Forderungen des Juden Gotschalck zu St. Goar an Dr. Heymann zu Köln

HStAM 257 Nr. G 158  
Laufzeit / Datum
1540 April 2 - 1555 Dezember 20
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Forderungen des Juden Gotschalck zu St. Goar an Dr. Heymann zu Köln
Das Gericht zu St. Goar prüft die am 2. April vor dem Stadtgericht zu Oberwesel gemachten Aussagen der beiden Zeugen des gegen Dr. Peter Heymann klagenden Juden Gotschalck von St. Goar. Lamprecht Propst von Oberwesel, der bestätigen sollte, daß Gotschalck Dr. Heymann 1 Fuder Wein 6 Viertel, das Fuder zu 26 1/2 Ort gerechnet, geliefert hat, hat bekannt, daß der Jude Heymann den Wein in seinem Haus verkauft hat. Peter Crafft von Oberwesel hat bezeugt, daß Gotschalck die bei ihm gelagerten 9 "fudrich faß" Wein, "die mögen ubermaß gehalten han ungeferlich 1 1/2 ome", Dr. Heymann verkauft und dafür etliche Tücher erhalten hat, die Crafft ihm mit einem Nachen nach St. Goar gebracht hat. Etwas mehr als 20 fl. ist Dr. Heymann dem Juden schuldig geblieben, doch konnte Crafft den genauen Betrag nicht nennen. Vor dem Gericht zu Werlau haben Hans Becker und Holthenn Corde ausgesagt, daß Dr. Heymann, an den sie Forderungen hatten, versprochen hatte, ihre Schulden bei Gotschalck zu übernehmen und zu bezahlen. Ein Auszug aus dem Gerichtsbuch von St. Goarshausen belegt, daß Antheis Gluckner zu Oberwesel seine Weingärten dem Juden für eine Schuld von 40 fl. versetzt hatte und dieser sie an Dr. Heymann weiterverkaufte.
Da der Anwalt des Beklagten in den vorgelegten Zeugnissen keinen hinreichenden Beweis für die von Gotschalck behauptete Schuld seines Mandanten von 82 fl. 2 Albus sieht, verlangt das Gericht, daß Dr. Heymann bis zum 30. Juni beeidet, daß er den Juden bezahlt hat. Nach mehrfacher Fristverlängerung wird trotz Gotschalcks Einspruch dem Anwalt gestattet, den Eid an Stelle seines Mandanten zu leisten. Gotschalck verweigert die Anerkennung des angebotenen Eides und verlangt, daß der Anwalt sieben von ihm vorgelegte Artikel beschwören soll. Dieser appelliert darauf an den Oberamtmann der Niedergrafschaft Katzenelnbogen, der entscheidet, daß die Artikel zunächst Dr. Heymann vorzulegen sind. Der weist die in den Artikeln erhobene Anklage zurück und erklärt, daß er im Herbst einen Monat lang in St. Goar und zur Eidesleistung bereit war, der Jude sich aber erst nach seiner Abreise nach Köln wieder gemeldet hat. Gotschalck hält dagegen, daß Heymanns Anwalt die selbst angestrengte Appellation beim Oberamtmann nicht weiter betrieben hat und dessen Vorladungen nicht nachgekommen ist. Zum Beweis aufgefordert, beruft sich Gotschalck auf eine an ihn und den Anwalt ergangene Vorladung zum 15. Dezember, nach deren Prüfung das Gericht jedoch seine Klage abweist, worauf Gotschalck an den Oberamtmann appelliert.
Am 29. Juni 1541 entscheidet das Untergericht St. Goar, daß der Jude mit Heymanns Anwalt, der den angebotenen und zugelassenen Eid noch nicht abgelegt hat, erneut abrechnen soll. Was der Anwalt dabei als Schuld seines Mandanten anerkennt, soll bezahlt und für den Rest die Nichtigkeit der Forderung beeidet werden. Da die Parteien sich aber über die Abrechnung nicht einigen können und Gotschalck den Eid des Anwalts nicht anerkennen will, appelliert er gegen das ergangene Urteil.
Nach Prüfung der ihm übersandten Prozeßakten rügt der hessische Statthalter an der Lahn am 23. Juli den Oberamtmann zu St. Goar, weil die Beweislast im Verfahren dem Juden und nicht wie rechtens Dr. Heymann auferlegt und überdies Heymanns Anwalt die Eidesleistung für seinen Mandanten, der offenbar "nit wol schweren kann", erlaubt wurde. Da auch die Appellation des Anwalts unzulässig und nichtig war, wird das Verfahren an das Untergericht in St. Goar zurückgewiesen.
Am 4. August überschickt der Oberamtmann dem Statthalter die Prozeßakten erneut mit der Bitte, das Verfahren auf Wunsch beider Parteien an sich zu ziehen. Nachdem der Prozeß offenbar noch einmal zurückverwiesen wurde und Gotschalck sich weigerte, das Urteil des Untergerichts anzuerkennen, werden dem Marburger Hofgericht die Akten am 16. Oktober abermals zugeschickt.
Am 15. Juni 1544 teilt der Oberamtmann [zu St. Goar] dem Statthalter an der Lahn mit, daß seine Bemühungen um einen Vergleich zwischen Gotschalck und den Kindern des verstorbenen Dr. Heymann vergeblich waren und der Jude auf seiner Appellationsklage vor dem Hofgericht besteht. Er bittet um eine Beschleunigung des Verfahrens, damit das vielfältige Ansuchen der Parteien ein Ende hat.
Am 20. Dezember 1555 bittet der Oberamtmann nach Vollstreckung des zu Marburg gefällten Urteils den Statthalter an der Lahn um Auskunft, ob sich der Passus über die Erstattung der Gerichtskosten nur auf die in Marburg entstandenen Kosten bezieht oder auch, wie der Jude behauptet, die beim Untergericht St. Goar erwachsenen Kosten von weit über 40 fl. mitbegreift.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

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„Forderungen des Juden Gotschalck zu St. Goar an Dr. Heymann zu Köln“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/3668_forderungen-des-juden-gotschalck-zu-st-goar-an-dr-heymann-zu-koeln> (aufgerufen am 25.11.2025)

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