Bestimmungen in einer von der Stadt Gelnhausen erlassenen Judenordnung

HStAM 330 Gelnhausen Nr. 1  
Laufzeit / Datum
1560 November 28
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest-Typ

Eintrag im 1560 begonnenen Stadtbuch von Gelnhausen

Regest

In einer von der Stadt Gelnhausen erlassenen Judenordnung heißt es:
Alle in der Stadt wohnenden Juden sowie die von ihnen zeitweise Beherbergten und Aufgenommenen sollen an ihrem "eussersten kleidt, rock oder mantel" offen einen runden gelben Ring von der Weite eines Talers tragen, damit man sie daran als Juden erkennen kann.
An Sonn- und Feiertagen sollen sie bei Strafe von 5 fl. ihre Häuser ohne Erlaubnis der Bürgermeister nicht verlassen.
Auf dem Markt sollen die Juden die "essende speis" bei "hocken, beckern und sonst" weder antasten noch berühren, was sie aber angefaßt haben, sollen sie auch kaufen.
Jede Hantierung ist ihnen untersagt, es sei denn, daß ihnen "weins halben von den burgern zunemen etwaz vergunstiget werde". Sie dürfen den Wein jedoch nicht "uf die achsen" verkaufen, sondern müssen ihn zuvor einem Gelnhäuser Bürger oder einem auswärtigen Juden zum Verkauf anbieten.
Das Fleisch, das sie zu Zeiten in ihren Häusern verkaufen, wird pro Pfund einen Pfennig geringer geschätzt als das Fleisch sonst.
Da der Bürgerschaft durch Leihe und Wucher der Juden großer Schaden erwachsen ist, sollen die folgenden Punkte künftig bei Strafe von Bürgern und Juden beachtet werden.

  1. Von Gelnhäuser Bürgern sollen die Juden pro Woche und Gulden bei 50 fl, Strafe nicht mehr als 1/2 Frankfurter Denar nehmen.
  2. Bei 5 fl. Strafe soll kein Bürger ohne Vorwissen und Genehmigung der Bürgermeister Geld bei einem Juden leihen. Ein Jude, der ohne amtliche Genehmigung Geld an einen Bürger verleiht, soll seiner Forderung verlustig gehen und 10 fl. Strafe zahlen.
  3. Die Kerben, auf denen das geliehene Geld und die später berechneten Zinsen bislang gewöhnlich in einer Summe ohne Unterscheidung von Hauptgeld und Zinsen eingeschnitten wurden, sollen abgeschafft und durch Handschriften und Zettel ersetzt werden, auf denen die geliehenen Summen mit Angabe von Jahr, Monat und Tag der Ausleihe einzeln aufgeführt werden.
  4. Bei 10 fl. Strafe soll kein Jude die berechneten Zinsen zum Hauptgeld schlagen und davon wieder Zinsen berechnen.
  5. Bei 10 fl. Strafe und Verlust seiner Forderung soll kein Jude einen Gelnhäuser Bürger zum Bürgen eines Gelnhäuser Schuldners nehmen. Ein Gelnhäuser, der einen Mitbürger zum Bürgen setzt, soll 5 fl. Strafe bezahlen.
  6. Bei Strafe von 10 fl. soll kein Gelnhäuser Bürger einem Juden für einen auswärtigen Schuldner bürgen. Ein Jude, der einen Gelnhäuser zu einer solchen Bürgschaft veranlassen will, soll 20 fl. Strafe zahlen.
  7. Bei Strafe von 10 fl. soll kein Jude ohne Wissen und Zustimmung der Eltern oder Vormünder etwas an Bürgerssöhne oder -töchter ausleihen.
  8. Kein Jude soll einen Bürger gerichtlich belangen, wenn er seine Forderung nicht zuvor bei Bürgermeister und Rat geltend gemacht hat. Was vor den Bürgermeistern nicht beigelegt werden kann, soll vor Schultheiß und Schöffen gebracht werden.
  9. Wenn bürgerlicher oder anderer Sachen wegen offen Gericht gehalten wird, sollen sich die Juden dabei zur Vermeidung von Geld- oder Turmstrafen nicht finden lassen.
  10. Bei Strafe von 10 fl. für den ausleihenden Bürger und 20 fl. für den Juden soll kein Bürger sich mit Summen, die 10 fl. übersteigen, ohne Vorwissen der Bürgermeister mit einem Juden einlassen.
  11. Vormünder sollen bei Strafe von 5 fl. im Namen ihrer Mündel ohne Vorwissen der Bürgermeister kein Geld bei Juden leihen. Den Juden droht in diesem Fall der Verlust ihrer Forderung und eine Strafe von 10 fl.
  12. Das Leihen auf Pfänder wie Kleider, Zinnwerk, Harnisch, Büchsen, Geschütz und Seitenwaffen oder was dafür gilt, ist künftig den Bürgern bei 5 und den Juden bei 10 fl. Strafe untersagt.
  13. Von dem bei den Juden gekauften Fleisch soll weder Gesuch noch Wucher gegeben werden, bei Strafe von 2 fl.

Archivangaben

Altsignatur

330 Gelnhausen Nr. 1 B1.7r-9r.

Arcinsys-ID

Archivkontext

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Bestimmungen in einer von der Stadt Gelnhausen erlassenen Judenordnung“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/3897_bestimmungen-in-einer-von-der-stadt-gelnhausen-erlassenen-judenordnung> (aufgerufen am 25.11.2025)

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