noch bis 1567 gewartet hat, ehe er die Klage in Rottweil anhängig machte.
Am 1. Oktober weist Anselm diese Erklärung als beleidigend zurück, desgleichen die Unterstellung, Simon habe seinerzeit wegen dieser und anderer Bubenstücke die Grafschaft Hanau verlassen müssen. Solche Einlassungen zeigen das christliche Gemüt der Beklagten, "vel quasi, das sie einem armen juden widder ihr gewissen das seine zuverleugnen und ine mit ungrundt dafur zu schmehen und zu schenden understehet", obwohl sie doch unter Eid zugeben müßte, daß Kopp mehrfach Geld bei Simon geliehen hat und des öfteren in ihrem Haus war. Zwar glaubt sie vielleicht, "sie verdiene groß ablaß, wan sie ein juden umb das seinige sprengen kondte, aber die hern richter werden diß bedencken, iustitiam unicuique tribuere quod suum est, es sei gleich christ, jud, turck oder heyd."
Nach einem weiteren Verhandlungstermin am 16. Oktober erklärt Mergas Anwalt am 30. des Monats, daß die von Anselm vorgelegte Bescheinigung des Windecker Kellers, in der dieser am 17. Mai 1565 bekundet, daß Simon in der Irrung wegen angeblicher Schulden des Rippen Henn zu Erbstadt zu Unrecht beschuldigt wurde, vermutlich ebenfalls eine für ein paar Taler gekaufte Gefälligkeit des Kellers war, zumal in der Grafschaft bekannt ist, wie dieser Beamte "seiner persohn halben geschaffen gewesen". Er verweist darauf, daß Simon auch im Falle des Henn Wiesener von Hochstadt eine gefälschte Obligation vorgelegt hat. Aus der Tatsache, daß Simon gelegentlich in Kopps Haus war, ergibt sich nicht, daß Kopp Geld bei Simon geliehen hat, denn "man ja woll waiß, wie solche hungerige jueden, so wedder acker noch pfluge, noch ander handtwerck nit haben, dan das sie sich des schendlichen wuchers und betrugs einfeltiger leuth erneren, sich allenthalben pflegen zuzuthun, einzuschlaichen, auch onerfordert in die heuser zue lauffen und ire gelt anzubietten".
Bei dem zum 13. November angesetzten Termin läßt sich Anselm geschäftehalber entschuldigen.
Am 23. November überschicken Oberamtmann und Räte zu Darmstadt eine Beschwerde Anselms und verlangen Abhilfe. Anselm klagt, daß er trotz des ihm erteilten hanauischen Geleits auf den Straßen der Grafschaft "angelauffen, hefftigk ubergeben undt geschlagen" wurde, so daß er seines Vaters "rechtvertigunge derwegen nicht mehr gedenck nachzuvolgen”. So ist er vor vier Wochen bei Bergen von Seckbacher Bauern angefallen und geschlagen worden, und als er dem Schultheiß zu Bergen Anzeige gemacht hat, hat ihn dieser verspottet und gesagt, er wollte, man hätte ihn totgeschlagen. Darauf antworten die hanauischen Räte am 27. November, daß sie den ihnen bislang unbekannten Vorfall untersuchen und Weisung ergehen lassen werden, daß Anselm künftig unbehelligt bleibt. Seine Forderungen gegen Caspar Zehes Erben zu Kilianstädten soll er beim nächsten Prozeßtermin in der Klagsache gegen Kopps Witwe vorbringen.
Am 7. Dezember berichtet der Schultheiß zu Bergen der Kanzlei Hanau, daß die Seckbacher Bauern Hans Scheller und Jacob Scherer auf Befragen erklärt haben, daß sie seinerzeit von Anselm Würfel verlangt haben. Darauf hat er geantwortet, er werde ihnen einen Spieß geben, und hat mit seinem Spieß nach ihnen gestoßen, worauf Scherer die Waffe zurückgestoßen hat, die dabei auf Anselm gefallen ist. Mehr ist nicht geschehen.
Am 8. Januar 1572 gibt Anselm seiner Verwunderung Ausdruck, daß die Grafschaft Hanau nicht mit anderen als den von der Beklagten geschilderten käuflichen und bestechlichen Beamten versehen sein sollte. Die Behauptung, Henn Wiesener betrogen zu haben, weist er als unwahr zurück.
Da Anselm zur Verhandlung am 5. Februar nicht erscheint, wird sie auf den 26. Februar vertagt. Mergas Anwalt bietet Zeugen dafür an, daß es, während Simon in Windecken lebte, zahlreiche Klagen über ihn und seine Bübereien gegeben hat, die das ihm in seinem Abzugsbrief vom 22. August 1564 bescheinigte Wohlverhalten in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Da am 26. Februar keine der Parteien vor Gericht erscheint, wird auf den 14. April vertagt. Es folgen weitere Termine am 28. April und am 19. Mai sowie am 2. und 16. Juni.
Am 7. Juli wird auf Ansuchen des Klägers beschlossen, den derzeit als reitender Bote im Dienst der Stadt Frankfurt stehenden Claus Hoffmann als Zeugen vernehmen zu lassen, doch ergibt die erst am 12. Februar 1573 von der Stadt Frankfurt übersandte Aussage Hoffmanns keine wesentlich neuen Gesichtspunkte. Daraufhin ergeht am 23. Juni 1573 das Urteil, daß die Beklagte von allen Forderungen freizusprechen ist, sofern sie beeiden will und kann, von der Schuld nichts gewußt zu haben und eine solche Verschuldung ihres Mannes für gänzlich unglaubwürdig zu halten. Da die Beklagte diesen Eid ablegt, wird das Urteil rechtskräftig.

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Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

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„Klage des Juden Simon Anselm zu Rüsselsheim gegen Michel Kopps Witwe zu Hochstadt“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4492_klage-des-juden-simon-anselm-zu-ruesselsheim-gegen-michel-kopps-witwe-zu-hochstadt> (aufgerufen am 25.11.2025)

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