Judenherberge zu Falkenberg
Stückangaben
Regest
Am 16. Januar 1784 berichtet der Amtmann zu Falkenberg, dass es Gerüchte gebe, wonach der dortige Schutzjude Manus Wolf, der von der örtlichen Judenschaft beauftragt sei, arme fremde Juden zu beherbergen, offtermahlen allerley verdächtiges Judengesindel aufnähme und auch ohne dazu von den hiesigen Schutzjuden erhaltene Plätten oder Zeichen einige Tage, auch wohl länger, herbergete und ihnen Aufenthalt gestattete. Er ist deshalb bereits vor einigen Monaten vorgeladen worden, und ihm das Beherbergen fremder Juden, die nicht vorher ihre Pässe dem Judicio vorgezeigt und zur Nachtherberge Erlaubnis, auch von den Schutzjuden allhier dazu Plätten bekommen hätten, alles Ernstes und bey willkühriger Gefängnisstrafe inhibiret worden. Da Wolf verdächtigt wurde, sich nicht an dies Gebot zu halten, wurde seine Wohnung morgens früh um 4.00 Uhr visitiert und die Pässe von drei dort angetroffenen fremden Juden eingezogen. Abraham Samuel hatte für sich nebst Frau und Tochter einen am 22. Januar 1783 in der kurpfälzischen Oberamtsstadt Mosbach ausgestellten Pass, Scholum Salomon und seine Frau aus Dessau besaßen einen im März 1783 in der Reichsstadt Mühlhausen ausgestellten Pass und der Pass des David Isaac aus Oberlistingen war am 26. Juli 1782 in Breuna ausgestellt worden. Vorgeladen erklärten die beiden ersten, sie hätten keinerlei Geschäfte, sondern seien arm und müssten sich von Almosen nähren, worauf sie ihre Pässe zurück erhielten und des Landes verwiesen wurden. David Isaac aus Oberlistingen hatte ein jüdisch Zehn-Gebott zu Raboldshaußen gehohlt und war damit auf dem Rückweg nach Oberlistingen begriffen. Er erhielt seinen Pass mit der Weisung zurück, sich sofort auf seinen Heimatort zu begeben.
Befragt, warum er die Juden beherbergt habe, ohne wie befohlen die vorherige Amtserlaubnis einzuholen, erklärte Manus Wolf, sie seien spät abends bei ihm eingetroffen, und da er ihre Pässe für gültig erachtet habe, habe er keine Bedenken gehabt, sie zu beherbergen. Bei einer zweiten Hausdurchsuchung wurde zwar niemand mehr angetroffen, doch weigerte sich Wolf zunächst, eine verschlossene Kammer durchsuchen zu lassen und erklärte, darin befänden sich seine Frau und sein Kind. Als die Kammer dann von Manus Levi (!) geöffnet wurde, fand man darin neben seinem Bett noch ein zweites Bett, in dem sein Mädchen und eine fremde Frau lagen. Befragt, wer sie wäre, sagte der Manus Wolf in etwas bestürzt, das sei seine Magd und es werde ihm doch wohl erlaubt sein, eine Magd zu halten. Daraufhin wurde die Frau aufs Amt gebracht und erklärte, zur Person befragt, sie heiße Eddel und sei die eheliche Tochter des Schutzjuden Nathan zu Holzminden. Sie sei 16 Jahre alt und hätte sich, da ihr Vater verstorben sei, mit Dienen durchbringen wollen. Im vorigen Sommer hätte sie bei dem Juden Wolf in Gudensberg ein Jahr lang gedient. Als sie im Herbst krank geworden sei, habe sie den dortigen Dienst verlassen und sei zu dem ihr verwandten Manus Wolf gegangen, wo sie sich seit Michaeli aufhalte. Vor 14 Tagen hätte sie in Gudensberg ihre zurückgelassenen Kleider geholt und sei zu Wolf zurückgekehrt. Während ihres Aufenthaltes in Falkenberg habe sie einen Teil ihrer Kleider verkauft, um sich zu ernähren, da sie sonst nichts habe verdienen können. Zwar habe sie sich in der Zwischenzeit mit einem aus der Gegend von Frankfurt stammenden und mit Waren handelnden Judenburschen verlobt, diesen aber auf Zureden ihrer Verwandten wieder verlassen und er sie auch. Sobald sie wieder gesund wäre und die Witterung besser, wolle sie sich einen neuen Dienstherren suchen. Sie wird daraufhin entlassen mit der Weisung sich sofort wegzubegeben. Andernfalls werde man gegen sie nach der Vagabundenordnung verfahren.
Zur Rede gestellt, warum er abermals gegen die Auflagen verstoßen und die Frau beherbergt habe, erklärt Wolf er habe sie, da sie mit seiner Frau verwandt und kränklich sei, im Herbst aus Freundschafft und Mitleiden aufgenommen. Schließlich könne er sich eine Magd nehmen woher er wolle und habe auch keine Bedenken gehabt, zumal sie schon vorher in Gudensberg und davor in der Nähe von Fritzlar gedient habe und ihr niemand etwas Unrechtes nachgesagt habe. Deshalb bittet er, ihn nicht zu bestrafen.
Wegen Verstoßes gegen die Vagabundenordnung wird Wolf daraufhin mit 2 Cfl. bestraft, die er seines Unvermögens halber, wenn er sie nicht bar erlegen kann, mit achttägiger Arbeit für die Herrschaft ableisten kann. Bei künftigen Verstößen, wenn er nicht die Pässe der Fremden beim Amt abliefert und diese länger als eine Nacht beherbergt, droht eine Gefängnisstrafe und die Schließung der Judenherberge in Falkenberg, da schon in der Nachbarschft herum verschiedene Diebstähle von Juden ausgeübt worden sind. Judicat Rotenburg den 30. Jan. 1784. Publ. Falckenberg den 6ten Febr. 1784 dem Manus Wolff dahier. Hüpeden.
Weitere Angaben
Laut Randvermerk soll Wolf die Untersuchungskosten ebenfalls tragen.
Archivangaben
Altsignatur
Unverzeichnete Nachträge Paket 23 (54)
Arcinsys-ID
Archivkontext
Nachweise
Edition
Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Marburg / Nachträge von Uta Löwenstein (ungedruckt), Nr. NL 725.
Siehe auch
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Quellen und Materialien
Nachnutzung
Rechtehinweise
Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Judenherberge zu Falkenberg“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/14768_judenherberge-zu-falkenberg> (aufgerufen am 25.11.2025)
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