Verhaftung des Juden Mosche von Schondra zu Rieneck

HStAM 86 Hanauer Nachträge Nr. 28567  
Laufzeit / Datum
1569 Juni 7 - 1578 November 12
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 7. Juni 1569 gestatten Räte und Befehlhaber zu Hanau dem Juden Mosche von Schondra (Schunter), sich im oberen Teil von Rieneck niederzulassen, und weisen den dortigen Amtmann an, Mosche bei der Beschaffung einer Wohnung behilflich zu sein und ihn gegen etwaige Widerstände der mainzischen Mitherrschaft zu schützen.
Als der mainzische Keller zu Rieneck Mosche aus der Stadt weisein will, wendet sich der hanauische Amtmann am 20. Juli an den mainzischen Oberamtmann zu Lohr, protestiert gegen die Anordnung des Kellers und verweist darauf, daß Mosche, der versprochen hat, niemandem schädlich zu sein und weder Wucher noch Krämerei zu treiben, die Niederlassungserlaubnis von der Herrschaft Hanau erst erhalten hat, nachdem zuvor der Oberamtmann einen Juden im Niederteil von Rieneck aufgenommen hatte. Darauf entgegnet der Oberamtmann noch am gleichen Tage, daß Hanau nicht berechtigt ist, Christen und noch viel weniger Juden ohne mainzische Einwilligung in Rieneck aufzunehmen, und besteht auf Mosches Ausweisung.
In einem am 23. Juli gefertigten Rechtsgutachten stellen die hanauischen Räte fest, daß die Aufnahme des mainzischen Juden im Niederteil der Stadt ohne hanauische Zustimmung und daher ebenfalls unrechtmäßig erfolgt ist. Will der Oberamtmann Mosche nicht dulden, sind sie mit seiner Ausweisung einverstanden, "weil mit den gotlosen juden umbzughen one das wenig glück oder heil ist", sofern auch der mainzische Jude Rieneck verläßt. Weigert sich der Oberamtmann, auf diese Vorschläge einzugehen, sollen von dem Juden im Niederteil von Rieneck 20 oder 30 fl. Buße gefordert werden.
Am 8. August teilt der hanauische Amtmann Räten und Befehlhabern mit, daß er Mosche geraten hat, einer Ladung vor den Oberamtmann nach Lohr nicht zu folgen, woraufhin Mosche aber am 5. August in seiner, des Amtmanns, Abwesenheit von mainzischen Dienern verhaftet und ins Gefängnis gesteckt worden ist. Man hat von seiner Frau eine Buße von 40 fl. und den unverzüglichen Abzug von Rieneck gefordert und gedroht, ihr alles wegzunehmen, so daß der Amtmann ihr gestattet hat, ihre Habe in einem herrschaftlichen Haus unterzubringen.
Etliche Juden von Lohr haben Mosches Frau versprochen, die Freilassung ihres Mannes zu erwirken, wenn sie 10 fl. beischafft, doch hat sie erklärt, daß sie weder 1 noch 10 fl. aufbringen kann. Der Oberamtmann hat ferner auch dem hanauischen Leibeigenen, der Mosche bei sich aufgenommen hatte, mit Strafe gedroht.
Am 10. August lassen die hanauischen Räte Mosches Frau durch den Amtmann, den sie scharf tadeln, daß er sich in dieser Angelegenheit auf einen Schriftwechsel mit dem Oberamtmann eingelassen und die Sache nicht mündlich geregelt hat, untersagen, eine Zahlung an die mainzischen Beamten zu leisten. Am 13. August beauftragen sie einen Anwalt, beim Reichskammergericht Mosches Freilassung zu erwirken. Sie verweisen dabei darauf, daß vor der Aufnahme des mainzischen Juden in Rieneck dort niemals Juden gelebt haben.
Am 26. August berichtet Mosches Frau Keela nach Hanau, daß sie aufgefordert worden ist, ihren Mann bis zum 29. des Monats mit 10 fl. auszulösen, andernfalls droht ihnen beiden eine Strafe von 50 fl.. Sie bittet, ihr einen Ort zu nennen, an dem sie sich, wenn sie Rieneck verlassen müssen, niederlassen können, und überschickt Botschaften an Gumprecht in Kesselstadt.
Am 27. August lassen die Räte Keela auffordern, sich noch drei bis vier Tage zu gedulden, da Hoffnung besteht, daß ihr Mann dann unentgeltlich freigelassen wird, doch soll sie diese Nachricht noch für sich behalten.
Am 9. September klagt Keela, daß ihr Mann noch immer bei Wasser und Brot in zunehmend verschärfter Haft sitzt und sie seit drei Wochen nicht mehr zu ihm darf, um ihm Essen oder Trinken zu bringen. Für jede Nacht, die er im Gefängnis verbringt, soll sie 1 Schreckenberger zahlen, obwohl die Gefangenen sonst doch pro Nacht nur 1 Zwölfer geben müssen. Darauf lassen die Räte ihr noch am gleichen Tage durch den Amtmann mitteilen, daß es ihr freisteht, ihren Mann auszulösen, wenn sie die Entscheidung des Reichskammergerichts nicht abwarten will.
So kauft sie, ehe das am 10. September ergangene Kammergerichtsurteil, das Mosches unentgeltliche Freilassung verlangt, in Rieneck eintrifft, ihren Mann am 15. September für 10 fl. frei und zahlt dem Wächter 2 1/2 fl. Wachtgeld.
Am 13. Oktober wendet sich Mosche an die Hanauer Kanzlei und berichtet, daß es ihm nicht möglich gewesen ist, in Windecken, wo er sich niederlassen sollte, eine Wohnung zu finden. Er bittet, ihn in Bruchköbel oder einem anderen Ort des Amtes Bücherthal aufzunehmen. Sollte es ihm nicht gelingen, in der Grafschaft Hanau eine Wohnung zu finden, so ersucht er darum, Gumprecht in Kesselstadt zu veranlassen, ihm die 45 Taler zurückzuzahlen, die er ihm für die Vermittlung seiner Aufnahme in der Grafschaft gezahlt hat.
Trotz einer am 2. November von Räten und Befehlhabern zu Hanau an den Amtmann zu Rieneck ergangenen Weisung, Mosche zur Rückzahlung des dem mainzischen Oberamtmann für seine Freilassung gezahlten Geldes zu verhelfen, klagt Mosche am 22. November, daß der Oberamtmann unerachtet des Kammergerichtsurteils die Rückzahlung verweigert.
Ausgelöst durch die Irrungen um Mosches Aufnahme in Rieneck und seine Verhaftung entwickelt sich zwischen Hanau und Mainz ein Streit über die beiderseitigen Mitherrschaftsrechte in der Stadt der das Reichskammergericht bis zum 12. November 1578 beschäftigt.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

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„Verhaftung des Juden Mosche von Schondra zu Rieneck“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4415_verhaftung-des-juden-mosche-von-schondra-zu-rieneck> (aufgerufen am 25.11.2025)

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