Reichstagsberatungen über wucherische Kontrakte und Judenzins

HStAM 4e Kaiser, Reichs- und Kreissachen Nr. 1379  
Laufzeit / Datum
1576 September 19 - Oktober 15
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 19. September 1576 läßt Kaiser Rudolf II. den auf dem Reichstag zu Regensburg versammelten Fürsten und Ständen eröffnen, daß trotz der Bestimmungen der 1548 publizierten Polizeiordnung über die "wucherlichen contract und der juden ubermessiges gesuch" der gemeine Mann auch weiterhin durch unbillige Verträge und Wucher beschwert und ins Elend gebracht wird. Er fordert die Stände auf, solche unchristlichen Händel zu unterbinden, die Verschuldung ihrer Untertanen zu kontrollieren und dafür zu sorgen, daß dieselben nicht übervorteilt werden, wenn sie Geld auf Frucht oder Wein borgen. Damit aber die Juden ihre Schuldner nicht mit ihrem "unleidtlichen, unchristlichen und ubermessigen" Gesuch verderben, soll eine Reichskonstitution den Zinssatz so festlegen, daß künftig nicht mehr als 1 fl. von je 20 fl. [jährlich] gefordert werden darf. Bei Zuwiderhandlung soll die Schuld der Obrigkeit, unter deren Schutz der Jude lebt, verfallen und der Schuldner damit gegenüber seinem Gläubiger entlastet sein. Außerdem soll den Ständen, die Juden dulden oder deren Untertanen den Juden verschuldet sind, durch einen Reichsabschied befohlen werden, die Höhe der vorhandenen Judenschulden innerhalb eines ganzen oder halben Jahres festzustellen und unter Anwendung des neuen Zinssatzes für eine ordnungsgemäße Abrechnung zu sorgen.
Die Stände billigen diese Vorschläge am 4. Oktober und verlangen überdies, daß alle, die "wucherliche hendel treiben, " durch Reichsabschied für anrüchig und verleumdet erklärt und von allen Ehrenämtern ausgeschlossen werden sollen.
Sie sind mit der Neuregelung des erlaubten Zinssatzes einverstanden, verlangen jedoch, daß bei Verstößen die Schuld an die Obrigkeit des Schuldners zu fallen hat und dieser nicht durch die Schutzherrschaft jüdischer Gläubiger belangt oder gepfändet werden darf. Die Privilegien der Stände, die ohnehin berechtigt sind, ihren Untertanen den Handel mit Juden zu untersagen, sollen von diesen Regelungen unberührt bleiben. Da, wie bereits die Augsburger Polizeiordnung meldet, die Juden nicht allein auf "hohe verschreibungen, burgen und eigene underpfandt, sondern auch auf raubliche und diebliche gutter leihen" und damit das gemeine Volk mehr als sich berechnen läßt beschweren und zu bösen Taten anstiften, werden die Schutzherren der Juden aufgefordert, dafür zu sorgen, daß ihre und fremde Untertanen künftig nicht mehr durch solche "unzimblichen verschreibungen, burgen, abnehmen der pferdberechnung des monatlichen wuchers zur hauptsummen" und dergleichen mehr belastet und ins Elend gestürzt werden. Bei Juden gefundenes Diebesgut ist dem Bestohlenen unentgeltlich zurückzugeben. Damit aber die Juden "ire leibsnarung haben mogen", sollen die Schutzherren dafür sorgen, daß sie sich des unziemlichen Wuchers enthalten und sich stattdessen "mit zimblicher handtarbeit erneren mogen".
Am 6. Oktober weist Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel noch in Unkenntnis dieser Relation seine nach Regensburg entsandten Räte an, unabhängig von der Stellungnahme anderer Reichsstände hinsichtlich der vorgebrachten Bedenken "de usuris" im Sinne Rudolfs II. zu votieren. Am 15. Oktober unterrichten die Räte den Landgrafen davon, daß die Beratungen über diesen Punkt bis zum kommenden Frankfurter Deputationstag vertagt worden sind.1#Vgl. dazu das Regest des Reichsabschieds von 1576 in Senckenbergs Sammlung der Reichsabschiede, 3. Teil S.371 f.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Reichstagsberatungen über wucherische Kontrakte und Judenzins“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/6527_reichstagsberatungen-ueber-wucherische-kontrakte-und-judenzins> (aufgerufen am 25.11.2025)

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