Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus

 

Ereignis

Was geschah

Bei der Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus werden die Nationalliberalen mit 126 Mandaten (1867: 106) erstmals stärkste Kraft und verdrängen damit die Konservativen, die acht Sitze verlieren und nun 114 der insgesamt 432 Abgeordneten stellen. Die freikonservative Deutsche Reichspartei verliert zwar deutlich, wird aber mit 63 Mandaten (1867: 91) drittstärkste Kraft.1 In der Provinz Hessen-Nassau verlieren die Nationalliberalen einen Wahlkreis und stellen nun zwölf von 26 Abgeordneten – wovon elf aus dem Regierungsbezirk Kassel stammen und nur Dr. Georg Thilenius aus Soden im Taunus einen Wahlkreis im Regierungsbezirk Wiesbaden erringen kann. Zweitstärkste Kraft bleibt die Deutschen Fortschrittspartei, die wiederum alle ihre sechs errungenen Mandate im Regierungsbezirk Wiesbaden gewinnt. Die Konservativen können einen Wahlkreis mehr als 1867 für sich entscheiden (vier statt drei), auch die Zentrumspartei gewinnt einen Wahlkreis dazu (nun drei statt zwei), die freikonservative Deutsche Reichspartei verliert dagegen ein Mandat und entsendet aus der Provinz Hessen-Nassau nunmehr nur noch Hermann Arndts, der das Mandat im Rheingaukreis und Meisenheim erringt.2 In den Wahlkreisen der heute auf dem Gebiet des Landes Hessen liegenden Teile der Provinz Westfalen (Wahlkreis Arnsberg 1) und der Rheinprovinz (Wahlkreis Wetzlar) erringen zwei Freikonservative die Mandate.3

Gewählte Abgeordnete

Bei der Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus wird in jedem Wahlkreis nach absolutem Mehrheitswahlrecht (Persönlichkeitswahl) ein Abgeordneter gewählt.

Provinz Hessen-Nassau – Regierungsbezirk Kassel

Baehr, Dr. jur. Otto (1817–1895; Nationalliberale Partei); Oberappellationsgerichtsrat; Berlin; Wahlkreis Kassel 3: Kassel-Stadt
Braun, J. August (1820–1879; Nationalliberale Partei); Fabrikant; Hersfeld; Wahlkreis Kassel 6: Rotenburg – Hersfeld
Bromm, Justus Heinrich (1827–1905; Nationalliberale Partei); Landwirt; Rauschenberg/Kreis Kirchhain; Wahlkreis Kassel 9: Kirchhain – Frankenberg
Dietzel, Dr. rer. pol. Karl (1829–1884; Nationalliberale Partei); Professor der Staatswissenschaften; Marburg; Wahlkreis Kassel 4: Kassel-Land – Witzenhausen
Gleim, N.N.; Kreisgerichtdirektor; Rinteln; Nationalliberale Partei; Wahlkreis Kassel 1: Rinteln4
Gumpert, Karl Heinrich (geb. 1826; Nationalliberale Partei); Apotheker; Eschwege; Wahlkreis Kassel 5: Eschwege – Schmalkalden
Hellwig, Conrad (1824–1889; Nationalliberale Partei); Landwirt, Bürgermeister; Haddamar/Kreis Fritzlar; Wahlkreis Kassel 7: Melsungen – Fritzlar
Herrlein, Franz Josef (1818–1890); Zentrumspartei; Gutsbesitzer; Margarethenhaun/Kreis Fulda; Wahlkreis Kassel 12: Fulda
Mayer, Wilhelm (geb. 1821; Konservative); Landrat; Marburg; Wahlkreis Kassel 10: Marburg5
Oetker, Dr. jur. Friedrich (1809–1881; Nationalliberale Partei); Rechtsanwalt; Kassel; Wahlkreis Kassel 13: Schlüchtern – Gelnhausen6
Rübsam, Joseph (1822–1886; Zentrumspartei); Amtsrichter; Fulda; Wahlkreis Kassel 11: Hünfeld – Gersfeld
Vogeley, Karl (1825–1899; Nationalliberale Partei); Generalsekretär des landwirtschaftlichen Zentralvereins; Kassel; Wahlkreis Kassel 2: Hofgeismar – Wolfhagen7
Wehrenpfennig, Wilhelm (1829–1900); Nationalliberale Partei; Mitherausgeber der „Preußischen Jahrbücher“; Berlin; Wahlkreis Kassel 8: Homberg – Ziegenhain
Ziegler, Heinrich Friedrich (1826–1882; Nationalliberale Partei); Fabrikant; Hanau; Wahlkreis Kassel 14: Hanau

