Rücktritt der vier hessischen Universitätsrektoren
Ereignis
Was geschah
Nach der Verabschiedung des neuen Hochschulgesetzes durch den Hessischen Landtag treten die Rektoren der vier hessischen Hochschulen unter Protest zurück. Die in der Nacht in Wiesbaden während der letzten Lesung des neuen Universitätsgesetzes im Landtag ausharrenden Rektoren1 hatten am Montagnachmittag vier Stunden lang in der Wiesbadener Staatskanzlei mit Ministerpräsident Albert Osswald (1919–1996; SPD), Kultusminister Ludwig von Friedeburg (1924–2010; SPD) und dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Werner Best (1927–1993), über das geplante Universitätsgesetz verhandelt und bereits zuvor damit gedroht, bei unveränderter Annahme des Gesetzes zurückzutreten.
In der vorangegangenen Nacht von Dienstag, den 5. Mai, auf Mittwoch, den 6. Mai billigte das Landesparlament die umstrittene Vorlage mit den Stimmen der sozialdemokratischen Mehrheitsfraktion. Das Gesetz sieht vor, zwischen 30 und 45 Prozent der Stimmrechte in neu zu schaffenden Hochschulparlamenten, Fachbereichskonferenzen und sogenannten ständigen Ausschüssen an Vertreter der Studierendenschaft zu delegieren. Bislang exklusive Entscheidungsvorrechte der Ordinarien sollen damit in paritätisch besetzte Gremien verlagert werden. Ferner ist vorgesehen, den Professoren im Rahmen einer Umstrukturierung des Lehrkörpers die Hochschul-Assistenten als „Hochschuldozenten“ weitgehend gleichberechtigt gegenüber zu stellen. Besonders der letzte Punkt wird von der Professorenschaft als „unerhörtes Eingreifen“ des Staates in die bislang etablierte Form der Hochschulautonomie bewertet. Auch auf Seiten der Studierenden und Assistenten regt sich Widerstand – dort freilich, weil vielen die Gesetz gewordene politische Neuausrichtung hin zu einer verstärkten „Demokratisierung“ der Hochschule nicht weit genug geht.
(OV)
Bezugsrahmen
Nachweise
Fußnoten
- Walter Rüegg (1918–2015) von der Universität Frankfurt am Main, Paul Meimberg (1916–1978) von der Universität Gießen, Ekkehard Kaufmann (1923–2010) von der Universität Marburg und Max Guther (1909–1991) von der Technischen Hochschule in Darmstadt. ↑
Weiterführende Informationen
- DER SPIEGEL 7/1970, 9.2.1970, S.47-50: Hochschulen / Assistenten: Sprung gewagt (Stand: 6.5.2017)
- DER SPIEGEL 7/1970, 9.2.1970, S. 52-60: „Mehr Nachsicht mit den Professoren“: Spiegel-Gespräch mit dem Vorsitzenden der Bundes-Assistenten-Konferenz (BAK), Dr. Tilman Westphalen (Stand: 6.5.2017)
- DER SPIEGEL 20/1970, 11.5.1970, S. 122-124: Hessen/Universitätsgesetz: Im Irrgarten (Stand: 6.5.2017)
- DER SPIEGEL 29/1970, 13.7.1970, S. 68 f.: „Das ist die Abdankung der Demokratie“: Spiegel-Interview mit FU-Professor Richard Löwenthal (Stand: 6.5.2017)
Kalender
Siehe auch
Weitere Angebote in LAGIS
Personen
- Hessische Biografie: Best, Werner (SPD)
- Hessische Biografie: Friedeburg, Ludwig von
- Hessische Biografie: Guther, Max
- Hessische Biografie: Kaufmann, Ekkehard
- Hessische Biografie: Osswald, Albert
Quellen und Materialien
Nachnutzung
Rechtehinweise
Metadaten: Hessisches Institut für Landesgeschichte, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Rücktritt der vier hessischen Universitätsrektoren, 6. Mai 1970“, in: Hessen im 19. und 20. Jahrhundert <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/hessen-im-19-und-20-jahrhundert/alle-eintraege/1278_ruecktritt-der-vier-hessischen-universitaetsrektoren> (aufgerufen am 25.11.2025)
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