Die „Central-Kranken- und Begräbnißkasse für Frauen und Mädchen in Deutschland“
Ereignis
Was geschah
Nicht nur das von 1878 bis 1890 geltende Sozialistengesetz erschwerte der Sozialdemokratie nahestehenden Frauen politische Aktivitäten, Frauen durften seit 1850 keinen politischen Vereinen beitreten oder an politischen Versammlungen teilnehmen. Dennoch entstanden immer wieder lose Verbindungen etwa in Lesezirkeln oder geselligen Vereinen, die versuchten, das Verbot zu umgehen. Oft wurden die Vereine wieder verboten, wie etwa der „Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen“. Erst mit dem Vereinsgesetz von 1908 erhielten Frauen die Vereinsfreiheit und das Recht, politischen Parteien beizutreten.
1883 entstand in Offenbach die „Central-Kranken- und Begräbnißkasse für Frauen und Mädchen in Deutschland“, die ursprünglich als Begräbniskasse für die Frauen der Buchbinder gegründet worden war. Die Kasse entwickelte sich schnell zur ersten überregionalen Arbeiterinnenorganisation in Deutschland mit Niederlassungen in zahlreichen Orten. 1886 hatte die Kasse bereits 25.000 Mitglieder.
Nachdem die Buchbinder-Zeitung Ende 1885 ihr Erscheinen eingestellt hatte, erschien ab Januar 1886 die wöchentlich erscheinende Zeitschrift „Die Staatsbürgerin“ als Organ der Kasse. Als Herausgeberin fungierte die Frauenrechtlerin Gertrud Guillaume-Schack (1845–1903), gedruckt und verlegt wurde die „Staatsbürgerin“ von dem sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Carl Ulrich (1853–1933). Ziel war, eine „Zeitung für die Frau des Volkes“ zu schaffen und „für die Rechte der arbeitenden Frau einzutreten“.
Guillaume-Schack lebte seit 1885 in Offenbach, da das Großherzogtum Hessen als liberaler im Umgang mit dem Sozialistengesetz galt als ihr vorheriger Wirkungsort Berlin. Dennoch wurde im Juni 1886 die Zeitschrift verboten und Guillaume-Schack, die die Schweizer Staatsangehörigkeit besaß, aus dem Großherzogtum ausgewiesen. Sie emigrierte anschließend nach England. Die Kasse blieb weiter bestehen.
(StF)
Bezugsrahmen
Quellen
Vorschau
Nachweise
Literatur
- Hartwig Gebhardt, Ulla Wischermann (Hrsg.), Die Staatsbürgerin. Offenbach a.M. 1886, Originalgetreuer Nachdruck der ersten Arbeiterinnenzeitschrift Deutschlands, München 1988, S. 21-22, 29-37
- Volker Eichler, Sozialistische Arbeiterbewegung in Frankfurt am Main 1878–1895, Frankfurt am Main 1983, S. 157-159
Weiterführende Informationen
- [Auszug aus einem Artikel in der Deutschen Buchbinderzeitung vom 1. Dezember 1884 über das Angebot der „Zentral-Kranken- und Begräbniskasse für Frauen und Mädchen in Deutschland“; Bericht in der Frankfurter Zeitung vom 4. Mai 1885 über die erste Generalversammlung der „Central-Kranken- und Begräbnißkasse für Frauen und Mädchen“ in Frankfurt; Auszug aus dem Leitartikel der Zeitschrift „Die Staatsbürgerin. Organ für die Interessen der Arbeiterinnen und der Central-Kranken- und Begräbniß-Kasse für Frauen und Mädchen in Deutschland“ vom 24. Januar 1886 über die Bedeutung der Kranken- und Begräbniskasse; Bericht in der Fuldaer Zeitung vom 21. Juli 1886 über die Ausweisung Gertrud Guillaume-Schacks; Bericht im Berliner Volksblatt vom 20. Juli 1886 über die Ausweisung Gertrud Guillaume-Schacks]
- Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechts, 11.3.1850, § 8, Digitalisat (eingesehen am 18.6.2024)
- Wikisource: Vereinsgesetz, 19.4.1908 (eingesehen am 17.6.2024)
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Siehe auch
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Quellen und Materialien
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Rechtehinweise
Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Die „Central-Kranken- und Begräbnißkasse für Frauen und Mädchen in Deutschland“, 1883“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/7622_die-central-kranken-und-begraebnisskasse-fuer-frauen-und-maedchen-in-deutschland> (aufgerufen am 25.11.2025)
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