Beschlüsse über die Aufnahme von Juden in der Grafschaft Hanau und das Tragen der Judenzeichen

HStAM 81 Hanauer Regierung Nr. A/50/7  
Laufzeit / Datum
1580 April 10 – 1581 Februar 21
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest-Typ

Kanzleiniederschrift

Regest

Auf einem zu Hanau gehaltenen Tag der hanauischen Vormünder wird beschlossen, dass künftig kein fremder Jude mehr Schutz, Schirm, Aufnahme oder Wohnung in der Grafschaft Hanau erhalten soll. Die Anzahl der in der Grafschaft lebenden Juden soll allmählich verringert werden, so dass die Juden mit der Zeit aus der Grafschaft zwar nicht ganz, aber doch zum überwiegenden Teil abgeschafft werden. Damit ausländische Juden sich nicht heimlich einschleichen und die bereits in der Grafschaft lebenden bey irem Handtwerckszeichen vor andern erkandt werden können, sollen sie ihre gelben Ringzeichen offen auf dem Rock tragen. Werden sie ohne den Ring angetroffen, sollen sie, so oft dies geschieht, mit 1 fl. gebüßt und der, der sie deswegen anzeigt, mit 1 Schreckenberger belohnt werden.
Wie bereits bei der vorangegangenen Vormundschaftsregierung ist auch diesmal für nötig befunden worden, die Höhe der Judenschulden festzustellen. Deshalb sind in allen Orten die Untertanen vorzuladen und anzuhalten, ihre Judenschulden offenzulegen. Mit Hilfe der darüber anzufertigenden Verzeichnisse, sollen die Juden in Frankfurt und andernorts angeschrieben und aufgefordert werden, ihrerseits ihre Schuldner und Forderungen zu benennen. Danach sind beiden Seiten Termine zu benennen, zu denen sie miteinander vor der Obrigkeit abrechnen und sich vergleichen können. Den Frankfurter Juden soll verboten werden, an hanauische Untertanen zu leihen oder wucherische Kontrakte mit ihnen zu schließen. Auch den hanauischen Untertanen soll es bei Leibesstrafe und dem Verlust von Hab und Gut verboten sein, bei Juden zu leihen. Sieht sich jemand dennoch dazu gezwungen, soll er es bei seinem Amtmann anzeigen, der ihn, wenn die Gründe überzeugend sind, zusamt dem Juden an die Kanzlei verweisen soll, wo dann die Schuld im Judenbuch eingetragen werden wird. Der erlaubte Zinssatz beträgt 1 Binger Heller pro Woche und Gulden. Die Schuld ist binnen eines Jahres zu bezahlen oder der Eintrag im Judenbuch zu erneuern.
Kein Jude soll ohne Geleit durch die Grafschaft Hanau ziehen. Die in der Grafschaft Hanau lebenden Juden haben alle drei Jahre ihren Schutz zu erneuern.
Von Frankfurter Juden vor dem Hofgericht Rottweil verklagte und von diesem geächtete hanauische Untertanen werden des Landes verwiesen. Die Schultheißen haben dafür zu sorgen, dass kein Untertan die Güter der Geächteten von den Juden kauft oder pachtet, ob man damit die Juden blött macht, desto ein leidlichers von den Untertanen zu nehmen. Vor der Ausweisung soll aber an den Rat der Stadt Frankfurt geschrieben und gebeten werden, die Juden zu veranlassen, gegen die Zusicherung eines ratenweisen Schuldabtrags für die Aufhebung der Ächtung zu sorgen, da sie von den ausgewiesenen Schuldnern nichts zu erwarten haben.
Die von den Mitherren in Münzenberg erlassene Judenordnung; die den Vormündern zugesandt wurde, schmälert die hanauischen Rechte an den Juden als Reichslehen und soll daher unbeantwortet bleiben. Bestehen aber die Grafen von Solms und Herren von Königstein auf einer Antwort, sollen sie an die Vormünder verwiesen und von den hanauischen Räten ihre fehlende Handlungsvollmacht vorgeschützt werden. Zu gelegener Zeit sollen die Münzenberg Juden vor die Kanzlei Hanau geladen und angewiesen werden, sich an den Sonntagen und auch sonst entsprechend der Windecker Judenordnung zu verhalten.
Aufgrund der Beschwerden der Stadt Hanau über den Abbruch, den die Juden den Christen an den Markttagen durch den Aufkauf von Essensspeisen tun, wird beschlossen, dass der Marktknecht zu Marktbeginn eine Fahne aufstecken soll. In der darauffolgenden Stunde ist es den Juden bei Strafe untersagt, etwas zu kaufen.
An den Sonn- und hohen Festtagen sollen sich die Juden in ihren Häusern halten und weder umherlaufen noch irgendwelche Hantierungen betreiben. Auch ist es ihnen an diesen Tagen untersagt, ihre Toten zu begraben.
Die Windecker Juden dürfen künftig ohne Vorwissen der Beamten weder fremde Juden aufnehmen noch ihre Häuser tauschen. Auch sollen sie ohne Vorwissen des Kellers keinen Wein einlagern. Tuen sie es mit seinem Wissen, sollen sie, gleich ob sie ihn zu Hause trinken oder sonst ausschenken, vom Fuder 6 fl. Ungelt bezahlen. Ebensoviel sollen die Juden zu Assenheim, Münzenberg, Kesselstadt, Hochstadt, Rumpenheim, Ostheim, Marköbel und an anderen Orten bezahlen. Ferner ist den Juden untersagt wie andere Bürger bei offenen Wochen- oder Jahrmärkten ihre Waren anzubieten, doch ist es niemand verboten, den Juden etwas in ihren Häusern abzukaufen oder sie zu sich ins Haus zu bestellen.

Weitere Angaben

Nachweise

Edition

Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Marburg / Nachträge von Uta Löwenstein (ungedruckt), Nr. NL 222.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Beschlüsse über die Aufnahme von Juden in der Grafschaft Hanau und das Tragen der Judenzeichen“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/14267_beschluesse-ueber-die-aufnahme-von-juden-in-der-grafschaft-hanau-und-das-tragen-der-judenzeichen> (aufgerufen am 28.11.2025)

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