
Außenansicht des Chors der Stiftskirche
Basisdaten
Das ehemalige Kanonissenstift in der hessischen Kleinstadt Wetter wird im 11. Jahrhundert, vermutlich durch zwei schottische Prinzessinnen, Almudis und Digmudis, gegründet. Der regionale Adel schickt seine Töchter in das Stift, das einen großen Grundbesitz erwirbt. Im 13. Jahrhundert wird auf dem Klosterberg eine frühgotische Hallenkirche errichtet. In der Reformation wird das Stift 1527 aufgelöst, aber als Institution der Althessischen Ritterschaft zur Versorgung adliger Töchter bis ins 19. Jahrhundert fortgeführt. Die großen Glasfenster der Stiftskirche gestaltet Hans Gottfried von Stockhausen in der 2.Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Alte Diözesanzugehörigkeit
Kirchenprovinz Mainz, Erzbistum Mainz, Archidiakonat St.Stephan Mainz, Dekanat Kesterburg
Typ
Frauenstift
Territorium
- 1211/ 1216: Landgrafen von Thüringen
- 1238: Erwerbung der Grafschaftsrechte durch Erzbistum Mainz
- 1263: Doppelherrschaft durch die Landgrafen von Hessen und das Erzbistum Mainz (vgl. Stadtentwicklung Wetter)
Historische Namensformen
- iuxta 'Wetteram abbaciam (1108) [Vidimus UB Mainz 1, S. 342-344, Nr. 436]
- aput Wettreh in monasterio sanctimonialium (1110) [1160-1180 Annales Rodenses in: MGH Scriptores 5, Scriptores in Folio 16, hrsg. von G. Pertz, S. 706]
- monasterium secularium canonicarum sancte Marie in Wettere (1357) [Klosterarchive 4: Die oberhessischen Klöster 2, S. 282-284, Nr. 607]
Lagebezug
12,5 km nordwestlich von Marburg
Lage
Das Stift liegt auf einem breiten Mittelterrassenvorsprung am Westufer des Flusses Wetschaft am Rande des Burgwaldes.
Geschichte
Zu Beginn des 11. Jahrhunderts wird das Kanonissenstift zur heiligen Maria von zwei aus königlichem Geschlecht stammenden Frauen, der Tradition nach Almud und Digmud, als Reichsstift gegründet. Es liegt auf einem steil nach Norden abfallenden Hang, in der Nähe einer Furt über die Wetschaft, durch die die alte Weinstraße (Fernverbindung in der Karolingerzeit zwischen dem Frankfurter Raum nach Westfalen) führt. Neben einer Kirche liegen Klausur- und Wirtschaftsgebäude verstreut auf dem Klosterberg. Ausgehend vom Kloster entwickelt sich die Stadt Wetter im 13. Jahrhundert. Bis Ende des 14. Jahrhunderts beherrscht die Äbtissin die Stadt durch einen Schultheißen. Das Stift gehört seit 1120 zum Erzbistum Mainz; seit den Langsdorfer Verträgen (1263) teilen sich die Landgrafen von Hessen und die Erzbischöfe von Mainz Vogtei und Herrschaft formal bis 1583. 1380 verpflichtet sich die Äbtissin zur Anerkennung der Landesherrschaft des Landgrafen Hermann zu Hessen. Ohne dessen Zustimmung kann sie keinerlei Rechtsgeschäfte mehr durchführen, ein landgräflicher Amtmann überwacht die Wirtschaftsgeschäfte und Rechnungsführung. Mitte des 13. Jahrhunderts wird eine neue gotische Kirche auf dem Gelände der romanischen errichtet, die sich in der Anlage und Ausgestaltung an der Elisabethkirche in Marburg orientiert. Zahlreiche Klostergebäude entstehen neu und das Kloster wird durch eine Umfassungsmauer gesichert. Seine größte räumliche Ausdehnung hat das Kanonissenstift im 15. Jahrhundert. Das Kloster ist ein großer Grundherr in der Stadt Wetter. Schon um 1220 werden sieben Höfe als Besitz des Klosters erwähnt, die gegen Zins und Abgaben verliehen werden, dazu kommen Mühlen, je ein Hof der Äbtissin und Priorin und ein Hof mit einem Backhaus. Das Stift unterhält eine Schule mit hohem Ansehen. So gehört der Arzt und Humanist, Euricius Cordus, ein Anhänger Luthers, zu den Absolventen. In der Reformation wird das Stift 1528 aufgelöst, ein Inventarverzeichnis angelegt und die Stiftsdamen werden entschädigt. Das Stift wird als Institution der Hessischen Ritterschaft zur Versorgung der adligen Töchter (s. Evangelisches Stift Wetter) fortgeführt, der Besitz wird durch einen landgräflichen Vogt gemeinsam mit dem des ehemaligen Klosters Kaufungen verwaltet. Die Einkünfte der Kirche gehen an die Universität Marburg und an die Hohen Hospitäler des Landes, die Pfarrkirche geht an die Stadt Wetter über. 1810 werden durch einen Vertrag zwischen dem Königreich Westphalen und dem Großherzogtum Hessen alle Güter der Hessischen Ritterschaft König Jerome zur freien Verfügung überlassen.
