Karfreitagsputsch in Offenbach
Ereignis
Was geschah
Die kommunistische Partei Offenbach rief mit einem Flugblatt zu einer Kundgebung am Karfreitag, dem 18. April 1919, auf. Grund waren die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in der Stadt, für die der Volksrat, der aus dem Arbeiter- und Soldatenrat hervorgegangen war, verantwortlich gemacht wurde. Der Termin wurde auf den arbeitsfreien Feiertag gelegt, damit möglichst viele Menschen teilnehmen konnten.
Der Volksrat befürchtete Ausschreitungen und einen Putschversuch von Seiten der Kommunisten und forderte die Stadtbevölkerung auf, „Ruhe und Besonnenheit“ zu wahren. Noch in der Nacht auf den 18. April brachte er Akten in Sicherheit und verlegte seinen Sitz aus der Stadtkaserne in das Kreisamt. In der Kaserne aufbewahrte Munition wurde entschärft. Zudem wurde militärische Unterstützung aus Darmstadt angefordert.
An der Kundgebung auf dem Wilhelmsplatz nahmen mehrere tausend Menschen teil. Zu den Rednern gehörte auch der Initiator der Veranstaltung, Willy Eisenreich (1882–1941). Er forderte die Auflösung des Offenbacher Volksrats sowie dessen Neuwahl. Im Anschluss an seine Rede zog die Menschenmenge unter Eisenreichs Führung vom Wilhelmsplatz vor die Kaserne in der Bieberer Straße. Als die Menge begann, mit Gewalt in die Kaserne einzudringen, versuchte das Militär, die Demonstration aufzulösen, wobei die Situation eskalierte und die Soldaten schließlich mit Waffengewalt gegen die Demonstrierenden vorgingen. Es ist nicht geklärt, was die Ursache der Eskalation war, möglicherweise der Versuch einer Demonstrantin, ein Maschinengewehr der Soldaten zu ergreifen. Der Aufstand forderte mindestens 17 Menschenleben, 26 Personen wurden schwer verletzt.1
Eisenreich wurde verhaftet und zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Aufgrund einer psychischen Erkrankung erfolgte 1922 seine Unterbringung in der Landesheil- und Pflegeanstalt Gießen. Am 24. April 1941 wurde er unter den nationalsozialistischen Machthabern im Rahmen der „Aktion T4“ in den Gaskammern der Tötungsanstalt Hadamar ermordet.
(OV/KU/StF)
Bezugsrahmen
Nachweise
Fußnoten
- Die Angaben über die Opferzahlen schwanken. Greim führt 20 Tote auf. Vgl. Andreas Greim, Der Arbeiter- und Soldatenrat (Volksrat) der Stadt Offenbach am Main. Eine Dokumentensammlung zur Tätigkeit des Offenbacher Rates 1918/1919, Darmstadt 2018, Dok. 117, S. 131f. ↑
Literatur
- Andreas Greim, Der Arbeiter- und Soldatenrat (Volksrat) der Stadt Offenbach am Main. Eine Dokumentensammlung zur Tätigkeit des Offenbacher Rates 1918/1919, Darmstadt 2018
- Tobias Haren, Der Volksstaat Hessen 1918/1919. Hessens Weg zur Demokratie, Berlin 2003, S. 164
- Hans-Georg Ruppel/Otto Schlander, Offenbacher Regesten 1901–1989, Offenbach am Main 1990, S. 32
- Klaus Werner, Juden in Offenbach am Main 1918–1945, [Frankfurt am Main] 1992, S. 245
Weiterführende Informationen
- Hans-Peter Koller, Der Blutige Karfreitag von Offenbach. Vom Leben und Sterben des Willy Eisenreich, Offenbach 1997.
- Darmstädter Tagblatt Nr. 109 vom 19.4.1919, S. 2 (eingesehen am 28.3.2025)
- Fuldaer Zeitung Nr. 92 vom 22.4.1919 (eingesehen am 31.3.2025)
- Wikipedia: Karfreitagsputsch (eingesehen am 18.4.2016).
- Hompage der Stadt Offenbach am Main: 1919: 17 Tote bei Offenbacher Karfreitagsputsch (eingesehen am 31.3.2025).
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Siehe auch
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Personen
- Hessische Biografie: Kaul, Georg
- Hessische Biografie: Schnellbacher, Fritz
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Quellen und Materialien
Nachnutzung
Rechtehinweise
Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Karfreitagsputsch in Offenbach, 18. April 1919“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/2902_karfreitagsputsch-in-offenbach_karfreitagsputsch-in-offenbach> (aufgerufen am 25.11.2025)
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