Ladung der Münzenberger Juden vor das Mainzer Gericht

HStAM 86 Hanauer Nachträge Nr. 5864  
Laufzeit / Datum
1549 April 10 - 1550 Mai 10
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 10. April 1549 läßt Erzbischof Sebastian von Mainz im Erzstift verkünden, daß alle Juden, ob männlich oder weiblich, gemäß der Reichstagsabschiede von Augsburg und Regensburg zur Unterscheidung von den Christen an Röcken oder Kappen offen und sichtbar gelbe Ringe zu tragen haben. Da sich die Juden bisher aber weder an dieses Gebot noch an das, wonach sie in der Karwoche in ihren Häusern bleiben sollen, gehalten, sondern in der Karwoche "viellerley gemeinschafft mit den Christen mit kauffen und verkauffen gepflegt haben", wird ihnen für den Fall künftiger Übertretungen eine Strafe von 60 fl. angedroht und eingeschärft, daß sie die Ringe "in zimlicher groß" tragen und während der Karwoche jeden Verkehr mit den Christen meiden sollen.
Beim Münzenberger Baurechnungstag am 2. und 3. Oktober verlangen die Bürger, daß die Juden ihre Zeichen tragen.
Am 28. Oktober übergibt ein von den Hanauer Räten und Befehlhabern mit der Ausarbeitung eines Gutachtens beauftragter Reichskammergerichtsprokurator der Kanzlei seine Stellungnahme zum Problem der von Mainz mit einer an die Juden zu Münzenberg ergangenen Ladung vor das Mainzer Gericht beanspruchten Jurisdiktionsgewalt über die Juden. Da die Juden nur dem Römischen Reich, nicht aber der Römischen Kirche undihren Bischöfen unterworfen sind, hat, nach seiner Auffassung, auch der Erzbischof zu Mainz die Jurisdiktionsgewalt nur über die unter seiner eigenen Obrigkeit gesessenen Juden. Allerdings gibt es Fälle, in denen die geistliche Obrigkeit Weisungsbefugnisse beanspruchen kann. Dazu gehört das Gebot, die Judenzeichen zu tragen und sich in der Karwoche in den Häusern zu halten. Wenn sich der mainzische Vicarius in spiritualibus dieserhalben jetzt an die Münzenberger Juden gewandt hat, so steht zu vermuten, daß die hanauische Regierung in diesen Punkten "laß gewesen" ist. Man hätte das Mainzer Eingreifen vermeiden können und sollen, indem man sich "der gebuer erzeigt und die Juden darzu gehalten", wie es die Reichsabschiede fordern.
Der Prokurator schlägt vor, den Mainzer Vikar mit Hinweis auf die Hanau allein zustehende Jurisdiktionsgewalt über die Juden aufzufordern, auf den Prozeß gegen die Juden zu Münzenberg zu verzichten, ihm aber zugleich zuzusichern, daß die Gebote über das Tragen der Zeichen und die Achtung der Karwoche künftig besser beachtet und Übertretungen bestraft werden sollen.
In diesem Sinne schreiben die hanauischen Vormünder am 31. Oktober an den Mainzer Vikar, protestieren gegen die an die Münzenberger Juden zum kommenden Montag [November 4] ergangene Ladung vor das Mainzer Gericht, kündigen aber eine strengere Überwachung der Juden an.
Der Vikar antwortet zwar am 31. März 1550, daß er das Verfahren einstellen will, lädt aber am 18. April die "perfidos iudeos" Martge, Isaac und Salomon mit ihren Frauen, die Witwe Hester, David den Alten, den Lehrer und alle anderen Münzenberger Juden zum 9. Mai abermals vor das Mainzer Gericht und droht ihnen im Falle ihres Ausbleibens mit dem Ausschluß aus der Synagoge.
Darauf weisen die Hanauer Räte den Münzenberger Keller am 5. Mai an, dafür zu sorgen, daß die Juden unbehelligt bleiben, und zu verhindern, daß der Pfarrer oder ein anderer aufgrund der mainzischen Drohungen gegen sie vorgeht. Am 7. Mai beschweren sie sich in Mainz über die Ladung, worauf der Vikar am 10. Mai antwortet, daß er sich zu diesem Schritt genötigt gesehen hat, weil sein Schreiben vom 31. März unbeantwortet von der Hanauer Kanzlei zurückgewiesen wurde. Er hat aber inzwischen den angesetzten Gerichtstermin auf den 13. Juni vertagt, damit vorher festgestellt werden kann, wie sich die Münzenberger Juden während des Fronleichnamsfestes verhalten, wenn das Sakrament getragen wird. Sollten sie dabei gegen die kirchliche Ordnung verstoßen, wird man gegen sie vorgehen.

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Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

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„Ladung der Münzenberger Juden vor das Mainzer Gericht“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/6376_ladung-der-muenzenberger-juden-vor-das-mainzer-gericht> (aufgerufen am 27.11.2025)

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