Händel und Klagen der Juden Joseph und Heyum zu Assenheim
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Am 15. März 1563 berichtet der Jude Joseph aus Assenheim Räten und Befehlhabern zu Hanau, daß ihn vor einiger Zeit etliche Reiter entführt und eingesperrt haben, so daß er des Lösegelds wegen in "tausent gulden schuldt gerathen" ist und einem Frankfurter Bürger 300 fl. zahlen und "alle meß schwerlich verpensioniren" muß. Er sieht sich daher gezwungen, sein Haus in Assenheim, in das er viel Geld gesteckt hat, zu verkaufen, und hat Graf Johann von Nassau als hanauischen Vormund um die Erlaubnis dazu gebeten. Da dieser ihn an die hanauischen Räte verwiesen hat, ersucht Joseph sie um die Genehmigung zum Verkauf. Er wiederholt dieses Gesuch am 22. April und gibt an, daß ihn seine Frau bei "boße buben und strassenräuber" mit an die 1000 fl. hat auslösen müssen. Das jetzt zum Verkauf stehende Haus hat er vor sechs Jahren erworben. Die Räte beschließen am 24. April, den Amtmann zu Windecken zu befragen, ob das Haus Joseph gehört und welchen Anteil die Herrschaft daran hat.
Am 15. Juli wird beim Tag zu Assenheim unter anderem auch über Josephs Schuldner Jörg Bender verhandelt, dem der hanauische Keller, weil er nicht zahlen wollte, ein Schloß vor die Scheuer gelegt hat, das von den Kellern der Mitherren wieder abgeschlagen worden ist. Joseph erklärt, daß Bender ihm 80 fl. und die Zinsen von fünf Jahren schuldet und er erst Zinsen für drei Jahre und ein Faß bekommen hat. Dagegen behauptet Bender, Joseph mit Wein bis auf 18 fl. bezahlt zu haben. Da Joseph die Schuldverschreibung verloren hat, stützt sich der abschließende Bescheid auf eine Abrechnung von 1561, bei der Bender Joseph 29 fl. schuldig geblieben ist. Diese Summe soll er Joseph zahlen, dessen weitergehende Forderungen abgewiesen werden.
Joseph, der sich damit nicht zufriedengegeben hat, von der Hanauer Kanzlei mit seiner Klage aber wieder an das Assenheimer Gericht zurückverwiesen wurde, berichtet Räten und Befehlhabern am 2. November, daß sein Anwalt, als er bei einer Zeugenvernehmung eine Einlassung machen wollte, vom Greven aufgefordert worden ist, "an den gerichtsstabe" zu greifen, "als ob er etwas dapfers verwirckt" hätte. Als der Anwalt sich weigerte und auch Joseph nicht an den Stab greifen wollte, hat man ihn zur höchsten Buße verurteilt und die Verhandlung bis zur Bezahlung derselben eingestellt. Der Anwalt hat daraufhin sein Mandat niedergelegt. Joseph beteuert, daß er unschuldig gebüßt wurde, und berichtet, daß der Gerichtsschreiber Bastian Maul mit einem Dolch vor sein Haus gelaufen ist, gedroht hat, ihn zu erstechen und "alle feintschaft gegen mir vorgenommen". Es läßt sich leicht denken, was von einem Protokoll zu halten ist, das der Schreiber nur eine halbe Stunde nach diesem Vorfall angefertigt hat. Joseph bittet, die Buße aufzuheben und den Greven anzuweisen, seinen Anwalt nicht zu verärgern und einen anderen Gerichtsschreiber zu bestellen.
Zur Stellungnahme aufgefordert, berichten Greve und Schöffen dem Amtmann zu Windecken am 10. November, daß Joseph und sein Anwalt beim Gerichtstag am 23. September dem gegnerischen Anwalt so ins Wort gefallen sind, daß der Gerichtsschreiber "fur ihrem plapern nit schreiben hat köhnnen". Beide wären deshalb, da sie eine dreimalige Vermahnung des Greven "mit darreichung des stabs" nicht beachtet haben, auf der Stelle gebüßt worden, wenn der Gerichtstag nicht bereits seinem Ende zugegangen wäre. So aber haben die Schöffen erst beim folgenden Tag am 14. Oktober entschieden, daß der Verstoß nach altem Brauch im Schöffenstuhl gebüßt werden sollte, und als Joseph diesen Spruch nicht annehmen wollte, ist er mit der höchsten Buße bestraft worden.
