Forderungen des Frankfurter Juden Israel zum Engel an Elsa Rieder zu Enkheim
Stückangaben
Regest
Der Frankfurter Jude Israel zum Engel, der am 9. September 1567 bereits einen Pfändungsbescheid des Stadtgerichts Frankfurt gegen Heinz Rieders Witwe Elsa zu Enkheim erwirkt hat, reicht am 12. September die förmliche Klage ein. Da die Witwe trotz mehrfacher Ladung nicht vor dem Stadtgericht erscheint, wird Israels durch eine Schuldverschreibung vom 11. November 1565 belegte Forderung über 184 fl. am 20. Oktober als zu Recht bestehend anerkannt.
Am 8. September 1568 ergeht in gleicher Sache eine neuerliche Ladung des Frankfurter Stadtgerichts an Elsa, der sie aber ebenso wenig nachkommt wie den folgenden. Sie läßt vielmehr erklären, daß Sie Israel nichts schuldet und Forderungen an sie nur vor ihrer hanauischen Obrigkeit eingeklagt werden können.
Darauf werden am 13. Dezember 1568 in Elsas Abwesenheit die von Israel benannten und bereits am 29. Oktober vereidigten Zeugen vernommen. Der Richter Philipp Dux bestätigt, daß er die vorgelegte Schuldverschreibung über 184 fl. auf Bitten eines ihm unbekannten Mannes, der sich Heinz Rieder nannte und "etwas plödes gesichts gewesen", ausgestellt hat. Balthasar Sulzer hat diesem Bauern die Verschreibung vorgelesen und sie mit seiner Unterschrift versehen. Der letzte Zeuge kann lediglich die Echtheit des auf der Verschreibung angebrachten Siegels des inzwischen verstorbenen Caspar Schür bestätigen.
Am 22. Februar 1569 läßt die zwischenzeitlich wiederholt geladene, aber nicht erschienene Witwe dem Stadtgericht eine Gegendarstellung auf Israels Klage übergeben, in der sie nochmals beteuert, daß sie Israel nichts schuldet, und darauf verweist, daß sie dem Frankfurter Gerichtszwang nicht unterworfen ist, zumal die Stadt sie bisher weder hat verhaften noch pfänden lassen. Diese Erklärung weist Israels Anwalt mit Hinweis auf die Pfändung vom 21. März 1567 zurück, worauf das bereits am 14. Februar gefällte Urteil, das die Witwe zur Zahlung der Schuld nebst Zinsen und Gerichtskosten verpflichtet, eröffnet und rechtskräftig wird.
Am 15. Juli teilt das Reichskammergericht Räten und Befehlhabern zu Hanau mit, daß Israel Klage gegen sie erhoben hat, weil sie ihm nicht zur Exekution des vor dem Frankfurter Stadtgericht erlangten Urteils gegen Rieders Witwe verholfen haben, obwohl sie seinen vor dem Hofgericht Rottweil gegen Elsa anhängig gemachten Prozeß haben abfordern lassen. Ferner klagt Israel, daß man wegen der von ihm erwirkten Ladung hanauischer Untertanen vor das Hofgericht Rottweil eine Geldbuße über ihn verhängt und, da er weder diese noch die der Türkensteuererhebung wegen verlangten 4 % von seinen Außenständen in der Grafschaft zahlen wollte, seine gesamten Forderungen mit Arrest belegt hat. Das Reichskammergericht fordert die hanauischen Räte auf, das Frankfurter Urteil entweder innerhalb einer bestimmten Frist zu vollstrecken oder eine Gegenerklärung abzugeben.
Am 8. September erteilt Israel seinem Anwalt Prozeßvollmacht
Am 10. Oktober unterrichtet das Reichskammergericht Israel und die Stadt Frankfurt davon, daß Heinz Rieders Witwe die förmliche Appellationsklage gegen das von der Stadt Frankfurt gefällte Urteil eingereicht hat. Die Stadt wird aufgefordert, innerhalb einer bestimmten Frist die Prozeßakten nach Speyer zu schicken. Dies verweigert die Stadt am 4. November unter Berufung auf ein kaiserliches Privileg aus dem Jahre 1568, das die Appellation gegen Urteile des Stadtgerichts untersagt, wenn der Streitwert unter 200 fl. liegt.
Am 7. November ersucht Israels Anwalt das Reichskammergericht, den Prozeß gegen die Regierung Hanau zu eröffnen.
