Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus
Ereignis
Was geschah
Bei der Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus werden erstmals die Konservativen mit deutlichen Stimmengewinnen und insgesamt 108 von 433 Mandaten stärkste Kraft (1876: 38) und lösen damit die Nationalliberalen ab, die deutlich an Abgeordneten verlieren und nun mit 105 Mandaten knapp hinter den Konservativen liegen (1876: 178). Große Zugewinne kann auch die Deutsche Reichspartei verbuchen, die nunmehr 62 Abgeordnete stellt (1876: 39), wogegen die Deutsche Fortschrittspartei deutliche Verluste zu verzeichnen hat und nun nur noch 40 Abgeordnete in den Landtag entsendet (1876: 73).1 Diese politischen Verschiebungen spiegeln sich auch im Wahlergebnis in der Provinz Hessen-Nassau wieder: Während die Nationalliberalen eine Halbierung ihrer Mandate verzeichnen müssen und nun nur noch sieben Abgeordnete nach Berlin entsenden (1876: 15), können die Konservativen nun gleichziehen: Nachdem sie drei Jahre zuvor keinen einzigen Abgeordneten aus der Provinz stellten, erringen sie nun sieben Wahlkreise. Die Deutsche Reichspartei stellt nun drei statt einem Abgeordnete, die Deutsche Fortschrittspartei verliert zwei Mandate und entsendet nun fünf Abgeordnete, die Zentrumspartei kann ein Mandat hinzugewinnen (vier statt drei).2 In den Wahlkreisen der heute auf dem Gebiet des Landes Hessen liegenden Teile der Provinz Westfalen (Wahlkreis Arnsberg 1) und der Rheinprovinz (Wahlkreis Wetzlar) erringen – wie bereits seit 1870 – zwei Freikonservative die Mandate.3
Gewählte Abgeordnete
Bei der Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus wird in jedem Wahlkreis nach absolutem Mehrheitswahlrecht (Persönlichkeitswahl) ein Abgeordneter gewählt.Provinz Hessen-Nassau – Regierungsbezirk Kassel
Gehren, Otto von (1817–1896); Landrat; Homberg; Deutschkonservative; Wahlkreis Kassel 8: Homberg – ZiegenhainGriesheim, Arthur von (1847–1894; Nationalliberale Partei); Fabrikbesitzer; Kassel; Wahlkreis Kassel 3: Kassel-Stadt
Grimm, Dr. jur. Carl (1826–1893; Deutschkonservative); Rechtsanwalt; Marburg; Wahlkreis Kassel 9: Kirchhain – Frankenberg
Hellwig, Conrad (1824–1889; Deutschkonservative); Landwirt, Bürgermeister; Haddamar/Kreis Fritzlar; Wahlkreis Kassel 7: Melsungen – Fritzlar
Koch, Friedrich (1838–1897; Zentrumspartei); Kaplan; Fulda; Wahlkreis Kassel 12: Fulda
Oetker, Friedrich (1809–1881); Rechtsanwalt; Kassel; Nationalliberale Partei; Wahlkreis Kassel 1: Rinteln4
Pfannstiel, Siegmund (1819–1890; Freikonservative/Deutsche Reichspartei); Gutsbesitzer; Weidebrunn/Kreis Schmalkalden; Wahlkreis Kassel 5: Eschwege – Schmalkalden
Rübsam, Joseph (1822–1886; Zentrumspartei); Amtsrichter; Hanau; Wahlkreis Kassel 11: Hünfeld – Gersfeld
Schreiber, Carl (1834–1910; Deutschkonservative); Landrat; Marburg; Wahlkreis Kassel 10: Marburg
Trott zu Solz, Friedrich Freiherr (1835–1894; Neukonservative); Landrat; Gelnhausen; Wahlkreis Kassel 13: Schlüchtern – Gelnhausen
Weyrauch, Ernst Georg Karl Valentin (1832–1905; Deutschkonservative); Landrat; Kassel; Wahlkreis Kassel 4: Kassel-Land – Witzenhausen5
Wolff von Gudenberg, Gottlob (1813–1890; Deutschkonservative); Stadtgerichtsdirektor a.D.; Kassel; Wahlkreis Kassel 2: Hofgeismar – Wolfhagen
Ziegler, Heinrich Friedrich (1826–1882; Nationalliberale Partei); Fabrikant; Hanau; Wahlkreis Kassel 14: Hanau
Zimmermann, Lorenz (1822–1910; Freikonservative/Deutsche Reichspartei); Domänenpächter, Posthalter; Hersfeld; Wahlkreis Kassel 6: Rotenburg – Hersfeld
Provinz Hessen-Nassau – Regierungsbezirk Wiesbaden
Bork, Eduard (1833–1893; Nationalliberale Partei); Landgerichtsrat; Marburg; Wahlkreis Wiesbaden 11: BiedenkopfKalle, Fritz (1837–1915; Nationalliberale Partei); Fabrikbesitzer; Wiesbaden; Wahlkreis Wiesbaden 4: Obertaunuskreis
