Behandlung der Herzogin Elisabeth von Rochlitz durch den jüdischen Arzt Hirsch

HStAM 3 Nr. 71  
Laufzeit / Datum
1556 Mai 19 - Oktober 5
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Behandlung der Herzogin Elisabeth von Rochlitz durch den jüdischen Arzt Hirsch
Am 19. Mai bittet Herzogin Elisabeth von Rochlitz ihren Bruder Landgraf Philipp von Hessen, den Kurfürsten von Sachsen zu veranlassen, nach dem Juden Urias Leupolt zu forschen, den sie vor einiger Zeit zu Landgraf Philipp geschickt hat. Er hat damals den jungen Hermann zu Spangenberg am Auge kuriert. Es wird berichtet, daß er sich bisweilen in Böhmen aufhält. Landgraf Philipp soll den Kurfürsten wissen lassen, daß Leupolt derselbe Jude ist, den Elisabeth vormals bei sich in Rochlitz hatte und der die schöne Schwester besitzt. Die Herzogin bittet, bei den Nachforschungen allen Fleiß anzuwenden und ihr den Juden zu schikken, da er nicht ungeschickt zum "warenzeichen" ist und sie, obschon der Arm heilt, von der "heydrussen" sehr geplagt wird.
Am 17. Juni teilt Kurfürst August von Sachsen Landgraf Philipp mit, daß es ihm gelungen ist, Meister Hirschen, den jüdischen Arzt, aus Frankfurt an der Oder kommen zu lassen und ihn mit "einer verehrung" und dem Versprechen, ihm, auch wenn er nicht gebraucht wird, Reise, Zehrung und die Kosten für sein "versaumnus" zu bezahlen, zur Weiterreise nach Kassel zu bewegen.
Der Landgraf läßt seine Schwester am 25. Juni wissen, daß er ihr den vom Kurfürsten zu Sachsen verschriebenen jüdischen Arzt mit einem einspännigen Knecht geschickt hat, und bittet sie, ihn mit Rücksicht darauf, daß der Kurfürst ihn zu solch einer weiten Reise veranlaßt hat, gut aufzunehmen und, sofern sie glaubt, daß er geschickt ist und helfen kann, seinen Rat zu befolgen.
Am 2. Juli dankt Elisabeth ihrem Bruder für seine Mühe und berichtet, daß Meister Hirsch sich trotz der Absicht, gleich wieder davonzueilen, von ihr hat bereden lassen, etwa acht Tage zu bleiben. Er wird Landgraf Philipp einen Krankheitsbericht zuschikken und sich, wie Elisabeth hofft, durch ein Schreiben von ihm vielleicht auch zu längerem Bleiben bewegen lassen. Die Herzogin hält Hirsch für geschickter als Leupolt, der nach Hirschs Angaben tot sein soll, erklärt, daß sie von Hirsch "guet kundtschafft" und ihn "langst gekhennet" hat und glaubt, "got hab uns diesen zuegeschickt, dann uns die balbirer schendtlich verterbet haben".
Mit gleicher Post berichtet der Arzt Hirß Juda Landgraf Philipp, daß seine Schwester am rechten Arm um den Ellbogen einen "breytten schaden" und am "lingken backen hintten an dem kibell" ein Loch von einem aufgebrochenen Geschwür hat. Wegen der herrschenden Hundstage will er keine neue Kur beginnen, sondern die Wunde nur acht Tage offen halten und beobachten, danach über die weitere Behandlung entscheiden. Er bittet, ihn danach wieder "des wegs anheym geleitten" zu lassen.
Am 4. Juli schreibt der Landgraf seiner Schwester, daß er den Arzt gebeten hat, sie nicht zu verlassen, und fordert sie auf, ihn auch ihrerseits nicht reisen zu lassen, es sei denn, er bleibe im Lande und verspräche nach den Hundstagen die "cura" vorzunehmen. Mit gleicher Post fordert er Hirsch auf, während der Hundstage, wenn er sie nicht bei der Herzogin verbringen will, nach Kassel zu kommen und später nach Schmalkalden zu ihr zurückzukehren, da seine weite Reise sinnlos wäre, würde der Herzogin nicht geholfen. Er verspricht dem Arzt, sich so zu erzeigen, "das du uns dancken solt".
Am 7. Juli berichtet Elisabeth ihrem Bruder über eine Besserung ihres Leidens, bei dem es sich nicht wie vermutet um die Franzosenkrankheit, sondern um die Entzündung der "heydrusse" durch einen Zahn und einen Schaden am Arm handelt. Sie glaubt, daß alles glimpflicher verlaufen wäre, wäre Meister Hirsch früher da gewesen und hätten die Barbiere sie nicht so verdorben. Sie beteuert, daß sie dem Rat des Arztes folgt "und haltten uns seines regiments". Sie will Hirsch mit guten Worten zum Bleiben auffordern, ihn aber nicht gegen seinen Willen halten, da sie fürchtet, er "möchte uns sonst die schaden beitzen", was bei ihr stets Schaudern, Hitze und Fieber hervorruft. Im übrigen hat sie den Arzt ausführlich über alle Krankheitsumstände unterrichtet und ihm mitgeteilt, wie sie vor drei Jahren wegen eines großen Trunks zu Leipzig "ausgeschlagen" ist, "wir geben auch meyster Hirschen guete wort und erbitten uns groß kegen ime". Die Besserung der Krankheit wird mit gleicher Post durch ein Schreiben des Arztes bestätigt, der erklärt, sich um weitere Heilung bemühen zu wollen.