Provinz Hessen-Nassau – Regierungsbezirk Wiesbaden

Arndts, Hermann (1831–1888; Freikonservative/Deutsche Reichspartei); Regierungsrat; Wiesbaden; Wahlkreis Wiesbaden 6: Rheingaukreis – Meisenheim
Born, Ludwig (1813–1875; Deutsche Fortschrittspartei); Gutsbesitzer; Langenscheid/Unterlahnkreis; Wahlkreis Wiesbaden 7: Unterlahnkreis
Hahn, Oscar (1831–1898; Konservative Partei); Landrat; Weilburg/Oberlahnkreis; Wahlkreis Wiesbaden 8: Oberlahnkreis
Hehner, Karl (1809–1880); Deutsche Fortschrittspartei; Oberappellationsgerichtsrat; Wiesbaden; Wahlkreis 2: Wiesbaden-Stadt8
Klotz, Jakob (1823–1909; Deutsche Fortschrittspartei); Fabrikant; Oberursel/Obertaunuskreis; Wahlkreis Wiesbaden 4: Obertaunuskreis
Kugler, Dr. jur. Friedrich (1810–1881; Deutsche Fortschrittspartei); Appellationsgerichtsrat; Frankfurt am Main; Wahlkreis Wiesbaden 1: Frankfurt/Main-Stadt9
Lieber, Dr. jur. utr. Ernst (1838–1902; Zentrumspartei); Privatier; Camberg/Kreis Limburg; Wahlkreis Wiesbaden 9: Unterwesterwaldkreis
Mohr, Karl Anton (1820–1885; Deutsche Fortschrittspartei); Gutsbesitzer; Niederneisen/Unterlahnkreis; Wahlkreis Wiesbaden 5: Untertaunuskreis
Strauß und Torney, Dr. jur. Hugo von (1837–1919; Konservative Partei); Polizeidirektor; Wiesbaden; Wahlkreis Wiesbaden 11: Biedenkopf10
Thilenius, Dr. med. Georg (1830–1885; Nationalliberale Partei); Arzt; Soden/Kreis Höchst; Wahlkreis Wiesbaden 3: Wiesbaden-Land
Vogtherr, Albrecht (1811–1887; Deutsche Fortschrittspartei); Direktor der „Providentia“; Frankfurt am Main; Wahlkreis Wiesbaden 1: Frankfurt/Main-Stadt11
Winter, Wilhelm (1803–1895; Konservative Partei); Regierungspräsident a.D., Gutsbesitzer; Elmshausen/Kreis Biedenkopf; Wahlkreis Wiesbaden 10: Oberwesterwaldkreis

Provinz Westfalen – Regierungsbezirk Arnsberg

Achenbach, Heinrich (1829–1899; Freikonservative/Deutsche Reichspartei); Vortragender Rat; Berlin; Wahlkreis Arnsberg 1: Wittgenstein – Siegen12

Rheinprovinz – Regierungsbezirk Koblenz

Steltzer, Gustav (1823–1893; Freikonservative/Deutsche Reichspartei); Kreisgerichtsdirektor; Wetzlar; Wahlkreis Koblenz 1: Wetzlar
(LV)