Was Josephs mündlich vorgebrachte Klage über unbillig hohe Gerichtskosten angeht, so haben der Beklagte und sein Anwalt Kostenerstattung verlangt, als Joseph am 4. November nicht zur Verhandlung erschienen ist. Zwar hatte er dem Greven durch den Keller sagen lassen, daß er im Dienste des Grafen von Hanau unterwegs sei, konnte das aber, als er vor dem Greven erschien, noch während die gegnerische Partei ihre Forderungen geltend machte, nicht belegen und hat seine Aussage erst glaubhaft gemacht, als er bereits zur Kostenerstattung verurteilt war. Als Georg Arnold [gen. Bender] am 15. Juni 1564 verurteilt wird, Joseph zu bezahlen, wendet er sich mit einer Appellationsklage an die Assenheimer Mitherren. Darauf weisen die hanauischen Räte ihren Keller am 20. Juni an, festzustellen, vor welcher Kanzlei diese Klage verhandelt werden soll, und beschließen am 4. Juli, die Appellation zuzulassen.
Die Urteilseröffnung erfolgt, nach Ladung der solms-laubachischen Räte vom 18. Februar 1566, am 5. März im Namen aller Mitherren in Assenheim. Das Urteil erster Instanz wird kassiert und Bender unter der Voraussetzung, daß er schwört, Joseph nur noch 18 fl. schuldig zu sein, freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens soll Joseph tragen. Zur Begründung wird gesagt, daß vieles für den beklagten Christen spricht, da es bei den "juden nicht so gar seltzam [ist], das sie handtschrift hinder sich behalten und ob sie schon bezalt, leugknen". Auch ist ihnen "kein schelmerey zuviel, was sie gegen armen Christen furnemen mögen". Ferner hat Bender einen unparteiischen Zeugen beibringen können, während Joseph den Betrugsverdacht erhärtet hat, als er sich weigerte, die Richtigkeit seiner Forderungen zu beeiden. Letztlich steht in Benders Verschreibung nichts von Zinszahlung, und das ganze Schuldgeschäft ist der Obrigkeit nicht angezeigt worden. Der Widerspruch der hanauischen Vertreter gegen dieses Urteil wird abgelehnt, doch läßt man Joseph nach anfänglichem Bedenken die Möglichkeit einer Appellationsklage beim Reichskammergericht offen.
Am 11. März fordern die hanauischen Räte einen Prokurator zu Speyer auf, Josephs Vertretung zu übernehmen.
Am 20. Mai bittet Hartmann Bamberger (Pomberger) aus Assenheim in Hanau um die Erlaubnis, Josephs Haus kaufen zu dürfen, das er mit Raten von 100 fl. zu Ostern 1567 und je 75 fl. zu Ostern 1568 und 1569 bezahlen will.
Am 30. Mai 1566 zeigt Joseph den hanauischen Räten an, daß er sich nicht länger in Assenheim halten kann, weil ihm die Grafen von Solms und Isenburg alle Außenstände mit Arrest belegt haben. Als er deswegen nach Windecken ziehen wollte, haben ihn der solmsische und der isenburgische Keller gezwungen, seinen Hausrat von dem bereits umzugsfertigen Wagen wieder abzuladen
Als der hanauische Keller am 4. Juni berichtet, daß die beiden anderen Keller sich auf Befehl ihrer Herrschaft weigern, Josephs Habe freizugeben, beauftragen die hanauischen Räte am folgenden Tag ihren Prokurator in Speyer, diesen Klagepunkt in seine Einlassungen vor Gericht miteinzubeziehen.
