Zollvergehen zu Eisenach
Stückangaben
Regest
Am 31. Mai 1595 teilt der Landvogt an der Werra dem Amtmann zu Eisenach mit, daß er in der Irrung zwischen dem Eschweger Bürger Hans Berge und zwei Juden aus Gerbershausen und Wanfried wegen zu Eisenach beschlagnahmter Tiegel nicht zu einem Urteil kommen kann, da die Aussagen der Parteien sich widersprechen. Er bittet um Auskunft über den Vorfall.
Daraufhin wird ihm am 2. Juni eine Abschrift des vom Eisenacher Amtsschreiber am 4. April erstatteten Berichts zugesandt. Demnach hat Hans Berge am 2. April am Geleitsfenster zu Eisenach um Zollzeichen gebeten und erklärt, daß er keine Waren mit sich führt und sein Wagen nur von zwei Juden begleitet wird. Als er dann beim Torwart das ihm mitgegebene Zeichen mit zwei Rädern für leere Karren vorgelegt hat, gleichzeitig aber bekennen mußte, daß er Tiegel geladen hatte, hat der Torwart ihn abgewiesen und das Zeichen mit drei Rädern für den vollen Wagen verlangt. Da Berge offenbar ein schlechtes Gewissen hatte, hat er den Juden zurückgeschickt, um ein neues Zeichen zu holen. Als dieser aber dem Amtsschreiber alle Angaben über die Ware verweigerte und erklärte, das sei Sache des Fuhrmanns, ist der Wagen, auf dem sich etwa vier Zentner und etliche Pfund eherner Tiegel befanden, wegen Betrugsverdachts beschlagnahmt und auch nicht herausgegeben worden, als Berge beteuert hat, die Tiegel seien sein Eigentum, für das er Zoll und Zollstrafe erlegen wollte. Schließlich hat er die Wahrheit gestanden und bekannt, daß die Tiegel den Juden gehörten und für 4 Taler nach Kleinbardorf in Franken gebracht und dort von anderen Juden übernommen werden sollten. Die Juden Kiffert und Abraham haben diese Angaben bestätigt, und Kiffert hat seine erste gegenteilige Aussage mit seinem Erschrekken entschuldigt. In einem beim Abladen der Ware gefundenen Verzeichnis waren folgende Posten mit hebräischen Zeichen versehen und als Eigentum der Juden gekennzeichnet: Vierzig große, sechzehn mittlere und zwanzig kleine Tiegel, ein kleines Tiegelchen, ein alter mittlerer Tiegel, zwei alte mittelmäßige eiserne Töpfe, ein alter zweiröhriger Leuchter. Berge selbst gehörten nur acht Tiegel.
Am 19. Juli läßt der Amtmann zu Eisenach den Landvogt wissen, daß die Tiegel weiter beschlagnahmt bleiben.
Am 26. Juli berichtet Hans Berge den Kasseler Räten, daß die Wanfrieder Juden Abraham und Isaac bei seinem Vater Tiegel gekauft und bis auf 7 Taler bezahlt haben. Sie haben sich verpflichtet, bei dem vereinbarten Transport der Ware nach Franken die Zollzahlung zu übernehmen, und Isaac hat seinen Sohn Kiffert (Kibhard), der den Wagen zusammen mit Abraham begleiten sollte, ausdrücklich ermahnt, den Zoll auch zu entrichten. In Treffurt hat Abraham die Zollzeichen gelöst; da er aber in Eisenach noch bei einem Kürschner zu tun hatte, hat er Kiffert zusammen mit Berge zum Zollschreiber geschickt, wo Kiffert zwei Judenzeichen gelöst und Berge seine Ware als Tiegel deklariert hat. Darauf hat er ein Zeichen für 6 Heller bekommen, das aber vom Zöllner am Tor verworfen worden ist. Berge und Kiffert haben deshalb Abraham bei dem Kürschner aufgesucht und dieser hat Kiffert einen Fürstengroschen gegeben und beauftragt, das richtige Zeichen zu holen. Als er dabei jedoch, wie der Oberamtmann später sagte, dreimal behauptet hat, keine Waren bei sich zu führen, ist der ganze Wagen beschlagnahmt worden. Berge und seine Begleiter wurden in einer Herberge festgehalten und Berge mußte sich für die Juden verbürgen. Diese verlangen jetzt 50 Taler Schadenersatz und behaupten, Berge habe die Waren beim Zoll nicht angegeben, obwohl doch Kiffert daneben gestanden hat, als die Tiegel deklariert wurden und die Beschlagnahme allein auf sein eigenes Leugnen zurückzuführen ist. Berge bittet um eine gerichtliche Untersuchung und die Vorladung von Abraham und Isaac, da Kiffert von seinem Vater in fremde Lande geschickt worden ist und nicht vernommen werden kann.