Körner, Carl (1832–1914; Deutsche Fortschrittspartei); Gutsbesitzer; Wehen/Untertaunuskreis; Wahlkreis Wiesbaden 5: Untertaunuskreis
Labes, Hermann (1826–1898; Deutsche Fortschrittspartei); Versicherungsdirektor; Frankfurt am Main; Wahlkreis Wiesbaden 1: Frankfurt/Main-Stadt
Lieber, Dr. jur. utr. Ernst (1838–1902; Zentrumspartei); Privatier; Camberg/Kreis Limburg; Wahlkreis Wiesbaden 9: Unterwesterwaldkreis
Mohr, Karl Anton (1820–1885; Deutsche Fortschrittspartei); Gutsbesitzer; Niederneisen/Unterlahnkreis; Wahlkreis Wiesbaden 7: Unterlahnkreis
Petri, Wilhelm (1826–1897; Deutsche Fortschrittspartei); Oberlandesgerichtsrat; Frankfurt am Main; Wahlkreis Wiesbaden 2: Wiesbaden-Stadt6
Schlichter, Christian (1828–1883; Nationalliberale Partei); Oberamtsrichter; Eltville/Rheingaukreis; Wahlkreis Wiesbaden 6: Rheingaukreis – Meisenheim
Thilenius, Dr. med. Georg (1830–1885); Arzt; Soden/Kreis Höchst; Wahlkreis Wiesbaden 3: Wiesbaden-Land
Traeger, Albert (1830–1912; Deutsche Fortschrittspartei); Rechtsanwalt; Nordhausen; Wahlkreis Wiesbaden 1: Frankfurt/Main-Stadt
Tripp, Johannes (geb. 1835; Zentrumspartei); Gutsbesitzer; Burghof/Unterwesterwaldkreis; Wahlkreis Wiesbaden 8: Oberlahnkreis
Wißmann, Theodor (1818–1884; Freikonservative/Deutsche Reichpartei); Landrat; Marienberg/Oberwesterwaldkreis; Wahlkreis Wiesbaden 10: Oberwesterwaldkreis – Dillkreis7
Provinz Westfalen – Regierungsbezirk Arnsberg
Achenbach, Heinrich (1829–1899; Freikonservative/Deutsche Reichspartei); Vortragender Rat; Berlin; Wahlkreis Arnsberg 1: Wittgenstein – SiegenRheinprovinz – Regierungsbezirk Koblenz
Staudinger, Julius Carl Wilhelm (1819–1905; Freikonservative/Deutsche Reichspartei); Kammerdirektor; Braunfels/Kreis Wetzlar; Wahlkreis Koblenz 1: Wetzlar(LV)
Bezugsrahmen
Indizes
Personen
- Achenbach, Heinrich von (1829-1899)
- Bork, Eduard
- Gehren, Otto Hugo August Christian von
- Griesheim, Arthur
- Grimm, Karl
- Hellwig, Konrad
- Kalle, Fritz
- Koch, Friedrich
- Körner, Karl
- Labes, Hermann
- Lieber, Ernst
- Mohr, Karl Anton
- Oetker, Friedrich
- Petri, Wilhelm
- Pfannstiel, Siegmund
- Reusch, Hugo
- Rübsam, Joseph
- Schlichter, Christian
- Schreiber, Carl
- Staudinger, Julius Carl Wilhelm
- Thilenius, Georg
- Traeger, Albert
- Tripp, Johannes
- Trott zu Solz, Friedrich, von
- Weyrauch, Ernst
- Wißmann, Franz August Theodor
- Wolff von Gudenberg, Gottlob Karl
- Ziegler, Heinrich Friedrich
- Zimmermann, Heinrich
Sachbegriffe
Nachweise
Fußnoten
- Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 55. ↑
- Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 79. ↑
- Die politische Zusammensetzung ändert sich im Laufe der Legislaturperiode nicht. Bei den insgesamt drei Ersatzwahlen setzt sich einmal ein Vertreter derselben Partei durch (Rinteln, Mai 1881), zwei Abgeordnete, die formal aufgrund einer Beförderung im Staatsdienst aus dem Landtag ausgeschieden waren, wurden wiedergewählt (Kassel-Land, Dezember 1881 und Wiesbaden-Stadt, März 1882). ↑
- Oetker verstarb während der Legislaturperiode am 17. Februar 1881. In der daraufhin angesetzten Ersatzwahl am 13. Mai 1881 setzte sich sein Bruder Karl durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 639. ↑
- Weyrauch schied aufgrund der Bestimmungen in Artikel 78 Absatz 3 der Preußischen Verfassung am 6. September 1881 nach seinem Dienstantritt als Direktor des Konsistoriums für den Regierungsbezirk Kassel aus dem Abgeordnetenhaus aus („Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt Eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch eine Wahl wiedererlangen.“). In der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 15. Dezember 1881 wurde er wiedergewählt. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 646. ↑
