Forderungen des Juden Jacob zu Ortenberg an Heinz Beckel zu Ranstadt

HStAM 86 Hanauer Nachträge Nr. 28488  
Laufzeit / Datum
1577 Januar 14 - 1578 Mai 27
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 14. Januar 1577 beklagt sich der Jude Jacob von Ortenberg beim hanauischen Keller ebenda, weil sein Schuldner Heinz Beckel ihn drängt, die Jacob verpfändeten Güter schätzen zu lassen und ihm den bei einem Verkauf zu erzielenden, die Schuld übersteigenden Mehrerlös auszuzahlen.
Jacob erklärt, daß er, um das Geld zur Auszahlung zusammenzubringen, seine "beste schulden intreyben" müßte "mit gewalt und ist doch in diesen jaren nicht heraus zue brengen". Selbst wenn er das Geld aufbrächte, blieben doch die Grundstücke liegen und "mochten zue schanden gehn", so daß über kurz oder lang, wenn "kauffleut darzue komen wolten, sie ettwa ein armen juden trötzen und kaum halb gelt darumb geben wolen". Die Übernahme der Grundstücke wäre zudem ganz gegen die herrschaftliche Ordnung, die solche Verpfändungen nur gestattet, um die Schuldner zu hindern, ihre Liegenschaften weiter zu belasten, und um den Juden bei einem etwaigen Verkauf zur Bezahlung zu verhelfen.
Beckel und seine Freunde behaupten zwar, daß die Verschuldung bei Jacob Beckel "vorderpt" hat, doch hat Jacob weder ihn noch seinen Vater je genötigt, sein Geld zu nehmen. Vielmehr sind ihm Vater und Sohn bei Tag und Nacht nachgelaufen und haben ihn bedrängt und mit dem Versprechen, daß er der Erste sein sollte, der bezahlt wird, sobald sie ihr Anwesen verkaufen, dazu gebracht, ihnen immer wieder zu leihen.
Zwischenzeitlich gegebene Zahlungsversprechen sind nie eingehalten worden, und als Beckel auch die Jacob in einem Vergleich vor dem Schultheißen zugesagten 50 fl. zu Martini nicht bezahlt hat, war dieser genötigt, bei seiner Tochter 100 fl. aufzunehmen, für die er ebensogut Zinsen zahlen muß wie Beckel, der die Schulden, über die er sich jetzt beklagt, längst mit dem Erlös von Haus und Grundstücken hätte abtragen können. Jacob bittet, ihm zu seinem Geld zu verhelfen, und gelobt, sich dafür Tag und Nacht verdient zu machen, "so vil einem armen gebrechthaftigen juden moglich ist”.
Am 18. Januar wendet Beckel sich an die hanauische Kanzlei und klagt, daß die teuren Zeiten seinen Vater und ihn gezwungen haben, sich bei Jacob mit 59 fl. zu verschulden. Da er inzwischen aber nicht mehr in der Lage ist, auch nur die Zinsen zu bezahlen, bittet er, ihm eine ratenweise zinslose Abzahlung der Schuld zu ermöglichen. Bei der mit dem Keller zu Ortenberg vereinbarten Ratenzahlung von 10 fl. wachsen die Zinsen von einem Termin zum anderen jeweils wieder um 10 fl. nach, so daß kein Ende abzusehen ist. Will Jacob auf die Zinsen nicht verzichten, soll er die ihm verpfändeten Güter schätzen und verkaufen lassen. Was die verkaufte Hofreite angeht, so war sie bereits mit 100 fl. belastet, so daß Jacob von deren Erlös nicht bezahlt werden konnte. Mit dem Tadel, daß zu dem Anhörungstermin vor der Kanzlei nur Beckel, nicht aber Jacob geschickt wurde, weisen die Räte den Fall zur Schlichtung an den Keller zu Ortenberg zurück. Gelingt es ihm nicht, einen Vergleich zustandezubringen, können die Parteien wieder in Hanau vorstellig werden.
Am 12. Mai 1578 wendet sich Beckel erneut an die Kanzlei Hanau, berichtet, daß der Keller aus familiären Gründen verhindert war, einen Vergleich zwischen ihm und Jacob zu vermitteln, und beklagt sich, daß es Jacob inzwischen gelungen ist, einen Befehl an den Schultheißen zu erwirken, ihm Beckels Güter einzuräumen und zu übergeben.
Beckel behauptet, daß das Jacob verpfändete Gut die Schuld dreifach an Wert übersteigt und bittet, vertrauenswürdige Leute als Schätzer zu bestellen und Jacob nur den Gegenwert der Schuld ausfolgen zu lassen. Lehnt Jacob das ab, soll der Erlös aus dem Verkauf der Güter gleichmäßig auf alle Gläubiger, die Forderungen an Beckel haben, verteilt werden.
In einer weiteren Supplik berichtet Beckel, daß er selbst bei Jacob nur 10 fl. geliehen hat, dazu aber eine Schuld seines Vaters von 60. fl., "die über den halben theil zu gesuch gerechnet worden", übernehmen mußte und für die 70 fl. "auß unverstandt" seinen gesamten Besitz verpfändet hat.
Als Jacob Beckels Hofreite öffentlich ausbieten ließ, ohne einen Käufer zu finden, hat Beckel seinerseits einen Interessenten beigebracht, der die halbe Hofreite für 70 fl. erwerben wollte, dann aber vom Kauf zurückgetreten ist, weil er "mit dem juden nichts wolt zu thun haben". Beckels Wunsch nach einer amtlichen Schätzung seines Besitzes hat Jacob abgelehnt und Beckel 20 fl. sowie den Verzicht auf alle weiteren Forderungen angeboten, wenn er ihm seinen Besitz abtreten wollte. Beckel bittet nochmals um die Schätzung, auf die er nicht verzichten will.
Am 25. Mai berichtet der Keller zu Ortenberg, daß Beckel den mit Jacob abgeschlossenen Vergleich nicht eingehalten hat und sich auch an einen auf Jacobs Bitte hin geschlossenen zweiten Vergleich nicht hält. Gegen einen von Jacob in Hanau erlangten Befehl, ihn in Beckels Güter einzuweisen, hat Beckel protestiert und bei der hanauischen Kanzlei eine Änderung der Weisung dahingehend erreicht, daß der Besitz geschätzt und Jacob nur gegen Zahlung des Mehrwerts übergeben werden soll. Darüber beschwert sich wiederum Jacob, dem die Feldgüter an sich nichts nützen, da den Juden bekanntlich ihr Besitz untersagt ist, "in ansehung, sie nicht geschickt, dieselbigen zu bauwen". Zudem ist Beckels Haus so heruntergekommen, daß es einige Zeit dauern wird, bis Jacob es verkaufen kann. Da Beckel ein "versoffener muthwillig dropf" ist, der sich an keine Anordnung hält, bittet der Keller, Beckel anzuweisen, Jacob zu bezahlen oder ihm die verpfändeten Güter einzuräumen, wobei Jacob auch einverstanden ist, wenn der Besitz Beckels christlichen Gläubigern übergeben wird und diese ihn aus dem Erlös der Güter bezahlen.
Der Bitte des Kellers wird am 27. Mai von der Kanzlei Hanau entsprochen und Jacob eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

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„Forderungen des Juden Jacob zu Ortenberg an Heinz Beckel zu Ranstadt“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4907_forderungen-des-juden-jacob-zu-ortenberg-an-heinz-beckel-zu-ranstadt> (aufgerufen am 25.11.2025)

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