Am 15. August berichtet der Landvogt an der Werra nach Kassel, daß er aufgrund des Berichts aus Eisenach Berge verurteilt hat, den Juden bis Bartholomäi 50 Taler zu bezahlen, obwohl diese ihrerseits 53 fl. für die Tiegel gezahlt und noch für 3 Taler alte Waren auf dem beschlagnahmten Wagen hatten, ihre sonstigen Kosten von 5 Talern gar nicht gerechnet.
Berges Klage scheint dem Landvogt unverständlich, da er seine Schuld vor ihm zugegeben hat und es üblich ist, daß die Fuhrleute sich vertraglich zur Zollzahlung verpflichten. Wenn Abraham in Treffurt gezahlt hat, so war das wohl als Abschlag auf das noch für die Tiegel schuldige Geld zu verstehen. Zudem hatte Berge eigene Ware auf dem Karren, die die Juden unbilligerweise hätten mitverzollen müssen, wären sie die Zahlungspflichtigen gewesen. Schließlich hat Isaac nach eigener Aussage nicht Kiffert, sondern Berge zur Korrektheit ermahnt, und es bleibt unerklärlich, warum Kiffert beim ersten Mal nur die Judenzeichen gelöst und die Zollzahlung Berge überlassen hat, obwohl er doch leicht beides hätte erledigen können, wäre es seine Aufgabe gewesen.
Am 15. Februar 1596 schildert der Eschweger Gerichtsschöffe Zacharias Berge der juristischen Fakultät zu Marburg den Streit, in den sein Sohn Hans verwickelt ist, und versichert, daß die Juden die Zollzahlung übernommen hatten und dieser Verpflichtung in Wanfried und Treffurt auch nachgekommen sind. In Eisenach war Abraham, der einem Säckler Felle verkaufen wollte, verhindert und hat Hans Berge und Kiffert zum Zollschreiber geschickt, der Berge mißverstanden, statt der Warenangabe Tiegel offenbar Dielen gehört und ein falsches Zollzeichen ausgestellt hat. Zacharias Berge protestiert gegen das von Landvogt und Schultheiß zu Eschwege gefällte Urteil, das ihn zum vollen Schadensersatz verpflichtet, und erklärt sich allenfalls bereit, die Hälfte zu übernehmen. Er fügt die von einem Notar protokollierte Aussage eines Zeugen bei, wonach Isaac zu seinem Sohn gesagt hat: "Kifart, waß du thust, so laß dir ein geringes nicht zue lieb sein undt verrichte den zoll".
Die Marburger Juristen bestätigen Berge noch am gleichen Tage, daß die Juden den Schaden zu tragen haben, setzen allerdings voraus, daß er seine Angaben beweisen kann.
Am 28. Februar beschwert sich Zacharias Berge in Kassel, daß er von der Obrigkeit gedrängt wird, dem Wanfrieder Juden Isaac, der doch ein "verwaister man" und ohne Schutz ist, den Schaden zu ersetzen, und bittet um die Freilassung seines Sohnes, den der Schultheiß inhaftiert hat, um die Zahlung zu erzwingen. Er wird auf das Urteil des Landvogts verwiesen und aufgefordert, sich mit den Juden zu einigen.
Als Berge am 27. März Landgraf Moritz bittet, ihm zu seinem Recht zu verhelfen, wird eine neue Verhandlung anberaumt, und am 18. Mai entscheiden die Kasseler Räte, daß offenbar beide Parteien nicht schuldlos an den Vorgängen von Eisenach sind. Daher soll Berge nicht die ihm durch Urteil des Landvogts abverlangten 50, sondern nur 30 Taler zahlen und Isaac auf die restlichen 20 Taler verzichten.
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„Zollvergehen zu Eisenach“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/5982_zollvergehen-zu-eisenach> (aufgerufen am 25.11.2025)
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