Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus

 

Ereignis

Was geschah

Bei der ersten Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus nach dem Deutschen Krieg werden die Konservativen mit 122 Mandaten stärkste Kraft, gefolgt von den Nationalliberalen (106 Abgeordnete) und den Freikonservativen, die 91 Abgeordnete in das 432 Sitze umfassende Parlament entsenden.1 In der Provinz Hessen-Nassau werden die Nationalliberalen mit 13 von 26 hier zu erringenden Sitzen mit Abstand stärkste Kraft, gefolgt von der Deutschen Fortschrittspartei, die alle ihre sechs hier errungenen Mandate im Regierungsbezirk Wiesbaden gewinnt. Die Konservativen holen drei Wahlkreise, die freikonservative Deutsche Reichspartei und die Zentrumspartei erringen zwei Mandate.2 In den Wahlkreisen der heute auf dem Gebiet des Landes Hessen liegenden Teile der Provinz Westfalen (Wahlkreis Arnsberg 1) und der Rheinprovinz (Wahlkreis Wetzlar) erringt ein Freikonservativer (Arnsberg) und ein Altliberaler (Wetzlar) das Mandat.3 Zahlreiche der hier gewählten Abgeordneten des preußischen Parlaments waren schon vor der Annexion politisch aktiv gewesen: sieben der 14 Abgeordneten aus dem Regierungsbezirk Kassel hatten vor 1866 der kurhessischen Ständeversammlung angehört,4 im Regierungsbezirk Wiesbaden waren es von den zwölf Abgeordneten sogar elf (acht im Landtag des Herzogtums Nassau und zwei in den gesetzgebenden Gremien der Freien Stadt Frankfurt).5

Gewählte Abgeordnete

Bei der Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus wird in jedem Wahlkreis nach absolutem Mehrheitswahlrecht (Persönlichkeitswahl) ein Abgeordneter gewählt.

Provinz Hessen-Nassau – Regierungsbezirk Kassel

Baehr, Dr. jur. Otto (1817–1895; Nationalliberale Partei); Oberappellationsgerichtsrat; Berlin; Wahlkreis 3: Kassel-Stadt
Bernhardi, Dr. phil. et theol. Karl Sigismund (1799–1874; Nationalliberale Partei); Bibliothekar; Kassel; Wahlkreis Kassel 8: Homberg – Ziegenhain6
Braun, J. August (1820–1879; Nationalliberale Partei); Fabrikant; Hersfeld; Wahlkreis Kassel 6: Rotenburg – Hersfeld
Coester, Karl Leopold Friedrich (1815–1879; Nationalliberale Partei); Polizeidirektor; Marburg; Wahlkreis Kassel 10: Marburg7
Dircks, Heinrich Friedrich (1802–1872; Nationalliberale Partei); Landsyndikus a.D.; Kassel; Wahlkreis Kassel 5: Eschwege – Schmalkalden8
Giller, Carl Theodor (1805–1879; Konservative); Landrat; Gelnhausen; Wahlkreis Kassel 13: Schlüchtern – Gelnhausen
Gleim, N.N. (Nationalliberale Partei); Kreisgerichtsdirektor; Rinteln; Wahlkreis Kassel 1: Rinteln9
Hassencamp, Friedrich Wilhelm (1817–1897; Nationalliberale Partei); Kaufmann; Frankenberg (Eder); Wahlkreis Kassel 9: Kirchhain – Frankenberg10
Hellwig, Conrad (1824–1889; Nationalliberale Partei); Landwirt, Bürgermeister; Haddamar/Kreis Fritzlar; Wahlkreis Kassel 7: Melsungen – Fritzlar
Herrlein, Franz Josef (1818–1890); Zentrumspartei; Gutsbesitzer; Margarethenhaun/Kreis Fulda; Wahlkreis 12: Fulda
Oetker, Friedrich (1809–1881); Nationalliberale Partei; Rechtsanwalt; Kassel; Wahlkreis Kassel 2: Hofgeismar – Wolfhagen
Schilling, Theodor (1824–1871); Konservative; Kreissekretär; Gersfeld; Wahlkreis Kassel 11: Hünfeld – Gersfeld11
Uloth, Wilhelm (1804–1885; Nationalliberale Partei); Landrat; Witzenhausen; Wahlkreis Kassel 4: Kassel-Land – Witzenhausen
Ziegler, Wilhelm (1805–1878; Nationalliberale Partei); Rentner; Hanau; Wahlkreis Kassel 14: Hanau