Bezugsrahmen

Nachweise

Fußnoten

  1. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 55.
  2. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 79.
  3. Die politische Zusammensetzung ändert sich im Laufe der Legislaturperiode zuungunsten der Konservativen. Bei den durchgeführten Ersatzwahlen verlieren die Konservativen zwei Wahlkreise: im Regierungsbezirk Kassel an die Nationalliberale Partei, im Regierungsbezirk Wiesbaden an die Deutsche Reichspartei.
  4. Gleim, zu dem keine weiteren Informationen vorliegen, schied aufgrund der Bestimmungen in Artikel 78 Absatz 3 der Preußischen Verfassung („Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt Eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch eine Wahl wiedererlangen.“) im Mai 1871 aus dem Abgeordnetenhaus aus. In der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 25. Juli 1871 setzte sich der Kasseler Rechtsanwalt Karl Oetker (Nationalliberale Partei) durch. Derselbe lehnte das Mandat jedoch ab, weshalb es am 13. Oktober 1871 zu einer erneuten Ersatzwahl kam, in der sich Ludwig Kempf durchsetzte. Kempfs Mandat wurde allerdings für ungültig erklärt, er setzte sich am 10. Januar 1872 bei der dritten Ersatzwahl in diesem Wahlkreis in der Legislaturperiode erneut durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 639.
  5. Mayers Mandat wurde am 30. Januar 1871 für ungültig erklärt. In der daraufhin nötig gewordenen Ersatzwahl am 21. April 1871 setzte sich der Marburger Theologieprofessor Dr. theol. Wilhelm Julius Mangold (1825–1890; Nationalliberale Partei) durch. Mangold schied aufgrund der Bestimmungen in Artikel 78 Absatz 3 der Preußischen Verfassung („Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt Eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch eine Wahl wiedererlangen.“) allerdings bereits am 6. September 1872 wieder aus dem Abgeordnetenhaus aus. In der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 30. Oktober 1872 setzte sich der ursprüngliche Mandatsgewinner Mangold wieder durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 660.
  6. Oetkers Mandat wurde am 16. Februar 1871 für ungültig erklärt. In der daraufhin nötig gewordenen Ersatzwahl am 10. Mai 1871 setzte er sich im zweiten Wahlgang mit 116 gegen 115 gegen Carl Theodor Giller (1805–1879) durch, der für die Konservativen antrat. Am 14. Februar 1873 wurde Oetkers Mandat erneut für ungültig erklärt, eine Ersatzwahl fand bis zum Ende der Legislaturperiode aber nicht mehr statt. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 668.
  7. Den Wahlkreis Kassel 2: Hofgeismar – Wolfhagen hatte Friedrich Oetker gewonnen, der das Mandat aber ablehnte und dafür das im Wahlkreis Kassel 13 errungene Mandat annahm. In der daraufhin nötig gewordenen Ersatzwahl am 8. Dezember 1870 wurde Vogeley zum Landtagsabgeordneten bestimmt. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 641.
  8. Hehner schied am 20. Juli 1872 aus dem Abgeordnetenhaus aus. In der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 26. September 1872 wurde der Oberlandesgerichtsrat Wilhelm Petri (1826–1897; Deutsche Fortschrittspartei) aus Wiesbaden einstimmig gewählt. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 677.
  9. Wie schon in der Legislaturperiode zuvor schied Kugler wieder vorzeitig – am 16. November 1872 – aus dem Abgeordnetenhaus aus. Bei der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 13. Februar 1873 setzte sich Stadtgerichtsrat Dr. jur. Gustav Schrader (1829–1903; Deutsche Fortschrittspartei) deutlich gegen den Demokraten Dr. Marti durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 673.
  10. Von Strauß und Torney schied aufgrund der Bestimmungen in Artikel 78 Absatz 3 der Preußischen Verfassung („Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt Eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch eine Wahl wiedererlangen.“) nach seiner Ernennung zum kommissarischen Polizeipräsidenten in Wiesbaden aus dem Abgeordnetenhaus aus. Bei der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 21. Dezember 1871 setzte sich der Forstmeister Friedrich von Zangen (1812–1876; Freikonservative/Deutsche Reichspartei) aus Battenberg/Kreis Biedenkopf durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 701.
  11. Vogtherr schied am 9. Januar 1872 aus dem Abgeordnetenhaus aus. Bei der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 29. Februar 1872 setzte sich der Fabrikbesitzer Heinrich Flinsch (1839–1921; Deutsche Fortschrittspartei) gegen den Frankfurter Stadtverordnetenvorsteher Dr. Adolf Prior (1826–1896) durch, der ebenfalls für die Deutsche Fortschrittspartei angetreten war. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 673.
  12. Achenbach schied aufgrund der Bestimmungen in Artikel 78 Absatz 3 der Preußischen Verfassung („Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt Eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch eine Wahl wiedererlangen.“) am 23. März 1872 aus dem Abgeordnetenhaus aus. In der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 5. Juni 1872 setzte Achenbach sich deutlich gegen den Rentner Schulz aus Falkenburg bei Köln und den Gemeinderat Kreuz aus Siegen durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 614 f.

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„Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus, 9. November 1870“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/7507_wahl-zum-preussischen-abgeordnetenhaus> (aufgerufen am 25.11.2025)

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