Forderungen des Frankfurter Juden Schlam zum weißen Schild an Paul Diel zu Hochstadt

HStAM Protokolle Nr. II Hanau A 2b Bd. 1  
Laufzeit / Datum
1579 Mai 5 - 1582 Januar 16
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 5. Mai 1579 lädt das Hofgericht Rottweil Paul Diel zu Hochstadt aufgrund einer Klage des Frankfurter Juden Schlam zum weißen Schild zum 28. Juli, weist die Klage aber am 18. August an das Hofgericht Hanau zurück. Dieses lädt Schlam am 5. Oktober zum 27. des Monats, doch berichtet der Gerichtsbote am 9. Oktober, daß Schlam bei Zustellung der Ladung gesagt hat, es sei ihm verboten nach Hanau zu gehen.
Da Schlam zum angesetzten Termin nicht erscheint, wird er erneut zum 17. November geladen, bleibt der Verhandlung aber wiederum fern, worauf Diel freigesprochen und Schlam zur Zahlung der Kosten verurteilt wird.
Inzwischen aber ist am 3. November bereits eine neuerliche Ladung des Hofgerichts Rottweil an Diel zum 19. Januar 1580 ergangen.
Am 17. Mai 1580 lädt das Hofgericht Diel zum dritten Mal, weil Schlam erklärt, daß ihm nach der Remission seiner vorherigen Klage an das Hofgericht Hanau von demselben das Geleit nicht fristgerecht zugestellt und somit das Recht verweigert worden ist. Diel soll am 26. Juli in Rottweil erscheinen.
Gegen diese Ladung protestieren die hanauischen Räte am 15. Juli und erklären, daß sie "zum offtern mahl in vilen sachen erfaren [haben], das sich die juden der warheit wenig befleissen und also under anderm auch in dem irem patron, welcher, wie die heilige schrifft von ime zeuget, ein vatter aller lugen ist, volgen und nachschlagen". Sie erklären, daß Schlam zweimal geladen und Diel aufgrund seines Nichterscheinens freigesprochen wurde.
Dazu entgegnet Schlams Anwalt am 11. November, daß Diel nach der Remission der ersten Klage versprochen hatte, sich gütlich mit Schlam zu vergleichen, woraufhin dieser es unterlassen hat, in Hanau zu klagen. Als dort aber das Verfahren ohne sein Wissen fortgeführt und Diel freigesprochen wurde, hat sich Schlam erneut an das Hofgericht gewandt, das seine Klage am 19. Januar wiederum nach Hanau zurückverwiesen hat. Bei Überbringung der zweiten Ladung hat Diel dem Hofgerichtsboten versichert, daß er gerne zahlen würde, wenn es ihm nicht von Räten und Befehlhabern verboten worden wäre. Nach der zweiten Remission hat Schlam von Hanau weder Geleit noch Ladung erhalten.
Am 7. Februar 1581 teilen die hanauischen Räte dem Hofgericht mit, daß der "listige" und "verdambt" Schlam bereits den ersten Ladungen nach Hanau hätte folgen können, wenn er sich seiner Forderungen an Diel so sicher wäre. Seine Behauptung, der Prozeß sei ohne sein Wissen geführt worden, ist eine beleidigende Unterstellung, derentwegen sich Räte und Befehlhaber eine Klage vorbehalten.
Was Schlams zweite Klage angeht, so ist der Remissionsbescheid der Kanzlei Hanau noch nicht zugegangen, die das auch nicht moniert hat, weil Urteile und Nachrichten aus Rottweil in letzter Zeit häufig lange haben auf sich warten lassen. So ist zum Beispiel auf eine 1578 abgegebene Erklärung der Räte zur Klage des Frankfurter Juden Haim zum Paradies gegen Niclas Diel zu Hochstadt noch keine Antwort des Hofgerichts eingegangen.
Da Schlam jedoch von der Remission offenbar Kenntnis hatte, hätte er seine Forderungen in Hanau einklagen können und müssen.
Was die von Schlam angeführte Aussage des Hofgerichtsboten über Diels Zahlungswilligkeit angeht, so kann sie nicht stimmen, da der Bote Diel gar nicht angetroffen hat.