Provinz Hessen-Nassau – Regierungsbezirk Wiesbaden

Born, Ludwig (1813–1875; Deutsche Fortschrittspartei); Gutsbesitzer; Langenscheid/Unterlahnkreis; Wahlkreis Wiesbaden 7: Unterlahnkreis
Braun, Dr. jur. Karl (1822–1893; Nationalliberale Partei); Rechtsanwalt; Berlin; Wahlkreis Wiesbaden 2: Wiesbaden-Stadt
Briesen, Konstantin von (1821–1877; Freikonservative/Deutsche Reichspartei); Landrat; Homburg v. d. Höhe/Obertaunuskreis; Wahlkreis Wiesbaden 4: Obertaunuskreis12
Knapp, Johann (1807–1875; Deutsche Fortschrittspartei); Gutsbesitzer; Dauborn/Kreis Limburg; Wahlkreis Wiesbaden 8: Oberlahnkreis
Kugler, Dr. jur. Friedrich (1810–1881); Deutsche Fortschrittspartei; Appellationsgerichtsrat; Frankfurt am Main; Wahlkreis Wiesbaden 1: Frankfurt/Main-Stadt13
Mayer, Wilhelm (geb. 1821); Konservative Partei; Landrat; Biedenkopf; Wahlkreis Wiesbaden 11: Biedenkopf14
Mohr, Karl Anton (1820–1885; Deutsche Fortschrittspartei); Gutsbesitzer; Niederneisen/Unterlahnkreis; Wahlkreis Wiesbaden 5: Untertaunuskreis
Ruß, Johann Gottfried (1807–1873; Nationalliberale Partei); Kaufmann; Biebrich/Kreis Wiesbaden; Wahlkreis Wiesbaden 3: Wiesbaden-Land Schiele, Simon (1822–1895; Deutsche Fortschrittspartei); Direktor der Frankfurter Gasfabrik; Frankfurt am Main; Wahlkreis Wiesbaden 1: Frankfurt/Main-Stadt15
Schwartzkoppen, Dr. jur. Friedrich Freiherr von (1819–1897; Freikonservative/Deutsche Reichspartei); Gutsbesitzer; Wiesbaden; Wahlkreis Wiesbaden 10: Oberwesterwaldkreis
Wagner, Karl (1828–1880); Deutsche Fortschrittspartei; Gutsbesitzer; Mittelheim/Rheingaukreis; Wahlkreis 6: Rheingaukreis – Meisenheim16
Wirth, Carl (1810–1880); Zentrumspartei; Amtmann a.D.; Hadamar; Wahlkreis 9: Unterwesterwaldkreis17

Provinz Westfalen – Regierungsbezirk Arnsberg

Achenbach, Heinrich (1829–1899; Freikonservative/Deutsche Reichspartei); Vortragender Rat; Berlin; Wahlkreis Arnsberg 1: Wittgenstein – Siegen

Rheinprovinz – Regierungsbezirk Koblenz

Steltzer, Gustav (1823–1893; Altliberale); Kreisgerichtsdirektor; Wetzlar; Wahlkreis Koblenz 1: Wetzlar
(LV)

