Irrung zwischen der Regierung Hanau und den Frankfurter Juden Abraham und Haiumb zum Paradies

HStAM 255 Reichskammergericht Nr. H 37  
Laufzeit / Datum
1573 März 10 - 1583 November 29
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 10. März 1573 erklärt das Hofgericht Rottweil die den Frankfurter Juden Abraham und Haiumb zum Paradies aufgrund ihrer am 26. April 1569 erhobenen Klage erteilte Anleitung auf den nachgelassenen Besitz ihres Schuldners Rosen Hans zu Mittelbuchen für rechtskräftig, da die Anleitung laut Aussage des Gerichtsboten seinerzeit ordnungsgemäß verkündet und öffentlich angeschlagen worden ist. Die Erklärung des hanauischen Anwalts, daß die Güter des landflüchtigen Rosen von der Regierung Hanau konfisziert worden sind und daher eine Anleitung auf sie nicht mehr erteilt werden kann, weist das Gericht zurück, weil entsprechende Ansprüche nicht fristgerecht geltend gemacht wurden.
Daraufhin kündigt der Anwalt am 11. März eine Appellationsklage in Speyer an, und nachdem diese förmlich eingereicht wurde, werden Abraham und Haiumb am 30. September zum 19. November vor das Reichskammergericht geladen. Am 23. Oktober bekundet der Kammergerichtsbote, daß er die Ladungen ordnungsgemäß übergeben hat, wobei die Ladung für Abraham, da dieser abwesend war, seiner Frau Mergym ausgehändigt wurde.
Am 28. Dezember beauftragen Haiumb und Schlam zum Engel einen Anwalt damit, sie als Vormünder von Abrahams Kindern in Speyer zu vertreten. Als das Reichskammergericht eine förmliche Bestätigung der Vormundschaft verlangt, erklärt der Frankfurter Rabbiner Calman an der Pforte am 6. Dezember 1574 unter Eid vor einem Frankfurter Notar, daß die Frankfurter Judenschaft vor etwa einem Jahr Haiumb und seinen Schwager Schlam zu Vormündern für Abrahams Kinder bestellt hat. Der gleichfalls vereidigte Natan zum Buchsbaum erklärt, daß er die hebräische Bestal- 1ungsurkunde selbst gesehen hat.
Am 20. Januar 1580 macht der hanauische Anwalt in Speyer geltend, daß die den Juden erteilte Anleitung des Hofgerichts nichtig war, weil Abraham und Haiumb bereits vor Einreichung ihrer Klage wissen mußten, daß Rosens Güter konfisziert waren und versäumt worden ist, sie unter Eid nach dem Besitzer der Güter zu befragen, ehe die Anleitung erteilt wurde. Selbst wenn der so erlangte Anspruch später formgerecht öffentlich bekannt gemacht worden wäre, was bestritten wird, wäre er mithin nichtig. Darüber hinaus sind alle etwa vorhandenen Schuldverschreibungen von Rosen ohnehin wertlos, weil sie dem Augsburger Reichstagsabschied von 1551 zuwider nicht vor Rosens Obrigkeit, der Regierung Hanau, sondern vor einer fremden Obrigkeit ausgefertigt wurden. Abschließend beruft sich der Anwalt auf das hanauische privilegium fori, das auch durch die Ordnung des Hofgerichts Rottweil nicht aufgehoben wird, so daß die verlangte Remission des Verfahrens zu Unrecht abgelehnt wurde.
Auf diese Argumentation antwortet der Anwalt der Juden am 20. September mit der Bitte um Remission des Verfahrens an das Hofgericht Rottweil, weil eine Rückverweisung nach Hanau seinen Mandanten keine Aussicht eröffnet, zu ihrem Recht zu kommen. Er besteht darauf, daß die erteilte Anleitung rechtswirksam war und ist.
Ohne wesentliche Änderungen der von den Parteien vertretenen Positionen erstreckt sich der Rechtsstreit laut Prozeßprotokoll noch bis zum 29. November 1583.

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Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

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„Irrung zwischen der Regierung Hanau und den Frankfurter Juden Abraham und Haiumb zum Paradies“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4645_irrung-zwischen-der-regierung-hanau-und-den-frankfurter-juden-abraham-und-haiumb-zum-paradies> (aufgerufen am 25.11.2025)

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