Der „Langsdorfer Judenkrawall“

 

Ereignis

Was geschah

Im Zuge der Revolution von 1848 verabschiedete das Großherzogtum Hessen im August 1848 ein Gesetz, das Religionsfreiheit zusagte und zudem festschrieb, dass das Bekenntnis keinerlei Auswirkungen auf die bürgerlichen oder politischen Rechte hatte. Auch im Kurfürstentum Hessen und im Herzogtum Nassau gab es vergleichbare Gesetze. Die damit einhergehende rechtliche Gleichstellung der Juden stieß jedoch nicht überall in der Bevölkerung auf Zustimmung. Den Juden stand nun das Recht zu, Ortsbürgerrechte zu beantragen, die die Mitsprache in Gemeindeangelegenheiten ermöglichten. Zahlreiche Gemeinden versuchten, die Aufnahme von Juden als Ortsbürger zu verhindern. In Langsdorf, wo es ein großes Gemeindevermögen gab, fürchtete die Gemeinde die Teilhabe der dort lebenden sieben jüdischen Familien an dem Vermögen. Daher beschloss sie als abschreckende Maßnahme, das für die Aufnahme zu zahlende Einzugsgeld von 59 auf 300 Gulden zu erhöhen. Als der Antrag auf Aufnahme in das Ortsbürgerrecht von Seiten der Juden erfolgte, konnte die Gemeinde diese zunächst hinhalten, bis im Juni 1850 das Innenministerium entschied, dass die Aufnahme zu erfolgen habe. Daraufhin kam es zu Ausschreitungen, die sich gegen die jüdische Bevölkerung richteten. Die jüdischen Familien flohen nach Hungen, erhoben dort Klage gegen die Gemeinde und konnten nur unter Polizeischutz nach Langsdorf zurückkehren. Als Kompromiss setzte die großherzogliche Regierung das Einzugsgeld auf 180 Gulden fest. Obwohl die Juden diese Summe aufbringen konnten, verweigerte die Gemeinde weiterhin die Aufnahme und ergriff stattdessen Maßnahmen, um jeden Handel mit ihnen zu unterbieten. Wieder setzte sich die Regierung für die Juden ein. Im März 1851 wandte sich der Bürgermeister von Langsdorf mit einer Beschwerde an die 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums und bat, die gegen ihn erhobenen Strafen und den von den Verwaltungsbehörden verfügten Eintrag der Juden in das Ortsbürgerregister wieder aufzuheben. Nach längerer Debatte lehnte der Landtag die Beschwerde mit 48 Stimmen bei nur einer Gegenstimme ab. Als im Januar 1852 die Juden durch einen Regierungssekretär endgültig in das Ortsbürgerregister eingetragen wurden, weigerte sich die Gemeinde, das Einzugsgeld anzunehmen. Dieses wurde schließlich auf dem Landgericht hinterlegt.
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Nachnutzung

Rechtehinweise

Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Der „Langsdorfer Judenkrawall“, 1848-1852“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/7256_der-langsdorfer-judenkrawall_der-langsdorfer-judenkrawall> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

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