Beschwerde der Windecker Bürger über die Konkurrenz der Juden auf dem Wochenmarkt

HStAM 86 Nr.  
Laufzeit / Datum
1536 Oktober 20 - November 16
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Beschwerde der Windecker Bürger über die Konkurrenz der Juden auf dem Wochenmarkt
Krämer und Bürger zu Windecken beklagen sich am 20. Oktober beim Oberamtmann zu Hanau, daß "die juden hie on alle pillicheit den wochemarckt mit irem kauffen und verkauffen verschmelren und zunichtigen". Obwohl dies weder in Reichs- noch anderen Städten erlaubt ist und früher auch in Windecken untersagt war, halten die Juden ihren Kram öffentlich unter den Christen feil. Statt wie anderwärts üblich in ihrer "beschlossene gassen" in den Häusern zu bleiben, gehen sie den Marktleuten entgegen, um einen vorteilhaften Vorkauf zu erlangen, oder erscheinen heimlich vor den Ständen der Christen und werben ihnen die Kunden ab, indem sie die Waren ein oder zwei Pfennig billiger oder auf Borg anbieten. Kann später der Käufer seine Schulden nicht bezahlen, bedrängen sie ihn mit Zinsen und Wucher. Da die Krämer im Gegensatz zu den Juden von der Stadt besteuert werden, können sie die Nahrungsmittel nicht billiger anbieten und den Markt künftig nicht mehr beliefern, wenn den Juden der Handel nicht untersagt wird. Ärgerlich ist auch, daß man die Windecker überall als "judenkremer" beschimpft, weil man den Juden "den furstand vor andern, fremden kremern zulest". Die Windecker bitten, den Juden ihren Handel nur noch in ihrer Gasse zu gestatten.
Nach einem hinhaltenden Bescheid des Oberamtmanns, wonach die Juden zunächst "by irer kremerey pleiben" sollen, wird ihnen der Markthandel offenbar untersagt, denn sie klagen am 16. November, daß ihnen der Windecker Amtmann befohlen hat, ihre "geringschetzige kramerey", die sie und ihre Vorfahren seit unvordenklichen Zeiten zu Windecken getrieben haben, einzustellen. Sie erklären eine solche Behinderung für "nyhe mehr gehoret" und berufen sich darauf, daß etliche unter ihnen "gutte verschribung" besitzen und vorweisen können. Übrigens ist den Juden auf dem Windecker Markt "ein sonderer ort unthen an den kramern" angewiesen, den sie bei Bedarf stets freiwillig fremden Krämern einräumen. Sie mindern den Markt nicht, sondern beleben ihn, da sie Waren anbieten, die die christlichen Krämer nicht haben und die sie zwei oder drei Meilen entfernt holen. Unabhängig vom Marktrecht in Reichs- und anderen Städten haben die Windecker Juden seit alten Zeiten und gestützt auf eine Verordnung des verstorbenen Grafen von Hanau das Recht, ihre Waren auf dem Markt anzubieten. Alle Versuche der Windecker Krämer, die sie früher und "sonderlich zur bewerschen uffruer" gemacht haben, sind gescheitert. Die Juden bestreiten, daß sie den Marktleuten entgegengehen, um den Vorkauf zu suchen, und berufen sich auf das Zeugnis der Marktmeister. Ebenso bestreiten sie die Abwerbung von Kunden und deren Beschwerung durch Wucher, da ihnen doch "kein weiter gesuch zu nemen gestattet wirt", sie hätten denn zuvor ein Unterpfand. Was die Steuern angeht, so halten die Juden keine Nahrungsmittel feil, können mithin deshalb auch nicht besteuert werden. Daß man die Windecker Judenkrämer schilt, wird wohl ohne "unser verursachen gescheen, wir kune derhalb kein antwort geben, wir versten auch solche wort nit, sie musten sie uns deutlicher darthon". Die Juden bitten, sie bei der hergebrachten Ordnung zu lassen.

Archivangaben

Altsignatur

86 Hanauer Nachträge Nr. 2535 Bl. 3-6.

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Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

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„Beschwerde der Windecker Bürger über die Konkurrenz der Juden auf dem Wochenmarkt“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/3486_beschwerde-der-windecker-buerger-ueber-die-konkurrenz-der-juden-auf-dem-wochenmarkt> (aufgerufen am 26.11.2025)

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