Forderungen des Kellers zu Brandenstein an den Juden Samuel zu Dampfach

HStAM 86 Hanauer Nachträge Nr. 19591  
Laufzeit / Datum
1595 September 27 - 1596 April 30/Mai 10
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Am 27. September 1595 [n.St.] teilt der Zentgraf zu Donnersdorf dem hanauischen Keller zu Brandenstein mit, daß die Fahndung nach dem Juden Samuel aus Dampfach bislang vergeblich gewesen ist, dieser sich aber "viel hierumb und sonderlichen bey mir zols halben sehen lest" und der Landknecht Weisung hat, ihn bei erster Gelegenheit zu verhaften.
Am 30. September [n.St.] fordert der Zentgraf den Keller auf, zu kommen und sich mit dem am Vortage festgenommenen Juden auseinanderzusetzen, der sich über Klage und Forderung des Kellers "höchlich entsetzt und beschwert" hat und jede Schuld bestreitet.
Am 4. November läßt der Amtmann auf Zabelstein den Keller wissen, daß alle Nachforschungen nach dem aus der Haft entwichenen "verflucht jüd" vergeblich waren. Auf sein Drängen hin haben sich jedoch einige Juden, die dem Entflohenen "befreund sein", bereit erklärt, die Hälfte der vom Keller geforderten Summe zu bezahlen. Der Amtmann meint, daß "ein halb ay besser ist, als eine leere schalen" und rät zum Vergleich, da niemand weiß, wo Samuel, der ohnehin nur fünf kleine Kinder und sonst nichts besitzt, sich aufhält.
Am 31. Dezember berichtet der Keller Graf Philipp Ludwig von Hanau, daß er vor einem Jahr vier Mastochsen, die ihm im Futter zu teuer wurden, des Kriegsvolkes wegen aber nicht verkäuflich waren und für die bei der Hanauer Hofhaltung kein Bedarf bestand, einem unter Diez von Erthal gesessenen Juden für 108 fl. verkauft und die Zusage erhalten hat, daß die Bezahlung binnen acht Tagen erfolgen sollte. Da der Jude die Ochsen sogleich auf Frankfurt zu getrieben hat, hat er ihm einen Boten mitgegeben, der das Geld entgegennehmen sollte, von dem Juden aber in Gelnhausen mit der abermaligen Zusicherung fristgerechter Zahlung zurückgeschickt worden ist. Der Jude ist jedoch nicht wieder erschienen, und als der Keller zu ihm geschickt hat, mußte er erfahren, daß er mit Weib und Kind davongezogen war. Er hat daraufhin Nachforschungen anstellen lassen, die ihn 24 fl. gekostet haben, und schließlich erfahren, daß sich der Gesuchte häufig in Donnersdorf im Stift Würzburg aufhalten soll. Auf sein Bitten hin ist der Jude dann vom dortigen Zentgrafen verhaftet, aber noch vor Eintreffen des Kellers aus dem Gefängnis entlassen und in ein Wirtshaus gebracht worden. Dort hat man ihn offenbar nur unzulänglich bewacht und lediglich mit einer Kette an einen Kreuztisch gefesselt, so daß ihm die Flucht gelungen ist, und der Keller ihn in Donnersdorf nicht mehr angetroffen hat. Da der Zentgraf durch seine Nachlässigkeit die Flucht verschuldet hat und es ohnehin "ein seltzames und bedenckliches ansehen hat", daß er von dem Entflohenen einen silbernen Becher und eine silberne Flasche bekommen hat, verlangt der Keller, daß der Zentgraf ihm den Schaden ersetzen soll. Er hat sich deswegen bereits an den Bischof zu Würzburg gewandt, der ihm mitgeteilt hat, daß er den Zentgrafen und den Amtmann auf Zabelstein zum Bericht auffordern wird
Am 2. Februar 1596 erbittet der Keller von den hanauischen Räten ein Interzessionsschreiben an den Bischof von Würzburg, was diese am 28. Februar auch abfassen.
