Forderungen der Juden Moyses zum Falken und David zum Schloß an Tonges Krauchs Witwe zu Marburg

HStAM 257 Samthofgericht Marburg Nr. D 29  
Laufzeit / Datum
1574 November 10 - 1585 März 24
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 10. November 1574 weist das Stadtgericht Marburg die Klage der Frankfurter Juden Moyses zum Falken und David zum Schloß gegen Tonges Krauchs Witwe ab, räumt ihnen aber die Möglichkeit ein, ihre Forderung auf Zahlung von 40 und 15 Talern in einer Klage gegen die Witwe und die Vormünder ihres Sohnes aus der Ehe mit Krauch erneut geltend zu machen.
Dies geschieht, und am 10. Juni 1575 verhandelt das Stadtgericht über die jetzt gegen die Witwe und die Vormünder des Sohnes geführte Klage.
Am 22. Juni stellt der Anwalt der Kläger in der dem Gericht übergebenen Anklageschrift fest, daß Krauch laut Schuldverschreibung vom 24. März 1562 bei Moyses 50 Taler geborgt und die Rückzahlung nebst 5 Talern Zinsen zur folgenden Herbstmesse zugesagt hat. Moyses hat jedoch bislang lediglich 10 Taler erhalten, die ihm Krauch zur Fastenmesse 1565 gegeben hat. Bei David hat Krauch 1565 15 Taler geliehen, die im Herbst mit 1 Taler Zinsen zurückgezahlt werden sollten, was indessen nicht geschehen ist.
Am 6. Juli erklärt der Vormund von Krauchs Sohn, daß dieser nicht zur Zahlung verpflichtet ist, weil er vom Vater nichts geerbt hat, und verweist darauf, daß es nicht landesüblich ist, Witwe und Sohn gemeinsam zu verklagen. Was die Witwe selbst angeht, so untersteht sie seit ihrer Heirat mit dem inzwischen ebenfalls verstorbenen Professor der Theologie Henrich Orth nicht mehr dem Stadtgericht.
Nachdem der Jude Manus von [Rauisch] Holzhausen die Kläger davon unterrichtet hat, daß die Verfahren gegen die Witwe und ihren Sohn getrennt werden sollen, der Sohn aber mittlerweile verstorben ist, wiederholen Moyses und David am 20. Juni 1576 ihre Forderung an die Witwe.
Am 27. Juni beruft sich der Anwalt der Beklagten erneut darauf, daß sie dem Stadtgericht nicht mehr unterworfen ist, worauf die Kläger entgegnen, daß in dem bereits an die zehn Jahre laufenden Verfahren die Klage bereits vor der Heirat mit Orth anhängig gemacht wurde.
Am 9. November verurteilt das Stadtgericht die Witwe zur Zahlung, doch soll sie von den Prozeßkosten nur soviel übernehmen, wie seit dem 10. November 1574 aufgelaufen ist.
Daraufhin wendet sich die Witwe am 15. November mit einer Appellationsklage an das Marburger Hofgericht, dem das Stadtgericht auf Anfordern am 8. Mai 1577 die Akten erster Instanz übergibt.
In der beim Hofgericht am 4. November 1577 eingereichten förmlichen Klagschrift verweist die Witwe auf den am 10. November 1574 erlangten Freispruch und macht geltend, daß der folgende Prozeß erst nach ihrer Heirat mit Orth begonnen wurde, das Stadtgericht mithin nicht mehr für sie zuständig war.
In den folgenden Verhandlungen streiten sich die Parteien vorwiegend über die Vollständigkeit der vom Stadtgericht übergebenen Akten, wobei die Kläger die Vorlage aller Akten, auch der des mit Urteil vom 10. November 1574 abgeschlossenen ersten Prozesses verlangen, die Witwe aber erklärt, daß sich ihre Appellation nur gegen das Urteil im zweiten Prozeß richtet.
Zwischen dem 15. März und dem 14. Juni 1579 hebt das Hofgericht alle Urteile erster und zweiter Instanz auf und erteilt David und Moische das Recht zu einer neuen Klage vor dem Hofgericht.
