Irrungen wegen der Juden zu Assenheim
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Regest
Am 15. Juni 1562 klagen Bürgermeister und Rat zu Assenheim vor der Kanzlei Hanau, daß viele Bürger wegen der seit drei Jahren anhaltenden Mißernten bei den Juden zu Assenheim hoch verschuldet sind und unter dem übermäßigen Wucher leiden. Bei einem Treffen der Mitherren am 12. Januar 1563 wird beschlossen, die Judenschulden aufzuzeichnen und in vierzehn Tagen erneut darüber zu beraten. Die Forderungen des Juden Gottschaff an Jorg Benner sollen, wenn Gottschaff sie nicht fallen läßt, in Assenheim gerichtlich überprüft werden. Der hanauische Vertreter nimmt dies zum Bericht an die Herrschaft zur Kenntnis und gibt keine Stellungnahme ab.
Am 3. Juli bitten die Vertreter der Stadt darum, den Bürgern Zeit zur Bezahlung der Judenschulden zu geben, zu denen die teuren Zeiten sie genötigt haben.
Am 10. Januar 1563 weisen Räte und Befehlhaber zu Hanau Amtmann und Keller zu Windecken an, am 12. Januar beim Tag zu Assenheim dafür zu sorgen, daß die jüdischen Gläubiger die Bürger nicht über Gebühr bedrängen und strittige Fälle an die Hanauer Kanzlei verwiesen werden.
Am 3. Mai schickt Gräfin Agnes von Solms-Laubach dem hanauischen Mitvormund Graf Johann von Nassau eine am Vortage von Bürgermeister und Rat zu Assenheim übergebene Supplik, in der die Stadt klagt, daß die Juden seit der Aufzeichnung ihrer Außenstände durch solmsische und isenburgische Beamte sofortige Bezahlung verlangen, Wucherzinsen berechnen und mit Pfändung durch den Amtmann zu Windecken gedroht haben.
Am 28. Juni ergeht eine Ladung der hanauischen Vormünder an die Assenheimer Mitherren zum 15. Juli. Bei diesem Tag protestieren die hanauischen Vertreter dagegen, daß dem hanauischen Keller sein althergebrachtes Recht bestritten wird, Irrungen zwischen Bürgern und Juden zu schlichten und den Juden, die den Bürgern in Zeiten höchster Not das Geld zum Ankauf von Korn vorgestreckt haben, zu Pfändern zu verhelfen. Die Keller der Mitherren berufen sich auf entsprechende Weisungen ihrer Herrschaft, und der isenburgische Keller verlangt, daß bei künftig vorkommenden Irrungen zwischen Bürgern und Juden alle Keller gemeinsam entscheiden sollen.
Aufgrund von Beschwerden protestieren die hanauischen Vertreter auch dagegen, daß die Außenstände der Juden von Isenburg und Solms mit Arrest belegt worden sind. Die Vertreter der Mitherren entgegnen, daß sie auf Bitten von Rat und Gemeinde gehandelt haben, um zu verhindern, daß die Juden die Bürger mit Wucher und Zinseszinsforderungen beschweren. Sobald die Kanzlei Hanau die Juden anweist, sich an den in der Grafschaft üblichen Zinssatz zu halten, wird der Arrest aufgehoben. Die Juden erklären sich daraufhin mit einem Zinssatz von 1 Binger Heller pro Woche und Gulden einverstanden, und man vereinbart, daß der Windecker Amtmann demnächst nach Assenheim kommen und Bürger und Juden miteinander vergleichen soll.
Die Juden beklagen sich ferner, daß ihnen Graf Philipp von Hanau vor sechs oder sieben Jahren untersagt hat, die von Solms und Isenburg geforderte Türkensteuer zu bezahlen. Daraufhin haben ihnen die Diener der Mitherren Sachen im Wert von 50 fl. aus den Häusern geholt und erst vor einem Jahr noch etliche Zinnschüsseln abgenommen, ohne daß je eine Entschädigung dafür erfolgt wäre.
Die hanauischen Vertreter bemerken dazu, daß die Mitherren gerne in gleicher Weise über die Juden gebieten wollen wie die Grafen von Hanau.
Am 14. August beschließen die hanauischen Vormünder, die Mitherren aufzufordern, die Pfändung der jüdischen Außenstände aufzuheben oder, sofern sie die hanauischen Rechte an den Juden nicht anerkennen wollen, sich einem Schiedsgericht zu stellen. Als Schlichter schlägt Graf Johann von Nassau am 31. August den Viztum zu Aschaffenburg oder Quirin von Karben vor. Am gleichen Tag wird auf Fürsprache von Gräfin Helene von Hanau die von den Juden zu zahlende Steuer auf 400 fl. gemindert und wegen weiterer 400 fl. auf eine zu erwartende endgültige Entscheidung der Vormünder verwiesen.
Am 14. September verlangen die hanauischen Vormünder unter Berufung auf die Rechte der Grafen von Hanau an den Juden erneut die Aufhebung der Pfändung jüdischer Außenstände und versprechen dafür zu sorgen, daß den Schuldnern angemessene Zahlungsfristen eingeräumt werden. Andernfalls muß ein Schiedsgericht zusammentreten.