Am 28. März [n.St.] berichtet der Zentgraf von Donnersdorf nach Würzburg, daß er fürchten mußte, der Jude werde ihm im Gefängnis sterben, und ihn deswegen hat ins Wirtshaus bringen lassen, wo er zwei Nächte geblieben ist. Erst in der dritten Nacht, als der wachthabende Landknecht sich mit zwei weiteren vom Zentgrafen bestellten Wächtern gestritten, diese fortgeschickt und sich dann so betrunken hat, daß er eingeschlafen ist, ist dem Gefangenen die Flucht gelungen. Schuld trägt mithin eindeutig der Landknecht, der dafür mit Gefängnis bestraft und danach aus dem Dienst entlassen worden ist. Den Bestechungsvorwurf weist der Zentgraf entschieden zurück. Zwar hat er Becher und Flasche dem Gefangenen abgenommen, sie aber später dem Amtmann geschickt, der sie einem Juden aus Lülsfeld, der die Haftkosten des Entflohenen übernommen hatte, ausgehändigt hat. Der Zentgraf fügt hinzu, daß der verhaftete Jude ihm seinerzeit erklärt hat, er habe dem Keller zu Brandenstein das Geld für die Ochsen angeboten, doch habe dieser die Annahme verweigert, weil "die summa nit beysamen gewesen", desgleichen habe er ein schönes junges Pferd abgelehnt, "alß einer, der nit bezalt hat sein wöllen". Von einem späteren Vergleichsvorschlag der Juden an den Keller weiß der Zentgraf nichts.
Am gleichen Tag wie der Zentgraf schickt auch der Amtmann auf Zabelstein seinen Bericht nach Würzburg. Er bestätigt die Angaben des Zentgrafen im Wesentlichen und erklärt, der Gefangene habe sich "etwas schwach, wie es dan der schein und leibsgestalt gegeben, erzeigt". Bei den Silberstücken handelt es sich um einen Becher von 8 fl. Wert und ein hölzernes Fläschchen, das mit falschem Silber beschlagen und höchstens 4 fl. wert ist. Beides hat Joseph aus Lülsfeld bekommen.
Diese Berichte schickt der Bischof von Würzburg am 2. April [n.St.] nach Hanau und läßt wissen, daß das Verschulden für die Flucht des Juden bei dem Landknecht liegt, der bereits bestraft worden ist. Der Keller soll sich mit seinen Forderungen an den Juden und gegebenenfalls an den Landknecht halten.
Dies lehnt der Keller in einem Schreiben an die hanauischen Räte vom 18. April mit Nachdruck ab. Er wirft dem Zentgrafen vor, daß er den Juden allzu leichtgläubig aus dem Gefängnis entlassen und dann für seinen Aufenthalt im Wirtshaus weder die übliche Bürgschaft verlangt noch dafür gesorgt hat, daß der Gefangene mit der um seinen Leib geschlungenen Kette ordentlich angeschmiedet wurde. Diese hat man vielmehr nur an einem Riegel des Kreuztisches befestigt, den der Gefangene dann nachts zerlegt und sich so befreit hat. Die Sache mit den Bechern erscheint ihm nach wie vor bedenklich, zumal der Zentgraf sich wegen der Haftkosten, deren Bezahlung ihm vom Keller zugesichert worden war, zusätzlich mit der Pfändung von 12 fl. hätte absichern können, die ein Bauer des Amtes Zabelstein dem Juden für ein Pferd schuldig war. Im übrigen bestreitet der Keller, daß der Jude ihm je Geld geboten hat und erklärt, daß er ihm mit dem Pferd lediglich einen von dem Ochsenverkauf unabhängigen und vom Keller abgelehnten Tausch vorgeschlagen hat.
Am 30. April bittet der Keller die Räte noch einmal um ein Interzessionsschreiben nach Würzburg.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Forderungen des Kellers zu Brandenstein an den Juden Samuel zu Dampfach“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/5993_forderungen-des-kellers-zu-brandenstein-an-den-juden-samuel-zu-dampfach> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/qjg/5993