Nach mehrfacher Verlängerung der Einspruchsfrist übergibt Schlams Anwalt dem Hofgericht am 15. Juni eine Erklärung, wonach Schlam nicht die Absicht hat, sich auf einen Prozeß vor dem Hanauer Hofgericht einzulassen, da sich die hanauischen Räte "an allen judenschulden mit interessirt zue sein außdrucklich vernemen lassen". Schlam besteht darauf, daß die Aussage des Gerichtsboten über Diels Zahlungswilligkeit richtig war, und behauptet, daß Diel nach der zweiten Remission die Stadt Frankfurt um Geleit gebeten hat, weil er Schlam heimlich und ohne Wissen seiner Herrschaft bezahlen wollte. Das ist nur deswegen unterblieben, weil die von Diel gewünschten Zeugen verhindert waren. Schlam bezweifelt, daß die erfolgte zweite Remission in Hanau unbekannt war, verweist darauf, daß auch das erste Verfahren ohne sein Zutun betrieben worden ist und man daher nicht verlangen kann, daß er selbst hätte klagen müssen, und erklärt unter Berufung auf das erste Urteil des Hanauer Hofgerichts die Räte für befangen, da sie "in irer selbst sachen richter seindt".
Am 24. August verwahren sich die Räte gegen diese Behauptung und erklären, daß sie an den Judenschulden nur insoweit interessiert sind, als es zu verhindern gilt, daß hanauische Untertanen vor auswärtige Gerichte gezogen werden. Jede weitergehende Unterstellung ist "anders nichts als dan ein judische cavillatio". Überhaupt hat Schlam nach Meinung der Räte "judischer art nach die warheit gespart", und es ist eine Lüge, daß die hanauischen Richter "wie der gottlose, verflucht und unwahrhafftig jud vorgibt, in causa propria urtheilen", da sie doch nur die Interessen und Privilegien ihrer Herrschaft vertreten.
Die Räte berichten, daß Diel bestritten hat, wegen eines Vergleichs mit Schlam in Frankfurt um Geleit nachgesucht zu haben. Vielmehr hat er einen ihm von Schlam zugesandten Geleitsbrief zurückgeschickt. Diel lehnt es ab, Schlam die 8 fl., die er ihm schuldet, zu bezahlen, solange Schlam nicht herausgibt, was er als Vormund der Kinder seines Schwagers Abraham [zum Paradies] von der Kanzlei an Geld zuviel erhalten hat.
Dazu erklärt Schlams Anwalt am 11. November, daß sein Mandant vor der hanauischen Kanzlei in aller Form mit Diel abgerechnet hat und dieser dabei Hayumb [zum Paradies], der Anspruch auf die Hälfte der Forderung hat, 18 fl. 19 Schilling schuldig geblieben ist, die am 21. April 1574 ins Frankfurter Konfeßbuch eingetragen wurden. Weitere 17 fl. ist er Schlam schuldig geblieben. Nach einer teilweisen Rückzahlung am 2. November 1576 haben Schlam und Hayumb jeder noch 15 fl. zu fordern.
In einer neuerlichen Gegenerklärung weisen die hanauischen Räte nochmals darauf hin, daß es ihnen allein um die Wahrung der hanauischen Rechte und Privilegien geht, keineswegs aber, wie Schlam "in seinem dollen kopf" und "nach seinen ertraumbdten thalmudischen gedancken" behauptet, um ein privates Interesse an den Judenschulden. Alle Forderungen an Diel sind schon deshalb nichtig, weil sie nicht im Schuldbuch der Kanzlei Hanau, sondern im Frankfurter Konfeßbuch eingetragen wurden.
Am 16. Januar 1582 nimmt das Hofgericht Rottweil die vorgelegte Conclusion ex officio an.

Weitere Angaben

1579 Oktober 27, November 17; vgl. auch HStAM, 86 Hanauer Nachträge Nr. 28613

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

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„Forderungen des Frankfurter Juden Schlam zum weißen Schild an Paul Diel zu Hochstadt“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/5124_forderungen-des-frankfurter-juden-schlam-zum-weissen-schild-an-paul-diel-zu-hochstadt> (aufgerufen am 25.11.2025)

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