Ereignis

Was geschah

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hängt die soziale Fürsorge vom Stand der Familie und von ihrem Vermögen ab. Die napoleonischen Kriege, die großen Epidemien in Europa führen zur verstärkten Gründung von Krankenpflegeeinrichtungen, publizistisch auch gefördert durch das Buch von Clemens von Brentano (1778–1842) über die Barmherzigen Schwestern. Angeregt von der Erweckungsbewegung in der evangelischen Kirche werden soziale Projekte initiiert, kümmern sich gläubige Christen um Arme, Kranke und Benachteiligte. In der Zeit des Pauperismus wachsen die Randgruppen der Gesellschaft immens an, die soziale Versorgung wird zu einem drängenden Problem in Städten und auf dem Lande. In den katholischen Gebieten entstehen zahlreiche neue Orden und Frauenkongregationen, die sich um die Kranken und Randgruppen der Gesellschaft kümmern, orientiert daran entwickelt sich in den protestantischen Gebieten die Diakonie als Organisation im Krankenpflege- und Sozialbereich. Auf dem Gebiet des heutigen Landes Hessen werden besonders die Diakonissen aus Kaiserswerth, Darmstadt, Kassel und Nonnenweier bedeutsam. In der Kaiserswerther Diakonissenanstalt von Theodor Fliedner (1800–1864) werden Frauen für ihre Arbeit in sog. Kleinkinderschulen, als Krankenpflegerinnen und Lehrerinnen ausgebildet. Ledige Frauen sollen am Reich Gottes auf Erden mitarbeiten, gut ausgebildet in medizinischen Fragen tätig werden. Die Schwestern sollen sich der Kindererziehung und der Krankenpflege widmen. In Ausbildungszentren werden sie durch ausgebildete Lehrerinnen geschult und können qualifiziert in Schulen und Kindergärten bzw. sog. Abendschulen unterrichten. 1853 leben 128 Diakonissen, darunter 22 Lehrschwestern und Probeschwestern im Konvent. Zur Einrichtung Kaiserswerth gehören ein Krankenhaus, ein Waisenhaus, eine Kleinkinderschule, eine Elementarschule und Handwerksbetriebe. Von Kaiserswerth aus wird die Entstehung weiterer Mutterhäuser gefördert; in diesen werden Ausbildung und Vorbereitung für den Beruf und das religiöse Leben als Diakonisse vermittelt, orientiert am Vorbild der Katholischen Frauenorden. Zwischen 1855 und 1864 werden zahlreiche neue Diakonissen-Mutterhäuser gegründet, 1864 bestehen bereits dreißig Mutterhäuser mit insgesamt 1592 Schwestern. Viele Mädchenwaisenhäuser werden auch zur Rekrutierung des eigenen Nachwuchses aufgebaut. Die Vorteile eines Lebens als Diakonisse im 19. Jahrhundert sehen viele Frauen in der sozialen Sicherheit, einer eigenen Verdienstmöglichkeit und dem hohen Prestige des Berufes. Der Zugang ist für Frauen aus allen Schichten frei. Der Diakonissenberuf bietet die Möglichkeit zur ökonomischen Existenzsicherung außerhalb der Familien. Die Diakoniegeschichte muss damit auf dem Hintergrund der allgemeinen Frauengeschichte betrachtet werden. Das institutionalisierte Engagement von Frauen in der Lösung der Sozialen Frage im Alltag verändert im 19.Jahrhundert die Gesellschaft. Der Aufbau von Bildungsangeboten für Kinder, Mädchen und Frauen ist eng mit dem Einsatz von Frauenorden und Diakonissenverbändern verknüpft und gibt entscheidende Impuls für den Bildungsbereich. Zentren der Diakonie mit großen Mutterhäusern in Hessen entwickeln sich in Kassel, Arolsen, Marburg, Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt.
(RKr)

Bezugsrahmen

Kalender

M
T
W
T
F
S
S
26
27
28
29
30
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
1
2
3
4
5
6

Nachnutzung

Rechtehinweise

Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Gründung der Diakonissenanstalt in Kaiserswerth bei Düsseldorf, Oktober 1836“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/6277_gruendung-der-diakonissenanstalt-in-kaiserswerth-bei-duesseldorf> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/edbx/6277