Untersuchung des Kindermordes zu Volkerode

HStAM 3 Nr. 1638  
Laufzeit / Datum
1543 Juli 6 - 1545 Januar 19
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Untersuchung des Kindermordes zu Volkerode
Am 6. Juli 1543 bekennt ein Hirte von Volkerode vor Amtmann und Schultheiß zu Münden, daß er die Juden zu Unrecht der Anstiftung zu dem von ihm begangenen Kindermord beschuldigt hat, und bittet sie und Klings Tochter, die er der Mitwisserschaft bezichtigt hat, um Verzeihung.
Am 16. Januar 1544 erklärt der wegen der Feindschaft, die sein Bruder den braunschweigischen Juden erklärt hat, befragte Hans Wymer vor der Kanzlei in Kassel, daß er nur vom Hörensagen weiß, daß der als Mörder seines Neffen verhaftete Hirte seinerzeit ausgesagt hat, die Juden hätten ihm Geld für die Tat gegeben und man werde an einem bestimmten Zaun einen Topf mit dem Blut des Kindes finden. Zwar ist dieser Topf nicht entdeckt worden, doch hat Wymers Bruder, weil der Hirte auch auf der Folter bei seiner Aussage blieb, geschworen, den Tod seines Sohnes an den Juden zu rächen.
Am 3. Dezember beklagen sich die braunschweigischen Juden bei Herzogin Elisabeth über den von Weimar Weimar von Volkerode, der sich im vergangenen Jahr grundlos zu ihrem offenen Feind erklärt hat, begangenen Frevel und Mutwillen. Die Juden, die sich dadurch am Erwerb ihres Unterhalts gehindert sehen und meinen, daß alle bisherigen Schreiben der Herzogin in dieser Sache "in windt geschlagen und veracht" würden, bitten, Landgraf Philipp zu ersuchen, Hans Licht zu Witzenhausen Weimars Verhaftung zu befehlen, da nur Licht helfen kann, weil bei allen anderen "kein ernst gespurt" wird. Am 5. Dezember leitet Herzogin Elisabeth diese Supplik an Landgraf Philipp weiter und wird von den Räten am 7. Dezember auf die Wiederankunft des Landgrafen in Kassel vertröstet. Am 22. Dezember wiederholt die Herzogin auf Bitten der Juden, die bereit sind, Hans Wienand genannt Licht zu bezahlen, ihr Ansuchen. Darauf überschickt Landgraf Philipp Herzogin Elisabeth einen Bericht über den Kindermord zu Volkerode und erklärt sich außerstande, Weimar verhaften zu lassen, da er Mitleid verdient und Gott das ganze Land strafen wird, wenn man ein solches Verbrechen duldet.
In dem Bericht der Gemeinde Volkerode heißt es, daß ein Hirte um Johanni 1542 einen fünfjährigen Knaben in einem Kornfeld mit einem Strohseil gewürgt, ihm am ganzen Leib die Adern geöffnet und ihm das Blut gezapft hat, bis er tot war. Als man den Täter griff, hat er bekannt, daß ihm die Juden Geld für die Tat gegeben haben, und ist darauf zu Münden gerädert worden. "Darumb wer es gar schwerlich den judden beystenn, hende in unschuldigen blut zu waschen, da uns got vor behute". Mit Schreiben vom 5. Januar weist Herzogin Elisabeth diese Anschuldigung gegen ihre Schutzjuden zurück und überschickt ihrerseits den Bericht über die 1543 zu Münden geführte Untersuchung. Dabei hat der Hirte zunächst ausgesagt, daß ihn der Jude Jacob zu der Tat verleitet und er ihm für Geld Christenblut versprochen hat. Auf dem Weg ins Gefängnis hat er Klings Tochter der Mitwisserschaft beschuldigt. Da der Hirte behauptet hatte, Jacob persönlich zu kennen, hat man ihm den Schloßpförtner vorgeführt, den er für den Juden gehalten hat. Von dem angeblich vergrabenen Topf mit Blut konnte an dem bezeichneten Ort keine Spur gefunden werden. Wenige Tage später hat der Hirte bekannt, daß er eigentlich ein anderes Kind ermorden wollte, dessen Vater Andreas Kling angezeigt hatte, daß die Hunde des Hirten Kling ein Schwein gerissen hatten, das er dann bezahlen mußte. Als er dieses Kind nicht zu fassen bekam, hat er dessen Vetter, Weimars Sohn, ermordet und Klings Tochter der Mitwisserschaft bezichtigt. Um den Verdacht auf die Juden zu lenken, hat er am Tag nach dem Mord dem Kind die Vorhaut beschnitten.
Auf diesen Bericht antwortet Landgraf Philipp am 19. Januar 1545, daß er noch immer Bedenken hat, Weimars Verhaftung anzuordnen, da dessen Verwandtschaft behauptet, daß die Juden doch nicht so ganz unschuldig an dem Mord sind. Sollten indessen die braunschweigischen Befehlhaber seine Anwesenheit auf hessischem Gebiet nachweisen, will er ihn gefangennehmen lassen 1#Die gestrichenen Stellen dieses Briefkonzepts lassen durchaus die ursprüngliche Bereitschaft erkennen, die Unschuld der Juden zu akzeptieren und den Befehl zu Weimars Verhaftung zu geben.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

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„Untersuchung des Kindermordes zu Volkerode“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/3734_untersuchung-des-kindermordes-zu-volkerode> (aufgerufen am 26.11.2025)

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