Am 2. Dezember 1564 protestieren die hanauischen Räte beim Tag zu Assenheim dagegen, daß die Keller der Mitherren einem zum Abzug entschlossenen Juden Zahlungsfristen zur Begleichung seiner Schulden gesetzt und einem Bürger dieser Schulden wegen das Haus gepfändet haben. (1) Sie betonen, daß die Juden Lehen der Grafen von Hanau sind und nur der hanauische Keller das Recht hat, sie mit Schuldnern und Gläubigern zu vergleichen.
Als sich am 17. Dezember 1566 die Assenheimer Bürger beim Tag der Mitherren wiederum über den Wucher beklagen, bestellt der Keller die Juden abends zu sich, um über eine Angleichung an den landesüblichen Zinssatz zu verhandeln. Gunduff hat Außenstände von 150 fl., die sich aus Einzelschulden von 3 bis 5 fl. zusammensetzen, zwei Schuldner haben allerdings 32 und 25 fl. zu zahlen. Wären diese Forderungen nicht von den Mitherren mit Arrest belegt, könnte Gunduff innerhalb von zwei Monaten sicherlich 50 fl. zurückbekommen, denn die Schuldner sind zahlungswillig. Dies wird vom hanauischen Keller bestätigt, vor dem einige Bürger erklärt haben, daß sie ihre Schulden nur aus Furcht vor den Mitherren, die die Bezahlung bei 20 Talern Strafe untersagt haben, nicht begleichen.
Hayms Außenstände belaufen sich auf 50 fl.
Joseph, der Fenstermacher, hat keine Forderungen, beklagt sich aber, daß man ihn mit den anderen Juden beschwert und ihm eine Gans aus dem Stall gestohlen hat.
Sein Bruder Jusche handelt mit Fleisch und hat aus diesem Handel noch 20 fl. zu bekommen, für die er keine Zinsen berechnet. Die Vorgenannten, die derzeit die ganze Assenheimer Judenschaft bilden, beklagen sich, daß die Keller der Mitherren den Bürgern verboten haben, den Juden am Sabbath Feuer zu machen und sonst zur Hand gehen. Von ihren Schuldnern verlangen sie die vereinbarten Zinsen, weil aus Assenheim abgezogenen Juden erst kürzlich von den Kellern der Mitherren bei Eintreibung ihrer Außenstände zum geforderten Zinssatz von 1 Schreckenberger pro Gulden verholfen worden ist.
Die hanauischen Vertreter erklären daraufhin den Kellern der Mitherren, daß die Juden nur Hanau allein etwas angehen und kündigen an, daß ein Beamter zur Schlichtung der anstehenden Irrungen entsandt werden soll. Die Vertreter der Mitherren beharren darauf, daß diese Irrungen von allen Assenheimer Kellern gemeinsam zu schlichten sind. i
Anschließend beraten die solmsischen und isenburgischen Räte, ob bei Erhebung der Türkensteuer von den Juden nur eine Vermögensabgabe oder, wie andernorts üblich, auch eine Kopfsteuer von 1 fl. gefordert werden soll. Die hanauischen Beamten protestieren dagegen, daß die Juden von den Mitherren besteuert werden sollen.
Am 30. August 1568 beklagt sich der Assenheimer Jude Goeßle, daß solmsische und isenburgische Diener ihm und den anderen Juden die Häuser verschlossen haben und sie seit einem Jahr hindern, darin zu wohnen. Alle hanauischen Vertröstungen sind bislang wirkungslos geblieben, und wenn Gößles Haus, das durch das lange Leerstehen bereits einen Schaden von 1 bis 6 fl. erlitten hat, nicht vor dem Winter wieder beziehbar ist, wird es so verkommen, daß 20 fl. nicht ausreichen werden, es wieder in Stand zu setzen. Goeßle betont, daß er selbst an die 100 fl. im Haus verbaut hat, und bittet um Unterstützung.
Am 19. Dezember 1569 erklärt der inzwischen nach Heuchelheim verzogene Goeßle (Jossele) auf die Aufforderung, nach Assenheim zurückzukehren, daß er Assenheim nicht freiwillig verlassen hat, sondern wie die anderen dortigen Juden dem Druck der solmsischen und isenburgischen Beamten in der Hoffnung gewichen ist, nach der Entscheidung des Reichskammergerichts über die Irrungen unter den Mitherren zurückkehren zu können. Inzwischen ist sein Haus zu Assenheim gänzlich verwüstet. Man hat die sechs Türen und drei Kammerfenster ausgehoben und Kachelöfen und Glasfenster zerschlagen, so daß sich dort während des Winters niemand aufhalten kann. Wird das Haus, dessen Wände zum Teil eingefallen sind, jedoch wieder hergerichtet, wozu Goeßle nicht im Stande ist, will er zu Ostern wieder einziehen. Darauf wird Goeßle gestattet, bis zum Frühjahr in Heuchelheim zu bleiben; er muß aber versprechen, zu Ostern nach Assenheim zurückzukehren und das Haus wieder herzurichten. Der Keller wird aufgefordert, sich nach dem Verbleib der Türen zu erkundigen.
