Entführung des Juden Lewe aus Laubenheim

HStAM 81 Hanauer Regierung Nr. B 1/90/4  
Laufzeit / Datum
[1555 Dezember 19] - 1556 nach September 20
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am Donnerstag nach dem 18. [Dezember 1555] 1#1555 Dezember 19. teilt der Jude Lewe (Leb) dem Rabbi Lazare [zu Frankfurt] mit, daß ihn etliche markgräfliche Reiter gefangen und drei Tage lang über Berge und durch Wälder geführt haben. Sie halten ihn jetzt "mit allen vieren ingeschraubt" und verlangen 1000 Taler Lösegeld, weil sie nach Frankfurt wollen und kein Zehrgeld haben. Lazare soll dafür sorgen, daß Lewes Frau Hebe eiligst Geld besorgt, da man droht, ihn ins Wasser zu werfen und zu ertränken. Lewe glaubt allerdings, daß 400 Taler genug sein werden, und bittet, das Geld an Lazarus in Babenhausen zu schicken. Der Bote, der es dort abholt, wird eine Kerbe im Brief liegen haben. Danach soll Lewe nach Ochsenburg "zum schuch" gebracht werden.
In einem zweiten Schreiben beklagt sich Lewe bei Rabbi Lazare (Leser) und Hebe (Heve), daß auf seinen ersten Brief keine Antwort erfolgt ist, und zeigt sich verwundert, daß Hebe, die, wie er gehört hat, in Frankfurt ist, so wenig zu seiner Befreiung tut. Er befindet sich noch immer am selben Ort, "mit ketten beschlossen an einem fuß und ein bandt umb mein leib und ein gar eisen halsbandt umb mein halß oben zu meinen heupten angeschmidt, das ich mich nit wenden kan". Damit er wenigstens sitzen kann, hat man jetzt das Halsschloß geöffnet.
Als Hebe ihm mitteilt, daß sie das Geld nicht aufbringen kann, antwortet Lewe ihr und dem Rabbi, daß 100 Taler nicht reichen. Er hat versucht, das Lösegeld auf 200 oder 300 Taler herabzuhandeln, ist aber gescheitert und bittet dringend, die nötigen 400 Taler zu besorgen. Er liegt noch immer in Eisen in völliger Dunkelheit und sieht niemanden, es sei denn, der Edelmann käme einmal zu ihm. Die markgräflichen Diener, die ihn gefangen haben, waren einmal bei ihm, haben das Lösegeld binnen vierzehn Tagen verlangt und gedroht, ihn andernfalls in den Main zu werfen. Er bittet, das Geld Lazarus in Babenhausen zuzustellen und erkundigt sich bei Rabbi Lazare, ob Hebe in Frankfurt ist.
Am 17. Januar 1556 teilt Pfalzgraf Johann Graf Philipp von Hanau mit, daß ihm Frau und Kinder seines Hintersassen Lewe zu Laubenheim berichtet haben, daß Lewe vor wenigen Tagen auf hanauischem Gebiet gefangengenommen und an einen unbekannten Ort entführt worden ist.
Am 31. Januar erbitten die mainzischen Räte zu Steinheim in Hanau Auskunft über die Gründe für die Verhaftung eines getauften Juden, der sich einige Zeit zu Weißkirchen aufgehalten hat, und eines gewissen Lepß Petgin, die man auf Wunsch der hanauischen Befehlhaber in Bürgel festgenommen hat. Die Räte antworten, daß beide vernommen werden sollen, weil sie mindestens viermal Briefe eines gefangenen Juden nach Frankfurt gebracht haben. Sie fügen Abschriften der abgefangenen Briefe, deren Herkunft man zu wissen wünscht, bei.
