Klage des Frankfurter Juden Ißrahel zum Engel gegen das Gericht Seckbach auf Einweisung in Henn Körbers Nachlaß
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Am 8. Juni 1573 läßt das Hofgericht Rottweil in Frankfurt eine Zeugenvernehmung durchführen, die klären soll, warum das Gericht Seckbach dem Frankfurter Juden Ißrahel zum Engel die Einweisung in die ihm vom Hofgericht zugesprochenen nachgelassenen Güter des Henn Körber verweigert. Auf Verlangen von Zentgraf und Schöffen zu Seckbach sollen dabei die Zeugen auch befragt werden, ob sie von Ißrahel abhängig sind oder er ihnen schaden kann, ob sie wissen, daß Ißrahel im ganzen Land als Betrüger verschrien ist und sich in Frankfurt nur mit 100 fl. von einer drohenden Züchtigung mit Ruten loskaufen konnte, und ob sie tatsächlich glauben, daß Ißrahel Forderungen von mehreren tausend Gulden unter den hanauischen Bauern hat, oder ob ihnen nicht vielmehr bekannt ist, daß er sich Schuldverschreibungen erschleicht, indem er mit bestochenen Bauern vor den Frankfurter Richtern erscheint und sie in fremdem Namen Obligationen unterschreiben läßt.
Dazu sagt der Frankfurter Gerichtsbote, daß er in keiner anderen Beziehung zu Ißrahel steht, als daß er gelegentlich Ladungen an seine Schuldner austrägt. Daher weiß er, daß Ißrahel häufig mit hanauischen Bauern zu tun hat. Als er vor zwei Jahren dem Zentgrafen zu Seckbach ein versiegeltes Schreiben [wegen Körbers Nachlaß] überbringen sollte, hat dieser ihm gesagt, daß die Regierung Hanau ihm verboten hat, Ißrahel in Körbers Besitz einzuweisen.
Als ein anderer Zeuge dem Zentgrafen vor zwei Jahren einen Brief bringen sollte, hat dieser die Annahme verweigert und gesagt, "der jud und all, die mit ime zu thun habent und gemainsame haltent, seyent schelmen und lecker".
Ein Frankfurter Stadtbote macht hin und wieder Gänge für Ißrahel, der ihm allerdings "nit gern sein lon darvon" gibt. Als er 1571 in Seckbach war, um Ißrahels Einweisung in Körbers Güter zu verlangen, hat man ihm das "row abgeschlagen". Vor anderthalb Jahren hat er in Ißrahels Auftrag die gleiche Forderung wiederholt und ist beschieden worden, Ißrahel auszurichten, er sollte in Hanau klagen.
Am 2. März 1574 weist der Anwalt des Gerichts Seckbach unter Berufung auf die in Frankfurt gemachten Zeugenaussagen alle Forderungen Ißrahels zurück, erklärt, daß dem beklagten Gericht das Urteil des Hofgerichts Rottweil nie in der vorgeschriebenen Form mitgeteilt und bekanntgemacht wurde, und stellt die Rechtmäßigkeit von Ißrahels Forderungen in Frage, da sie nicht schon zu Körbers Lebzeiten geltend gemacht worden sind. Er hält es für ein "maisterstuckh under andern noch villen bösen stucken" und behauptet, daß Ißrahel sich falsche Schuldscheine von alten oder kranken wohlhabenden Bauern verschafft, um sie nach deren Tod den Erben zu präsentieren. Er macht sich anheischig, das zu beweisen.
Gegen diese Beleidigungen seines verstorbenen Vaters verwahrt sich Hayumb zum Paradies am 18. Januar 1575 und fordert vom Hofgericht Rottweil die Vollstreckung des seinerzeit zugunsten seines Vaters gefällten Urteils. Der Anwalt des Gerichts Seckbach ersucht um Abweisung der Klage und bestreitet, daß die von seinem Mandanten bislang abgegebenen Erklärungen auf einen besonderen Haß oder Unwillen gegenüber der klagenden Partei schließen lassen.
