Irrung zwischen dem Juden Sußman zu Windecken und Eckhard Pfungstadt ebenda wegen gestohlener Bockfelle

HStAM 86 Hanauer Nachträge Nr. 25939  
Laufzeit / Datum
1586 September 6/16 - 1587 August 7/17
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 6. September 1586 berichtet der Windecker Jude Sußman dem Oberamtmann zu Hanau, daß er vor einiger Zeit von einem Unbekannten zwei aufbereitete Bockfelle für 16 Batzen und damit so teuer wie auf der Frankfurter Messe erworben hat. Er hat sie an Eckhard Pfungstadt weiterverkauft, dessen Bruder sie als Eigentum seines Vaters, dem die Felle gestohlen wurden, wiedererkannt haben will. Sußman läßt diese Behauptung dahingestellt, fordert aber so, wie dies in Frankfurt, Friedberg und anderswo üblich ist, Bezahlung für die Felle, die er ja nicht als gestohlenes Gut gekauft hat.
Am folgenden Tag berichtet der Windecker Keller, daß ihm Hans Pfungstadt vor etwa vierzehn Tagen angezeigt hat, daß ihm vor einiger Zeit zwei Bockfelle abhanden gekommen sind. Als sein Sohn Eckhard kürzlich bei Sußman "etlich wahr zur kleidung" kaufen wollte, hat dieser ihm zwei Bockfelle angeboten, die Pfungstadts Sohn Hans, als sie ihm gezeigt wurden, sofort als Eigentum des Vaters erkannt hat. Nach der Herkunft der Felle befragt, hat Sußman gesagt, er habe sie in Frankfurt gekauft. Darauf hat Eckhard ihm die Felle zurückgegeben und "ein schuelbandt thun laßen", worauf der Schulklopfer Eckhard angezeigt hat, daß Sußman bereit ist, die Felle für 16 Batzen herauszugeben. Sußman hat dieses Angebot auch selbst wiederholt. Der Keller hat jedoch Pfungstadt von dem Handel abgeraten und versprochen, nach dem Verkäufer der Felle zu forschen.
Pfungstadt verdächtigt die Frau des Juden Saul, die den ganzen Sommer über bei seiner alten, lahmen Frau aus- und eingegangen ist, des Diebstahls.
Als Sußman anderer Angelegenheiten wegen am 29. August mit einigen Juden beim Keller war, hat dieser ihn vernommen. Sußman hat sich geweigert, den Verkäufer anzugeben, jedoch zusammen mit seinem Schwiegervater gebeten, den Fall nicht vor die hanauische Kanzlei zu bringen und erklärt, "es ist unter uns nicht der brauch, daß einer den andern nit verrathen darf". Als der Keller die Bitte ablehnte, sind ihm beide Juden in die Stube gefolgt, haben erneut gebeten, und nach der wiederholten Ablehnung ist Sußman eine halbe Stunde später beim Keller erschienen, hat erklärt, auf die 16 Batzen verzichten und die Felle zurückgeben zu wollen und hat versucht, den Keller mit 6 Albus zu bestechen. Als dieser das Geld zurückwies, wollte Sußman es dem Kind des Kellers ans Paternoster hängen, doch hat der Keller das verhindert und ihm deutlich gemacht, daß er einen Diebstahl auch für 10 Reichstaler nicht verheimlichen kann.
Hans Pfungstadt will Zeugen beibringen, die das Eigentumsrecht seines Vaters an den Fellen bestätigen. Er sagt, daß Sauls Frau gerade um die Zeit aus ihrem Haus fortgeblieben ist, als die Felle vermißt wurden, und daß damals auch andere Dinge aus dem Laden verschwunden sind, so eine kleine Lade mit Nadeln, Knöpfen, Schlingen und Nähzeug, ein Leintuch, Tuch und Arras. Als ruchbar wurde, daß Sußman der Felle wegen das Gefängnis drohte, hat die Frau Windecken verlassen und sich nach Heldenbergen begeben, wohin sie auch ihren Mann, der mit Fenstern nach Ostheim unterwegs war, bestellt hat.
Der Keller glaubt, daß die Juden in dieser Sache unter einer Decke stecken, zumal die Frauen von Saul und Sußman, Joseph und der Goldschmied zu Hanau eng verwandt sind.
Am 4. Juli 1587 berichtet der Windecker Keller nach Hanau, daß er gemeinsam mit dem Schultheißen Sußmann nochmals vernommen und dieser nach anfänglichem Protestieren bekannt hat, daß er die beiden Felle für je 8 Batzen von Sauls Frau in Windecken gekauft hat. Als man die Frau jedoch durch den Stadtknecht vorführen lassen wollte, hatte sie sich ebenso wie ihr Mann bereits davongemacht. Der Keller hat daraufhin Sauls Haus versiegeln lassen, um zumindest das für 1587 fällige Schutzgeld sicherzustellen. Allerdings konnte die Inventarisierung anderer Geschäfte wegen nicht sofort erfolgen, und als man jetzt das Haus durchsucht hat, hat man kaum eines Guldens Wert gefunden. Angeblich halten sich Saul und seine Frau bei einer Christin zu Rückingen auf, bei der sie auch ihren heimlich dorthin geschafften Hausrat untergestellt haben. Der Keller schlägt vor, Saul dort pfänden zu lassen.