Am 14. November fordert Elsa Rieders Anwalt, der auch die hanauischen Befehlhaber vertritt, die Annahme der eingereichten Appellationsklage seiner Mandantin
Am 17. November erteil Israel, der zu einer Verhandlung am Vortag persönlich in Speyer erschienen war, dies aber seiner Geschäfte wegen künftig nicht mehr kann, seinem Anwalt erneut Prozeßvollmacht.
Am 16. März 1571 protestiert Elsa Rieders Anwalt förmlich dagegen, daß sich die Stadt Frankfurt unter Berufung auf ihre Privilegien noch immer weigert, die Akten des Porzesses zwischen der Witwe und "dem wolbekanten gesellen Ißrael" herauszugeben, und vielmehr um eines "aus wucher und schweis der armen christen mechtigen und raichen" Juden und Erzfeindes Christi willen ebenfalls Klage gegen seine Mandantin erhoben hat, die doch nur eine arme Bäuerin und "miserabilis persona" ist. Er erklärt, daß Israel in Speyer, Worms und den umliegenden Orten verschrien und bekannt dafür ist, "daß er (wie auch seine mitbrüder) ein grosser bub und gevließen seye, mit was rencken und mitteln er auch könne, die arme einfaltige bürgere und bawern zu uberschnellen und in seine wucherstrick zu bringen". Er beschuldigt Israel, schon früher betrügerische Geschäfte gemacht und aufgrund von gefälschten Schuldverschreibungen angebliche Forderungen bei Witwen, Waisen und Hinterbliebenen eingetrieben zu haben. Aus diesem Grund wurde auch die seinerzeit vor dem Hofgericht Hanau gegen Rieders Witwe anhängig gemachte Klage wegen der 184 fl. abgewiesen. Eine Nachprüfung hatte gezeigt, daß Heinz Rieder zum Zeitpunkt der angeblichen Verschuldung weder Geld brauchte noch überhaupt in Frankfurt war. Auch hätte er das Geld gewiß nicht zu dem ungünstigen Zinssatz von 38 fl. jährlich ausgeliehen. Die Aussagen der Frankfurter Richter machen deutlich, daß sie die Identität des Mannes, der sich Rieder nannte, nicht überprüft haben. Überdies hat Israel seine Klage vor dem Frankfurter Stadtgericht erst eingereicht, als die Witwe einen angebotenen Vergleich, bei dem Israel auf die Hälfte seiner Forderung verzichten wollte, abgelehnt hat.
Der Anwalt verweist weiter auf Formfehler sowie darauf, daß das von der Stadt Frankfurt angeführte Privileg erst 1568 erteilt, Israels Klage aber schon 1567 angestrengt wurde. Doch selbst bei Berücksichtigung des Privilegs wäre die Appellation zulässig, weil Israel Hauptschuld und Zinsen eingeklagt hat, "wie dann der verfluchten juden gebrauch ist", und der Streitwert damit 200 fl. übersteigt. Er verlangt die Bestrafung der Stadt wegen der Nichtauslieferung der Akten und fordert die Hälfte der Strafe für seine Mandantin.
Dagegen verwahrt sich der Anwalt der Stadt Frankfurt am 20. November. Er erklärt sich bereit, die Akten gegen Erstattung der Schreibgebühren auszufolgen, damit nicht der Eindruck entsteht, als scheue die Stadt eine Überprüfung ihres Urteils oder begünstige die Juden. Vielmehr wird Christen wie Juden, hanauischen Untertanen wie Bürgern in Frankfurt gleichermaßen ihr Recht zuteil und Juden, die betrügerische Forderungen geltend machen, haben mit Strafe zu rechnen.
Weitere Angaben
Archivangaben
Altsignatur
81 D Regierung Hanau 1 Nr. 84, 4
Arcinsys-ID
Archivkontext
Indizes
Personen
- Röder (Rieder), Heinz, verheiratet mit Elsa, Einwohner von Enkheim
- Sulzer, Balthasar, Einwohner von Frankfurt am Main
- Schür, Caspar, Einwohner von Frankfurt am Main
- Dux, Philipp, Richter, Einwohner von Frankfurt am Main
- Israel, zum Engel zu Frankfurt am Main, Sohn des Simon Wolf, Bruder des David und Wenzel zur goldenen Scheuer und des Uriel Wolf, Vater des Hayumb und Mosche zum Paradies, der Michla und Mergym, Schwiegervater des Schlam zum Engel
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Nachnutzung
Rechtehinweise
Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Forderungen des Frankfurter Juden Israel zum Engel an Elsa Rieder zu Enkheim“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4314_forderungen-des-frankfurter-juden-israel-zum-engel-an-elsa-rieder-zu-enkheim> (aufgerufen am 25.11.2025)
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