Volksschulgesetz im Großherzogtum Hessen

 

Ereignis

Was geschah

Mit dem 1. Januar 1875 tritt das neue Gesetz, „das Volksschulwesen im Großherzogtum betreffend“ in Kraft inklusive der Ausführungsbestimmungen vom 14. November und 2. Dezember 1874. Alle Schulen im Großherzogtum Hessen werden Kommunalschulen; die an die Pfarreien angebundenen Konfessionsschulen werden damit aufgehoben und in Simultanschulen umgewandelt (1904 sind neunzig Prozent Simultanschulen); die Schulinspektion wird durch Beamte des Staates ausgeführt; das Schulwesen wird in allen Landesteilen angeglichen, zentralisiert und verwaltungstechnisch dem Innenministerium unterstellt. Der Einführung des Gesetztes voraus ging eine Diskussion im Landtag, wie mit der Frage von Staat und Kirche im Zusammenhang mit der Volksschule umzugehen sei. Die Gemeinden müssen für ihre Kinder Schulen, gemeinsam für alle Konfessionen, einrichten und Wohnungen für Lehrer bereitstellen. Die Klassengröße liegt bei achtzig Kindern; nach dem vollendeten sechsten Lebensjahr besteht eine achtjährige Schulpflicht. Der Besuch von Präparandenanstalten soll den Zugang zur Ausbildung als Volksschullehrer erleichtern, da ein großer Mangel an Lehrkräften herrscht. 1857 werden in Lich und Lindenfels, 1876 in Wöllstein Einrichtungen eröffnet. Konfessionelle Präparandenanstalten entstehen 1874 in Herborn (evangelisch), Fritzlar (katholisch), 1903 Niederzwehren (evangelisch). Die Lehrerausbildung wird einheitlich geregelt. Nach dem Abschluss der achtjährigen Volksschule wird eine Präparandenanstalt besucht und mit einem Examen abgeschlossen. Daran schließt sich eine zweijährige Lehrtätigkeit an, die wiederum mit einem Examen, der sog. Definitorialprüfung, abgeschlossen wird. Artikel 16 des Gesetzes ordnet eine Fortbildungspflicht für Jungen an; die Gemeinden müssen aus diesem Grunde Fortbildungsschulen einrichten; für die Mädchen sollen Kurse angeboten werden. Eine weitere Ausführungsverordnung legt die genauen Inhalte dieses Industrieunterrichtes für Mädchen fest. Artikel 18 des Gesetzes ermöglicht den Kommunen „Bürgerschulen“ einzurichten, die eine höhere Bildung vermitteln. Grundlage für das Gesetz bildet eine Fragebogenaktion zur Lage der Schulen von 1873, die von allen Kreisschulämtern ausgewertet werden muss. Das Volksschulgesetz bleibt über vierzig Jahre lang bestehen. Mit ihm wird das Schulwesen der Kontrolle der Kirche entzogen.
(RKr)

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Nachnutzung

Rechtehinweise

Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Volksschulgesetz im Großherzogtum Hessen, 16. Juni 1874“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/6608_volksschulgesetz-im-grossherzogtum-hessen> (aufgerufen am 25.11.2025)

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