Der Ruf nach Kolonien während der Revolution von 1848
Ereignis
Was geschah
In den 1840er Jahren führten Missernten zu großen Preissteigerungen und einem Anstieg der Armut. Das Kurfürstentum Hessen war von der Hungersnot 1846/47 besonders stark betroffen. Viele Menschen sahen in der Auswanderung eine Möglichkeit, den schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen zu entgehen, wie die Beispiele aus Wernings oder Hanau zeigen. Es kamen daher Stimmen auf, die eine staatliche Regelung der Auswanderung forderten. Damit war die Hoffnung verbunden, dass die Auswandernden in den Zielländern weniger „Betrügereien“ ausgesetzt würden. Unter dem Eindruck der Revolution von 1848 und dem Wunsch nach der Schaffung eines deutschen Nationalstaats wurde zudem gefordert, dass die Ausgewanderten sich in deutschen Siedlungen beziehungsweise Kolonien niederlassen sollten. Eine deutsche Marine sollte die Auswandernden schützen.
Werner Bierner (1822–1884), Abgeordneter in der Kurhessischen Ständeversammlung für die Stadt Kassel, stellte im Mai 1848 einen Antrag an die Ständeversammlung „wegen Beförderung der Auswanderungen“. Darin forderte er die Ständeversammlung auf, in der Frankfurter Nationalversammlung auf den Beschluss eines Auswanderungsgesetzes hinzuwirken. Neben der Gründung von deutschen Kolonien in Amerika schlug er die Ausweisung von Straftätern auf eine „fern gelegene Insel“ vor. Die Ständeversammlung nahm den Antrag an, nicht jedoch den Vorschlag, straffällig Gewordene auszuweisen. Ähnliche Wünsche äußerte der Gießener Mediziner und Naturforscher Ernst Dieffenbach (1811–1855) in einer Denkschrift, die er im Juni 1848 an die Nationalversammlung richtete. Auch er forderte eine staatliche Regelung des „deutschen Auswanderungswesens“ und sah die Auswanderung als Möglichkeit, die Verarmung zu stoppen. Kolonien bedeuteten seiner Meinung nach die Teilnahme am Welthandel, aber auch die Chance, das „nationale Bewußtsein“ wiederherzustellen.
Die Mehrheit der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung stimmte am 6. Dezember 1848 für das Grundrecht auf Auswanderung: „Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt; Abzugsgelder1 dürfen nicht erhoben werden. Die Auswanderungsangelegenheit steht unter dem Schutze und der Fürsorge des Reichs.“
(StF)
Bezugsrahmen
Quellen
Vorschau
Nachweise
Fußnoten
- Abgabe, die Personen entrichten mussten, die aus einer Stadt oder Gemeinde wegzogen. ↑
Literatur
- Franz Wigard (Hrsg.), Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der Deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Mai, Bd. 5, Frankfurt am Main 1848, S. 3897
Weiterführende Informationen
- Antrag des Abgeordneten Werner Bierner an die kurhessische Ständeversammlung vom 30. Mai 1848 wegen „Beförderung der Auswanderungen“, Verhandlungen des Kurhessischen Landtags, 1847, Bd. 2, Kassel 1848, Beilage 249 (eingesehen am 15.4.2025)
- Schreiben Ernst Dieffenbachs an die Frankfurter Nationalversammlung, Der deutsche Auswanderer Nr. 23 vom 3.6.1848 (eingesehen am 15.4.2025)
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Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Der Ruf nach Kolonien während der Revolution von 1848, Mai 1848 - Dezember 1848“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/7526_der-ruf-nach-kolonien-waehrend-der-revolution-von-1848> (aufgerufen am 25.11.2025)
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