Am 11. Juli fordert Landgraf Philipp den Arzt erneut zum Bleiben auf und bittet, die Behandlung nicht zu übereilen, damit sie Bestand hat. Er verspricht, sich erkenntlich zu zeigen.
Am 26. Juli teilt Elisabeth ihrem Bruder mit, daß Hirsch ihr gesagt hat, daß die Juden in vierzehn Tagen ein Fest haben, zu dem sie zusammenkommen müssen. Da er für ein Enkelkind in Frankfurt am Main noch etliche Außenstände seines dort vor zwei Jahren verstorbenen Sohnes einzutreiben hat, hat er gebeten, ihn in Anbetracht der fortschreitenden Heilung zur Reise nach Frankfurt zu beurlauben und seine Rückkehr versprochen, auch zugesagt, seine Pflaster und die verordnete Arznei dazulassen. Da Elisabeth ohnehin vorhat, sich zum Herbst auf einige Tage "ins holtze legen zue lassen", und Hirsch versprochen hat, auf Wunsch zurückzukehren und sie einzulegen, sie aber andererseits fürchtet, Hirsch könnte "etwan schalck" sein und seine Wiederkunft in der Hoffnung hinauszögern, mehr Geld herauszuschlagen, wenn in der Zwischenzeit die Schäden wieder größer würden, fragt sie Landgraf Philipp um Rat.
Am 28. Juli berichtet Elisabeth ihrem Bruder von der fortschreitenden Heilung. Allerdings tut es ihr um die Wundränder noch sehr weh, obwohl der Arzt ihr etwas zur Reinigung hineingestreut hat, "welchs uns ein wenigk beysset".
Am 8. August berichtet der Landgraf seiner Schwester von einer Unterredung mit Hirsch, der Bedenken hat, die Behandlung fortzusetzen, zumindest aber bei einer so hochgestellten fürstlichen Persönlichkeit die Zuziehung weiterer Ärzte wünscht. Trotzdem hat er versprochen, zu Michaelis zu Elisabeth zurückzukehren. Er befürwortet eine gründliche, die Ursachen bekämpfende Behandlung, da sonst die Heilung nicht von Dauer sein kann. Landgraf Philipp glaubt, daß der Arzt es treulich meint, und rät Elisabeth, ihn nicht fortzulassen, denn einmal nach Frankfurt an der Oder zurückgekehrt, dürfte er schwerlich wieder zum Kommen zu bewegen sein, "auch solliche erzte nicht allerwege zu finden". Die von Elisabeth geplante Holzkur hält Hirsch für gut, aber sehr anstrengend, weil die Herzogin dabei täglich nur ein Viertel eines jungen Huhnes und ein leicht gebackenes Brot essen darf und ansonsten das übel schmeckende Holzwasser trinken muß, wobei sie leicht zornig und ungeduldig werden und so den Heilerfolg gefährden könnte. Hirsch schlägt vor, der Herzogin statt dessen Pflaster zu setzen sowie hin und wieder ein "ungent", das ihr weder schädlich sein noch ihr "ins maulkommen soll". Bei diesem Verfahren kann sie normal essen und trinken.
Philipp hat Hirsch eine Belohnung zukommen lassen und rät auch Elisabeth, ihm eine Verehrung zu schicken. Da die Kuren während der heißen Zeit ohnehin nicht begonnen werden können, hat der Landgraf Hirsch erlaubt, zur Messe nach Frankfurt am Main zu ziehen und dort seine Angelegenheiten zu regeln. Der Arzt hat ihm zuvor versichert, daß er Elisabeths Apotheker alles zur Weiterbehandlung Notwendige übergeben hat.
Am 17. September läßt der Landgraf seine Schwester wissen, daß er ihre neuerliche Krankheit bedauert, sie aber dem Rat von Meister Hirsch hätte folgen sollen. Da er jetzt heimgezogen und nicht zurückzuholen ist, soll sie sich einen Arzt aus Freiberg kommen lassen.
Am 21. September antwortet Elisabeth ihrem Bruder, sie wollte 1000 fl. aus ihrem Deputat geben, wenn "Hirsch Juda nymals zue uns wehre khommen".
Am 5. Oktober wiederholt sie diese Beteuerung und berichtet ihrem Bruder, daß sie bislang noch die Pflaster des Juden gebraucht hat, die aber nur ziehen und nicht heilen. Gottlob schmeckt ihr aber Essen und Trinken und zu Mittag hat sie, "es sei dem juden lieb oder leidt", fünf grobe Vögel und dazu vom gebratenen Füllsel gegessen. Der Jude hatte nicht die Absicht, sie zu heilen, sondern "uns aufzuehalten undt darnach durch die cura ein rhum ahn uns zu erlangen". Sie schickt eine Form, nach der der Barbiermeister die Größe des für ihren Arm benötigten Pflasters abmessen soll und an der man sehen kann, was der Jude an ihr geheilt hat. Seit langem hat sie kein Geld so gereut wie das, was Hirsch von ihr und dem Bruder bekommen hat, denn vor seiner Behandlung konnte sie noch schreiben und die Hand gebrauchen, jetzt geht das nicht mehr.

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Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

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„Behandlung der Herzogin Elisabeth von Rochlitz durch den jüdischen Arzt Hirsch“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/3838_behandlung-der-herzogin-elisabeth-von-rochlitz-durch-den-juedischen-arzt-hirsch> (aufgerufen am 25.11.2025)

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