Ersterwähnung
1108
Gründungsjahr
vor 1107
Gründer
Almud und Digmud aus königlichem Geschlecht
Aufhebungsjahr
1527-1532
Organisation
Im Konvent, der von einer Äbtissin geleitet wird, leben um die zehn Stiftsdamen, die aus dem regionalen Adel kommen. Seit 1357 entscheiden die Äbtissin und der Konvent gemeinsam über die Neuaufnahme von Frauen in die Gemeinschaft. Die älteste Stiftsdame des Konventes besitzt ein Vorschlagsrecht. Eine Pröpstin nimmt Vertretungsaufgaben für die Äbtissin wahr und hat die Aufsicht über die Finanz- und Vermögensverwaltung. Weitere wichtige Ämter, die nur von adligen Frauen ausgeübt werden, sind Küsterin, Almoserin und Scholasterin. Vier Geistliche, Stiftsherren, die über ihre eigenen Pfründe verfügen, feiern die Messen im Kloster. Einer von ihnen übernimmt die Pfarrseelsorge in der Stadt, da die Kirche gleichzeitig Pfarrkirche ist und dem Patronat des Stifts untersteht. Der Konvent wählt den Pfarrer, den der Erzbischof von Mainz bestätigt. Diese vier Geistlichen leben im sogenannten Vierherrenhof in der Altstadt.
Patrozinien
Maria
Archivgeschichte
Besitz
Das Stift besitzt in einer Vielzahl an Orten Einkünfte, Lehen, Grund und Boden. Schon um 1200 wird ein Mannlehenverzeichnis angelegt, 1527 auf Anweisung des hessischen Landgrafen Philipp eine Inventarliste. Besitz nach dem Mannlehenverzeichnis von ca. 1200 - 1220 liegt in folgenden Orten: Alartshausen, Albshausen, Allendorf (Eder), Amönau, Beltershausen, Bockendorf, Caldern, Dagebergen, Damm, Dippelshausen, Dudechenberg, Elbringhausen, Elmshausen, Fronhausen, Gernshausen, Gershausen, Goßfelden, Heimarshausen, Herbelhausen, Hüsten, Iterchusen, Kehna, Kerstenhausen, Lampertshausen, Lohra, Michelbach, Niederwetter, Nonnenhausen, Oberrosphe, Oberwalgern, Rindshausen, Rodenhausen, Roßdorf, Rückersfeld, Sarnau, Schweinfe, Sehlen, Simtshausen, Sterzhausen, Unterrosphe, Uttershausen, Weipoltshausen, Wetter, Willershausen, Wohra Die Inventarliste von 1527 nennt folgende Orte: Allendorf (Eder), Amönau, Bellnhausen, Berghofen, Bortshausen, Bürgeln, Caldern, Elbringhausen, Friedensdorf, Fronhausen, Göttingen, Laisa, Mellnau, Oberasphe, Oberrosphe, Oberwetter, Rodenhausen, Schönstadt, Sichertshausen, Simtshausen, Sterzhausen, Treisbach, Viermünden, Weipoltshausen, Wetter, Wohra Außerdem verfügt das Stift Wetter über Fernbesitz in Lich, mit dessen Vogtei 1283 Guntram von Ulfa aus der Familie von Bellersheim belehnt war.
Ausstattung
Gebäude
Zur Ausstattung mit mittelalterlichen Glasfenstern vgl. Wetter, Stiftskirche St. Maria
Nachweise
Arcinsys Hessen
Quellen
- Klosterarchive 4: Die oberhessischen Klöster 2, S. XXII - XXIX
Gedruckte Quellen
- Klosterarchive 4: Die oberhessischen Klöster 2, S. 257-475
- Der Stand von 1940 bei Dersch, Klosterbuch, S.153 f
Literatur
- Wetter in Hessen 2015
- Wenz-Haubfleisch, Kanonissenstift Wetter
- Grüneisen, Klostervogteipolitik der Erzbischöfe von Mainz, S. 190-191
- Der Stand von 1940 bei Dersch, Klosterbuch, S. 153
Germania Sacra-ID
GND-Nummer
GND-Nummer Bauwerk
Siehe auch
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Nachnutzung
Rechtehinweise
Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Wetter, Kanonissenstift“, in: Klöster und Orden <https://lagis.hessen.de/de/orte/kloester-und-orden/alle-eintraege/10652_wetter-kanonissenstift> (aufgerufen am 26.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/kl/10652