Am 19. Juli 1580 beauftragt Moisches Witwe Mathge (Meidtge) den Marburger Stadtschreiber Johann Sprenger mit ihrer Prozeßvertretung.
Als David und Mathge am 17. Mai 1583 erneut Klage erheben, verlangt der Anwalt der Beklagten am 23. Oktober die Stellung einer Kaution durch die Kläger und erklärt die Prozeßvollmacht ihres Vertreters für unzureichend. Daraufhin übergibt Sprenger dem Hofgericht am 4. Mai 1584 eine am 6. März notariell beglaubigte Vollmacht seiner Mandanten David und Mathge, lehnt aber die Stellung einer Kaution ab, da bereits während des Verfahrens erster Instanz der Marburger Seiler Thomas Beermann als Bürge benannt worden ist.
Als der Anwalt von Krauchs inzwischen mit Christ Weiffenbach verheirateter Witwe am 17. August Mathges Berechtigung anzweifelt, ohne Wissen ihrer Kinder Forderungen ihres Mannes, dessen Erbin sie nicht sei, einzuklagen, erscheinen am 5. November 1584 die mit Mathges Töchtern Ester und Adel verheirateten Frankfurter Juden Nathan und Meier zum Falken vor einem Notar zu Frankfurt und erklären, daß Mosches Kinder Mathge alle "nharung schulden und gegenschulden" übereignet haben, weil Mosche 600 fl. aus Mathges Vermögen vertan hat, die nicht zurückgezahlt werden konnten. Zu den abgetretenen Forderungen gehören auch die Schulden von Krauch.
Am 9. November beauftragen Mathge und David ihren derzeit zu Amöneburg lebenden Vetter Mannas von [Rauisch] Holzhausen mit ihrer Prozeßvertretung, da Sprenger verstorben ist.
Am 12. November wendet sich der Rat der Stadt Frankfurt aufgrund einer Supplik der klagenden Juden an das Marburger Hofgericht und bittet, das nunmehr seit siebzehn Jahren schwebende Verfahren zu beenden.
Am 15. Februar 1585 berichtet Mannas dem Hofgericht, daß er Sprenger für sein Auftreten vor demselben 3 Taler bezahlt hat. Desgleichen hat er ihn für seine Anwaltstätigkeit vor dem Stadtgericht bezahlt, wobei Sprenger ihm 1/2 Taler schuldig geblieben ist. Der von Mannas beauftragte Prokurator Conrad von Speckswinkel verweist darauf, daß nach Frankfurter Recht zwar gewöhnlich nicht die Frauen ihre Männer beerben, sondern das Erbe an Kinder und Blutsverwandte fällt, daß Mathge aber wegen der aus ihrem Vermögen verbrauchten 600 fl. ein Recht auf Mosches Forderungen hat.
Darauf entgegnet der Anwalt der Beklagten am 24. März, daß die von Mannas übergebene Vollmacht zwar anzuerkennen ist, es aber nicht geduldet werden kann, daß ein Jude vor dem Hofgericht gleichsam als Prokurator auftreten soll. Im übrigen erklärt er, daß Mathge nicht als Erbin, sondern nur als Gläubigerin ihres Mannes klagen kann und somit kein Klagerecht besitzt. Da Mosches Kinder aber ihr Erbe abgetreten haben, sind sie ebenfalls nicht mehr befugt, Forderungen geltend zu machen, weshalb die Klage abzuweisen ist.

Weitere Angaben

Bl. 1-92; vgl. auch HStAM, Protokolle Nr. II Marburg C 3 Bd. 6 Bl. 277, HStAM, Protokolle Nr. II Marburg C 7 Bd. 2 1578 Februar 28, April 7, Mai 28, Juni 25, August 22, September 26, Oktober 20 und vgl. auch HStAM, 330 Nr. Marburg A I, 94 1575 Juni 10

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Forderungen der Juden Moyses zum Falken und David zum Schloß an Tonges Krauchs Witwe zu Marburg“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/4740_forderungen-der-juden-moyses-zum-falken-und-david-zum-schloss-an-tonges-krauchs-witwe-zu-marburg> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/qjg/4740