Am 7. Juli 1579 verurteilt das Hofgericht Rottweil Schultheiß, Zentgraf und Schöffen dazu, Hayumb bis zum 18. August in Körbers Nachlaß einzuweisen.
Ein von Hayumb am 4. August bevollmächtigter Anwalt, der in Seckbach die Vollziehung des Urteils fordern sollte, bekundet am 12. August, daß man dort seine Vollmacht nicht anerkannt hat, weil Hayumb in derselben zweimal seinen "vatter seliger" erwähnt hat, ein Jude aber nicht selig werden kann. Das Argument des Anwalts, Hayumb rede "in seiner person und seinem glauben" und es ”lebete und sturbe ein jeder ihme selber”, ist ebenso zurückgewiesen worden wie sein Angebot, die strittigen Wörter zu kanzellieren. Schultheiß und Schöffen, die außerdem auch die Form des ihnen nur abschriftlich zugestellten Urteils zu beanstanden hatten, haben verlangt, der Anwalt sollte in acht Tagen mit einer neuen Vollmacht wiederkommen. Darauf hat der Anwalt dem Gericht bei Nichtvollstreckung des Urteils in der gesetzten Frist mit der Achtung gedroht.
Als das Hofgericht Rottweil am 19. Januar 1580 tatsächlich die Acht über das Gericht Seckbach verhängt, wendet sich dieses am 25. Februar mit einer Appellationsklage an das Reichskammergericht, das am 5. Juli beim Hofgericht Rottweil die Akten anfordert und eine vorläufige Einstellung des dort schwebenden Verfahrens verlangt.
Hayumb, dem am 12. Juli die am 5. Juli an ihn ergangene Ladung nach Speyer zugestellt wird, beauftragt am 20. des Monats einen Anwalt mit seiner Prozeßvertretung.
Am 20. August erklärt der Anwalt des Gerichts Seckbach in Speyer, daß diesem die Vollstreckung des Rottweiler Urteils aufgrund der bloßen Urteilsabschrift, die vorgelegt wurde, nicht hätte zugemutet werden können, daß aber auch bei Vorlage des Originals Hayumbs durchaus strittige Forderungen an Körbers Witwe noch einer genauen Prüfung bedurft hätten.
Am 31. März 1581 teilt die Gemeinde Seckbach der Regierung Hanau mit, daß Körbers Witwe am 25. des Monats gestorben ist, und bittet, ihr zur Deckung der Prozeßkosten einstweilen deren nachgelassene Güter zu übertragen.
Am 18. April ersucht Hayumbs Anwalt in Speyer um Abweisung der Appellationsklage und Rückverweisung des Verfahrens an das Hofgericht Rottweil.
Am 23. März 1582 wiederholt der Anwalt des Gerichts Seckbach, daß Hayumb und sein Vater "allenthalben beschreiet, daß es etwan bey etlich schuldt und ander brief halben nit uffrichtiglich sey zugangen", und fordert die Aufhebung der Achtung.
Weitere Angaben
Archivangaben
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Archivkontext
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Personen
- Hayum (Hayumb), zum Paradies zu Frankfurt am Main, Sohn des Israel zum Engel, Bruder von Mosche, Michla und Mergym, Schwager des Schlam
- Israel (Ißrahel), zum Engel zu Frankfurt am Main, Sohn des Simon Wolf, Bruder des David und Wenzel zur goldenen Scheuer und des Uriel Wolf, Vater des Hayumb und Mosche zum Paradies, der Michla und Mergym, Schwiegervater des Schlam zum Engel
- Körber, Henn, Einwohner von Seckbach
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Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
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„Klage des Frankfurter Juden Ißrahel zum Engel gegen das Gericht Seckbach auf Einweisung in Henn Körbers Nachlaß“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4659_klage-des-frankfurter-juden-issrahel-zum-engel-gegen-das-gericht-seckbach-auf-einweisung-in-henn-koerbers-nachlass> (aufgerufen am 26.11.2025)
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