Als Bender am 16. August in Speyer erklärt, es sei üblich, daß ein aus Assenheim in das Territorium eines Mitherren Ziehender eine Kaution zu stellen hat, wenn er zu diesem Zeitpunkt einen Reichskammergerichtsprozeß führt, bittet Joseph die Kanzlei Hanau am 4. September um ein Gegengutachten, das ihm noch am gleichen Tage zugestellt wird.
Am 3. März 1567 berichtet Joseph den hanauischen Räten, daß ihm Hartmann Bamberger vor acht Tagen in Windecken erklärt hat, daß er den Kauf von Josephs Haus rückgängig machen will. Als Joseph ihn an den Keller verwiesen hat, der ihm das Haus seinerzeit verkauft hat, hat Bamberger den Hausschlüssel in Assenheim Josephs Bruder Heyheim ins Haus geworfen. Joseph verweist darauf, daß er mit dem von ihm der Herrschaft Hanau übergebenen Haus nichts mehr zu schaffen hat.
Bamberger wird daraufhin zum 10. März vor die Hanauer Kanzlei geladen, bei der an diesem Tage auch der Amtmann von Staden eine Forderung gegen Joseph geltend macht, der seinem Schwiegersohn 1566 5 1/2 Fuder Wein für 26 Taler verkauft hat, die bereits mit Arrest belegt waren, so daß Stadens Schwiegersohn an die 100 fl. Schaden hatte. Er wird aufgefordert, seine Supplik schriftlich einzureichen und tut dies am 15. April.
Bezüglich des Hausverkaufs an Bamberger hat der Assenheimer Keller bereits am 26. März berichtet, daß Bamberger das Haus nicht übernehmen will, weil es bereits vor dem Verkauf in den von Solms und Isenburg über Josephs Habe verhängten Arrest einbezogen war. Bamberger wird am 12. Mai erneut zum 17. des Monats geladen.
Am 23. Juni bittet Heyheim (Heyum) zu Assenheim die hanauischen Räte um die Erlaubnis, sein Haus neben dem gemeinen Wirt gegen eines neben dem Keller tauschen zu dürfen, da er sich sonst nicht länger in Assenheim halten kann. In seiner derzeitigen Wohnung ist ihm "zum offtermhall grosser schadt zugefugt worden, in dem daß mir die fenster ausgeworffen undt meines armuts dharin, wen ettwan frembd reisigen zu Assenheim seindt, beraubt und darzu geschlagen werde", so daß er oft mit Weib und Kindern aus dem Haus fliehen mußte. Am 29. September bekennt Heyheim, daß er mit Feyen Henne das Haus getauscht hat, wofür Feyen Henne der Herrschaft Hanau 70 fl. zahlen soll, die jedoch Gnaden und "armuts halben" und, damit Heyheim seine "lebzucht auch gehaben möge", diesem zugestellt werden sollen. Heyheim quittiert den Erhalt dieser Summe und verspricht, an der neu ertauschten Behausung, die der Herrschaft Hanau ebenso untersteht wie die anderen Judenhäuser, kein Eigentumsrecht geltend zu machen.
Am 18. Oktober berichtet der hanauische Keller der Kanzlei, daß Bamberger Josephs Haus weder haben noch bezahlen will. Er hat die Schlüssel in die Stube geworfen, wo sie noch immer liegen. Dessenunerachtet hat er aber den Kellerraum an Josephs Sohn Lewe vermietet, der dort Wein gelagert, diesen vor einem Vierteljahr an Jacob Franck zu Assenheim verkauft und Franck die Kellernutzung bis Weihnachten gestattet hat. Franck lagert jetzt auch seinen von anderen erworbenen Wein dort.
Der Keller berichtet weiter, daß die alte Müllerin, die vor ein oder zwei Jahren vor der Kanzlei Hanau versprochen hat, einem Frankfurter Juden 61 fl. zu geben, jetzt die erste Rate von 28 fl. bezahlt hat. Der hanauische Keller hat den solmsischen Keller daran gehindert, dieses Geld nach Laubach zu bringen, sondern veranlaßt, daß es beim Greven hinterlegt wurde.
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