Am 7. Juli wendet sich Saul, der an die fünfzig Jahre alt ist und seit seiner Geburt in der Grafschaft lebt, ohne jemals Anlaß zur Klage gegeben zu haben, an Räte und Befehlhaber und berichtet, daß seine Frau in seiner Abwesenheit zwei Bockfelle, die ihr ins Haus gebracht wurden, gekauft und einem anderen Juden weiterverkauft hat. Nach seiner Rückkehr hat Saul auf dem Windecker Markt erfahren, daß ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt, und sich auf Anraten aus dem Staub gemacht, da ihm der Schultheiß zu Windecken feindlich gesonnen ist und mit einem unwahren Bericht erwirkt hatte, daß er 10 fl. Buße zahlen oder vier Wochen in den Turm sollte. Die Feindschaft rührt daher, daß der Schultheiß zur Bezahlung einer Schuld von 34 fl. von Saul 45 fl. verlangt und auch bekommen, aber nur 34 fl. verbucht hat, wie der Windecker Keller bezeugen wird.
Bei der Flucht mußte Saul ein Mädchen zurücklassen, das nicht ganz bei Sinnen ist. Das hat man wie einen Hund ohne Hemd und Schuh vor das Haus gejagt und ihm die armseligen Kleider gepfändet.
Saul hat dem Keller durch seinen Sohn und den Schulklopfer ausrichten lassen, daß er bereit ist, alles zu bezahlen, was er schuldig ist. Er hofft, daß ihm die Herrschaft Hanau Recht widerfahren und ihm sein mit Arrest belegtes Haus öffnen läßt.
Am 7. August inventarisieren Stadtschreiber und Bereiter zu Windecken auf Befehl des Kellers Sauls Haus.
In der Stube sind: "ein zulegendt disch", drei nicht angenagelte Bänke, ein "rippeisen", ein Sitzbettlein, darauf ein mit Häcksel gefülltes Kissen und ein kleines Kopfkissen, eine Laute mit Futteral (fuder), ein alter Schemel, ein kleiner Fußschemel, zwei geringe flächserne Handtücher hinter der Tür, eine Kehrbürste, zehn alte Bücher, sechs hölzerne Büchsen, in einer ist Bleifarbe, in einer anderen Rotmennige, ein Glas mit Essig, vierzehn große und kleine Gläser, eine hölzerne Achtmaßflasche, ein kleines Holzbüchschen mit dem Petschaft des Juden, eine kleine blecherne Ölflasche.
Im Haus finden sich: ein halber "achtellicht" Backtrog, zwei Hängeleuchter, eine kleine Stoßsäge, sechs Fensterrahmen, fünf Fach "gemacht glaß", ein alter Kuhzuber, eine Haspel, ein Küchenbrett, ein Tellerschrank, ein Brotschrank, neun hölzerne Schüsseln, gute und schlechte, zwei irdene Schüsseln, vier hölzerne Fleischteller, zwanzig kleine Teller, zwei kleine hölzerne Schüsseln, eine kleine irdene Schüssel, vier gute und schlechte Pfannen, ungefähr zwanzig große und kleine Töpfe, ein kleiner alter Kessel, ein einserner Dreifuß, eine Ofengabel, eine eiserne Hölle, ein kleines "brändtlein", achtzehn hölzerne Löffel, ein gebretterter Stuhl, zwei große Töpfe, eine alte Kiste in der Küche, zwei hölzerne Salzfäßlein, ein Handbeil, neun gemachte Fensterrahmen, zwei kleine Hobel, ein kleiner Zuber, ein Sechter, in dem etliches Werkzeug zum Fenstermachen ist, eine alte Schmelzpfanne, ein alter Schmelzlöffel, zweiundzwanzig "schaube" glas, ein alter Leuchter, ein "mandt" 1#Henkelloser Korb. zwei Mehlfäßlein, ein Hackbrett, eine alte Axt, ein Schrank, in dem zwei Töpfe, drei Teller, eine irdene Schüssel und ein Korb sind.
In der einen Kammer befinden sich ein alter Pfühl und Kissen.
In der oberen Stube sind eine Bettlade und eine Bank davor.
In der anderen Kammer finden sich: zwei schlechte Kissen, ein Leilach, ein Unterbett mit blauen "streichen", eine kleine Lade, darin sind ein Leibchen aus Damast, eines aus Burschett und ein alter Frauenrock, eine Truhe mit einer Nachthaube darin, ein Brotschrank, zwei Stückchen gedörrtes Rindfleisch, ein alter Korb, ein alter Mantel aus Arras.
Auf der dritten Bühne sind ein Tisch und zwei Bettladen.
Auf der oberen Bühne sind eine große hölzerne "gelldten", ein Melkkübel, drei irdene Schüsseln, eine irdene Breipfanne, ein irdener "stanckhköpfel", drei kleine Trinkgläser, sechs irdene "sturtzen", fünf hölzerne Teller, zwei lange hölzerne Löffel, acht kleine hölzerne Löffel, ein "mandt"1#Henkelloser Korb., zehn große und kleine Töpfe, eine Leiter.

Weitere Angaben

vgl. auch HStAM, 86 Hanauer Nachträge Nr. 26773 Bl. 25-30, 37-41

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Irrung zwischen dem Juden Sußman zu Windecken und Eckhard Pfungstadt ebenda wegen gestohlener Bockfelle“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/5644_irrung-zwischen-dem-juden-sussman-zu-windecken-und-eckhard-pfungstadt-ebenda-wegen-gestohlener-bockfelle> (aufgerufen am 26.11.2025)

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