Am 21. Februar berichtet der Jude Mosche aus Gandersheim Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig, daß sein Vater Lewe (Liebe), den der Herzog "seiner oblegenden sachen und beschwerungen" halben an den Erzbischof von Mainz verwiesen hat, von diesem nach Steinheim geladen, auf dem Wege dorthin 2#Nach Mosches späterer Schilderung geschah der Überfall auf dem Rückweg von Steinheim. aber kurz vor Hanau trotz seines Geleits von reisigen Knechten gefangen und an einen unbekannten Ort verschleppt worden ist. Er erbittet und erhält am 22. Februar ein Interzessionsschreiben an Graf Philipp von Hanau. Dieser antwortet Herzog Heinrich am 5. März, daß Lewe in Steinheim war und dort vom Wirt gewarnt worden ist, sich vorzusehen. Er hat daher nicht den gewöhnlichen Weg benutzt, sondern sich nach Hanau gewandt und dort Geleit genommen, dies jedoch nicht in der gebührenden Weise getan, denn in der Regel wird der Geleitsschutz durch einen reisigen Knecht oder nach Gelegenheit auch durch einen geschworenen Boten gesichert.
Am 29. März mahnen Lewes Entführer bei Rabbi Lazare (Leser) in Frankfurt 50 Taler an, die Lewe ihnen zur Messe zugesagt hat. Das Geld soll bei Lazare von Jacob aus Friedberg abgeholt werden. Wenn Lewe nicht zahlt, wird es ihm unnachsichtig ans Leben gehen.
Am 12. Mai schickt Lewe Graf Philipp die Schreiben seiner Entführer an Rabbi Lazare, bittet, sie aufzubewahren und aus Mitleid mit ihm als einem "althem onvermuglichem gepeinigtem juden" dafür zu sorgen, daß er etwas von dem erpreßten Geld zurückbekommt.
Am 2. Juli beschweren sich Lewes Entführer bei ihm, daß er trotz seines im Gefängnis geschworenen Eides die 50 Taler nicht bezahlen will und dem Juden Jacob zu Friedberg geschrieben hat, daß er zuvor sein Pferd sowie Briefe und Petschaft zurückverlangt. Die Entführer schwören bei Christus, den "ir schandtschelmen schmelig getodt haben, doch uns Christen zu unser erlossung und euch meineidigen juden zu verdamnus", ihn, wenn er nicht an Jacob zahlt, binnen vierzehn Tagen in seinem Haus heimzusuchen und ihn zu lehren, meineidig zu werden. Sie wollen dann auch anderen Juden nach Gut und Leben trachten und denken wohl, einen Juden zu Worms zu fassen zu kriegen. Zahlt Lewe aber, wird er Briefe und Petschaft zurückbekommen; das Pferd soll er dagegen vergessen oder es sich in Frankreich wiederholen.
[Nach dem 20. September] 3#Ausf. o.D., vgl. aber Nr. 1441. berichtet der jetzt zu Gandersheim lebende Mosche aus Lorch Graf Philipp, daß er für seinen Schutzherrn Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig Briefe an den Erzbischof von Mainz besorgen sollte, die er ihm in Steinheim auch übergeben hat. Da er noch weitere Briefe an andere Orte zu bringen hatte, hat er seinen zu Laubenheim lebenden Vater Lewe gebeten, statt seiner in Steinheim auf die Antwortschreiben des Erzbischofs zu warten. Das hat dieser auch von Freitag bis Dienstag getan und dann auf Anraten des Wirts nicht den Weg jenseits des Mains, sondern die Straße über Hanau nach Frankfurt genommen, weil ruchbar geworden war, daß ihm etliche auflauern wollten. Lewe ist in Begleitung eines Boten nach Hanau gezogen und hat dort das übliche Geleitsgeld bezahlt. Auf halbem Weg nach Frankfurt sind dann aber vier Reiter, die sich im Rumpenheim hatten übersetzen lassen, über Lewe hergefallen und haben ihn "nach vilem schlagen und heftigem verwunden mit sich hinweggefurth". Mosche bittet darum, dafür zu sorgen, daß der Geleitsbruch geahndet und sein Vater unentgeltlich freigelassen wird.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

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„Entführung des Juden Lewe aus Laubenheim“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/6391_entfuehrung-des-juden-lewe-aus-laubenheim> (aufgerufen am 25.11.2025)

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