- Petri schied aufgrund der Bestimmungen in Artikel 78 Absatz 3 der Preußischen Verfassung im Dezember 1881 aus dem Abgeordnetenhaus aus („Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt Eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch eine Wahl wiedererlangen.“). In der daraufhin durchgeführten Ersatzwahl am 11. März 1882 setzte sich der Landesbankdirektionsrat Hugo Reusch (1833–1902; Deutsche Fortschrittspartei) aus Wiesbaden durch. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 677. ↑
- Wißmann setzte sich hier erst im dritten Wahlgang gegen Eduard Wißmann und Julius Adalbert von Oven (Deutschkonservative) durch. Hintergrund dieses engen Wahlausgangs war, dass sich die Nationalliberalen im Wahlkreis aufgrund von Rivalitäten der beiden Kreise. Die konservativen Wahlmänner des Oberwesterwaldkreises stimmten für den dortigen Landrat Wißmann, die aus dem Dillkreis für von Oven. Dieser schied in der Stichwahl aus, in der nun ein Teil des Ovenschen Anhangs mit dem Landrat des Oberwesterwaldkreises stimmten, andere dagegen auf dessen Namensvetter aus Wiesbaden. Für den schließlich siegreichen Wißmann (Marienberg) stimmten auch die Vertreter des Zentrums. Vgl. Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 698. ↑
Literatur
- Kühne, Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten, Düsseldorf 1994, S. 615, 639-702, 756
Weiterführende Informationen
- Wikipedia: Preußisches Abgeordnetenhaus (eingesehen am 21.11.2023)
Kalender
Siehe auch
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Personen
- Hessische Biografie: Achenbach, Heinrich von (1829-1899)
- Hessische Biografie: Bork, Eduard
- Hessische Biografie: Gehren, Otto Hugo August Christian von
- Hessische Biografie: Griesheim, Arthur
- Hessische Biografie: Grimm, Karl
- Hessische Biografie: Hellwig, Konrad
- Hessische Biografie: Kalle, Fritz
- Hessische Biografie: Koch, Friedrich
- Hessische Biografie: Körner, Karl
- Hessische Biografie: Labes, Hermann
- Hessische Biografie: Lieber, Ernst
- Hessische Biografie: Mohr, Karl Anton
- Hessische Biografie: Oetker, Friedrich
- Hessische Biografie: Petri, Wilhelm
- Hessische Biografie: Pfannstiel, Siegmund
- Hessische Biografie: Reusch, Hugo
- Hessische Biografie: Rübsam, Joseph
- Hessische Biografie: Schlichter, Christian
- Hessische Biografie: Schreiber, Carl
- Hessische Biografie: Staudinger, Julius Carl Wilhelm
- Hessische Biografie: Thilenius, Georg
- Hessische Biografie: Traeger, Albert
- Hessische Biografie: Tripp, Johannes
- Hessische Biografie: Trott zu Solz, Friedrich, von
- Hessische Biografie: Weyrauch, Ernst
- Hessische Biografie: Wißmann, Franz August Theodor
- Hessische Biografie: Wolff von Gudenberg, Gottlob Karl
- Hessische Biografie: Ziegler, Heinrich Friedrich
- Hessische Biografie: Zimmermann, Heinrich
Quellen und Materialien
- Parlamentarismus in Hessen: Hellwig, Konrad
- Parlamentarismus in Hessen: Körner, Karl
- Parlamentarismus in Hessen: Lieber, Ernst
- Parlamentarismus in Hessen: Mohr, Karl Anton
- Parlamentarismus in Hessen: Oetker, Friedrich
- Parlamentarismus in Hessen: Pfannstiel, Siegmund
- Parlamentarismus in Hessen: Rübsam, Joseph
- Parlamentarismus in Hessen: Wißmann, Franz August Theodor
- Parlamentarismus in Hessen: Wolff von Gudenberg, Gottlob Karl
- Parlamentarismus in Hessen: Ziegler, Heinrich Friedrich
Nachnutzung
Rechtehinweise
Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Wahl zum Preußischen Abgeordnetenhaus, 30. September 1879“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/7534_wahl-zum-preussischen-abgeordnetenhaus> (aufgerufen am 26.11.2025)
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