Am 10. Januar 1570 wird beim Tag zu Assenheim unter anderem auch über die Rückkehr der Juden nach Assenheim und die Abnahme der Schlösser an ihren Häusern verhandelt.
Am 26. August berichtet der hanauische Keller Räten und Befehlhabern, daß die beiden leerstehenden Judenhäuser zu Assenheim sehr baufällig sind und "beginnen über ein hauffen zu fhallen”. Wenn das beim Rathaus stehende nicht bald abgerissen wird, könnte jemand Schaden nehmen. Der Jude, der das Haus früher bewohnt hat, hat, als er vor drei Monaten in Assenheim war, dem Keller, der ihn aufforderte, das Haus in Stand zu halten, "mit trotzigen worten" geantwortet, das Haus habe die Herrschaft zu unterhalten, der es gehöre. Dabei ist zu besorgen, daß Solms und Isenburg die Judenhäuser an sich ziehen, weil ihnen die Juden den Zins, den die anderen Bürger den Mitherren jährlich zum 15. August zahlen, nicht entrichten. Die Räte antworten dem Keller am 27. August, daß er das eine verfallene Judenhaus abbrechen lassen, das Holz in Verwahrung nehmen und berichten soll, wieviel es noch wert ist. Das andere Haus soll einem Bürger auf ein Jahr vermietet werden. Was den Zins angeht, so fordern die Räte einen Bericht darüber, wie lange keiner mehr gezahlt wurde und wie hoch er anzuschlagen ist.
Am 8. Oktober berichtet der Keller, daß das Holz aus dem Abbruchhaus kaum einen Wert hat und nur noch zum Verbrennen taugt. Einige Dachziegel hat er auf seinem Hof lagern lassen. Für das zweite Haus, das voraussichtlich noch während des kommenden Winters einstürzen wird, ist kein Mieter aufzutreiben. Der Zins des abgebrochenen Hauses belief sich auf jährlich 12 Denar und ist seit fünf Jahren nicht mehr gezahlt worden, vom anderen Haus wurden 3 Schilling erhoben, doch ist auch hier seit einem Jahr nicht mehr gezahlt worden.
Am 13. Oktober wird der Keller angewiesen, auch das zweite Haus noch vor dem Winter abzureißen und Holz und Ziegel von beiden Häusern zu verkaufen. Die rückständigen Zinsen soll er bei denen eintreiben, die sie schuldig geblieben sind.
Am 14. November berichtet der Keller zu Assenheim nach Hanau, daß ihm die Keller der Mitherren ein Schatzungsregister zur Erhebung der Türkensteuer vorgelegt haben, wonach die Bürger 266 fl. und die Juden 22 fl. zahlen sollen, wovon der sechzehnte Teil an die Herrschaft Hanau gehen soll.
Am 16. November wird der Keller angewiesen, den Juden, die Hanau allein unterstehen, jede Steuerzahlung an die Mitherren zu untersagen. Insgeheim soll er aber bei den Juden und ihren Ältesten Erkundigungen einziehen, ob sie bei früheren Schatzungen nicht doch ebenso wie andere Bürger an die Mitherren gezahlt haben.
Am 17. April 1574 berichtet der Keller nach Hanau, daß der isenburgische Keller zu Assenheim vorgeschlagen hat, für die von der Gemeinde geplante Badestube die ehemalige Judenhofstatt zu nehmen, vor der ein Brunnen ist. Die Stadt hat aber einen Anbau am Rathaus beschlossen.
Gegen die von Solms und Isenburg angekündigte Einbeziehung der Juden in die allgemeine Schatzungserhebung von den Assenheimer Bürgern hat der hanauische Keller protestiert und erklärt, daß, wenn die Juden je mit besteuert worden wären, dies zu Zeiten geschehen sei, als sie "gewalthatigerweis spoliert worden", und daß in dieser strittigen Sache noch ein Prozeß anhängig sei.
Weitere Angaben
1563 August 14 und 31; vgl. auch HStAMarburg, 86 Hanauer Nachträge Nr. 17250, HStAMarburg, 86 Hanauer Nachträge Nr. 25949, HStAMarburg, 86 Hanauer Nachträge Nr. 28554, HStAMarburg, 86 Hanauer Nachträge Nr. 19657, HStAMarburg, 86 Hanauer Nachträge Nr. 21111, HStAMarburg, 86 Hanauer Nachträge Nr. 21203 und Regest Nr. 1715
Archivangaben
Altsignatur
86 Hanauer Nachträge Nr. α 306, α 1839, α 1935
Arcinsys-ID
Archivkontext
Siehe auch
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„Irrungen wegen der Juden zu Assenheim“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/6436_irrungen-wegen-der-juden-zu-assenheim> (aufgerufen am 26.11.2025)
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