Bezugsrahmen

Nachweise

Fußnoten

  1. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 55.
  2. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 79.
  3. Die politische Zusammensetzung ändert sich im Laufe der ersten Legislaturperiode nur gering. Im Regierungsbezirk Kassel verlieren die Nationalliberalen durch Ersatzwahl ein Mandat, die Konservativen gewinnen eins hinzu. Im Regierungsbezirk Wiesbaden verlieren die Deutsche Reichspartei und die Deutsche Fortschrittspartei je ein Mandat, die Nationalliberalen und die Demokraten gewinnen je eines hinzu.
  4. Bernhardi, Braun, Dircks, Hellwig, Herrlein, Oetker und Ziegler.
  5. Born, Braun, Knapp, Mohr, Ruß, Schwartzkoppen, Wagner und Wirth in Nassau, Kugler und Schiele in Frankfurt. Von den im Laufe der Legislaturperiode durch Ersatzwahlen ins Abgeordnetenhaus gekommenen Abgeordneten hatten Bromm (kurhessische Ständeversammlung) und Ebner (Gesetzgebende Versammlung der Freien Stadt Frankfurt) bereits Erfahrungen in Landesparlamenten.
  6. Bernhardi schied am 27. Oktober 1868 aus dem Abgeordnetenhaus aus. Bei der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 26. November 1868 setzt sich der Mitherausgeber der „Preußischen Jahrbücher“ Dr. phil. Wilhelm Wehrenpfennig (1829–1900; Nationalliberale Partei) aus Berlin durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 655.
  7. Coester schied aufgrund seiner Beförderung zum Hilfsarbeiter bei der Königlich Preußischen Regierung in Kassel am 20. August 1868 aus dem Abgeordnetenhaus aus. Bei der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 26. Oktober 1868 setzt sich der Landrat des Kreises Marburg Wilhelm Mayer, der 1867 ein Mandat für das Abgeordnetenhaus im Wahlkreis Wiesbaden 11: Biedenkopf errungen hatte und aufgrund seiner Berufung als Landrat des Kreises Marburg erst im Sommer 1868 aus dem Parlament ausgeschieden war, durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 660.
  8. Dircks schied im Sommer 1868 aus dem Abgeordnetenhaus aus. Bei der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 22. Oktober 1868 setzt sich der Professor der Staatswissenschaften Dr. rer. pol. Carl Dietzel (1829–1884; Nationalliberale Partei) aus Marburg durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 648.
  9. Gleim wurde bei einer Ersatzwahl am 22. November 1867 gewählt, in der er sich gegen den Geheimen Regierungsrat Jaques von Specht (1807–1878; ebenfalls Nationalliberale Partei) und den parteilosen Landrat des Kreises Rinteln, Carl Kröger (1824–1897; parteilos/gouvernemental), durchsetzte. Die Ersatzwahl war notwendig geworden, da Friedrich Oetker, der das Mandat im Wahlkreis Kassel 2: Hofgeismar – Wolfhagen antrat, auch in diesem Wahlkreis gewählt worden war. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 639.
  10. Hassencamp lehnte die Wahl, die nur sehr knapp mit 82 zu 80 Stimmen auf ihn gefallen war, ab. Anfang November 1867 wurde deshalb eine Ersatzwahl durchgeführt, bei der sich der Landwirt Justus Heinrich Bromm (1827–1905; Nationalliberale Partei) aus Rauschenberg/Kreis Kirchhain gegen den Gutsbesitzer Lober aus Merzhausen/Kreis Frankenberg, der ebenfalls für die Nationalliberale Partei kandidierte, und den Literaten Adam Trabert (1822–1914; Demokraten) aus Hanau durchsetzte.
  11. Schilling schied aufgrund der Bestimmungen in Artikel 78 Absatz 3 der Preußischen Verfassung („Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt Eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch eine Wahl wiedererlangen.“) nach seiner Beförderung zum Landrat des Kreises Gersfeld aus dem Abgeordnetenhaus aus. Bei der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 1. September 1868 setzte sich er jedoch deutlich gegen den Hünfelder Bürgermeister Comitti durch und zog erneut ins Abgeordnetenhaus ein. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 663.
  12. Von Briesen scheidet aufgrund der Bestimmungen in Artikel 78 Absatz 3 der Preußischen Verfassung („Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt Eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch eine Wahl wiedererlangen.“) am 26. Oktober 1869 aus dem Abgeordnetenhaus aus. Bei der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 30. November 1869 setzt sich der Fabrikant Jakob Klotz (1823–1909; Deutsche Fortschrittspartei) aus Oberursel/Obertaunuskreis durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 682.
  13. Kugler schied im Sommer 1869 aus dem Abgeordnetenhaus aus. In der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 6. Oktober 1869 setzte sich der Berliner Redakteur Dr. med. Guido Weiß (1822–1899; Demokraten) im zweiten Wahlgang gegen Kugler durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 673.
  14. Mayer schied aufgrund der Bestimmungen in Artikel 78 Absatz 3 der Preußischen Verfassung („Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt Eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch eine Wahl wiedererlangen.“) im Sommer 1868 aus dem Abgeordnetenhaus aus. Bei der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 2. September 1868 setzte sich der ehemalige Regierungspräsident Wilhelm Winter (1803–1895; Konservative Partei) aus Elmarshausen/Kreis Biedenkopf durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 701.
  15. Schiele lehnte das Mandat nach der Wahl ab, sodass am 20. November 1867 eine Ersatzwahl durchgeführt wurde, bei der sich der Frankfurter Advokat Dr. jur. Hermann Friedrich Georg Ebner (1834–1895; Deutsche Fortschrittspartei) durchsetzte. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 673.
  16. Wagner schied bereits am 16. Dezember 1867 wieder aus dem Abgeordnetenhaus aus. Bei der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 18. Juli 1868 errang der Fabrikbesitzer Henry Rudolph Rosentreter (Nationalliberale Partei) aus Eltville das Mandat. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 688.
  17. Wirth lehnte das Mandat ab, weshalb bereits am 27. November 1867 eine Ersatzwahl durchgeführt wurde, bei der sich Generalvikar Dr. Karl Klein (Zentrumspartei) aus Limburg im ersten Wahlgang durchsetzte. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 696.

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„Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus, 30. Oktober 1867“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/7416_wahl-zum-preussischen-abgeordnetenhaus> (aufgerufen am 25.11.2025)

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