Anlässlich der Kasseler Landesvisitation erfolgte Befragung wegen der Juden in der Quart

HStAM 70 Hessen-Rotenburgische Hofkanzlei Nr. 602  
Laufzeit / Datum
1746 Februar 21 - März 28
Bearbeitung
Uta Löwenstein

Stückangaben

Regest

Bei der von Hessen-Kassel 1746 durchgeführten Landesvisitation in der hessen-rheinfelsischen Quart wurden Amtleute und Schultheiße auch nach den Juden befragt und zwar unter:
Punkt 43 – ob die Verordnungen wegen der Juden, insbesondere die vom 6./27. März 1735 überall befolgt würden und worin etwaige Verstöße gegen dieselben bestünden
Punkt 44: ob und wieviele Juden in Stadt und Amt ohne Schutz geduldet wurden und wie lange.
Punkt 44: ob die Juden neben den landesherrlichen Schutzbriefen noch besondere Aufnahmebriefe erhielten, von wem sie erteilt würden und
Punkt 45: was dafür zu bezahlen sei.
Punkt 46: was jeder Jude überhaupt abzuführen und zu bezahlen habe
Punkt 47: wieviele Juden in Stadt und Amt lebten, welche Geschäfte sie betrieben und welche eventuellen Beschwerden die christlichen Untertanen gegen sie vorzubringen hätten.
Am 21. Februar erklärt der Amtmann zu Bovenden:
Punkt 43: Der Judenordnung wird nachgelebet und weiß von keiner Contravention.
Punkt 44: Ihm sei nicht bekannt, dass ein Jude ohne Schutz geduldet werde, ausgenommen Jacob Jeremias und Schmoll Moses, die aber bereits ihre Aufnahmebriefe haben, um Schutz nachgesucht und Toleranzscheine vorgelegt haben.
Punkt 45: Jeder Jude muss außer dem Schutzbrief auch noch einen Aufnahmebrief von der hessen-rotenburgischen Landesherrschaft haben, was aber dafür und wohin zu zahlen ist, weiß der Amtmann nicht.
Punkt 46: An hiesiges Amt muß ein jeder Jude jährlich das in dem Aufnahmebrief gesetzte Schutz- und Federlappengeld geben.
Punkt 47: Juden befinden sich hier nur in Bovenden, und sind deren 14. Dieselben treiben Handel mit allerhand Waaren, Pferden, Rindvieh, theils schlachten auch.
Am 25. Februar antwortet der Samtamtmann Schwanenflügel zu Witmarshof auf Frage 43, es gäbe keine Juden im Amt.
Am 1. März erklären Bürgermeister und Rat zu Witzenhausen:
Punkt 43: Es wird kein Jude ohne landesherrlichen Schutz geduldet.
Punkt 44: wie Punkt 43
Punkt 45 - 46: Das weiß der Amtmann, dem deshalb die Beantwortung überlassen wird.
47: Der Handel wird mit Waaren und Vieh getrieben. Insbesondere zeigen Bürgermeister und Rat an, daß der in Schutz gewesenen Juden Söhne ihren aparten Handel treiben, darauf zum Theil Contribution gesetzt bekommen, in Stadt und auf den Dorffern hausiren gehen, auf den Jahrmärckten nebst andern vielen frembten Juden die Stände einnähmen, so dass christliche Händler nichts mehr erkösen könnten und die Märkte in Abgang kämen, was wohl aufhören würde, wenn nur die Schutzjuden selbst Handel treiben dürften.
Stadtschultheiß Laubinger zu Eschwege antwortet am 5. März unter
Punkt 43: Er habe keine Juden unter seiner Jurisdiction in personalibus, indem diese das Amt an sich gezogen, aber wird auf dem Rathause darauf in Streittsachen gesprochen. Nur will ihnen nicht in den Kopff, daß sie auf unsere Sontage nicht ausreisen sollen und plagen ein deßwegen genug im Hause um einen Passierzetteln.
Punkt 44 – 47 entfallen, da keine Sache des Stadtgerichts.
Am 12. März antwortet der Amtmann zu Witzenhausen:
Punkt 43: Darin, daß auch solche, welche das gesetzte Vermögen nicht gehabt, ehe und bevor sie die Aufnahme gehabt, Tolerance- und Schutzbrieffe ausgewürckt und ertheilet worden.
Punkt 44: Im Amt wohnen keine Juden und über die Juden in der Stadt hat der Reservatenkommissar die Aufsicht an sich gezogen.
Punkt 45: Die Aufnahmebriefe erteilt vertragsgemäß die [Rotenburger] Kanzlei. Die Höhe der Gebühren ist unbekannt.
Punkt 46: Die Zahl der aufgenommenen Juden, und was sie an Schutz- und Federlappengeld bezahlen, kann auf Wunsch mit Rechnungsauszügen belegt werden.
Punkt 47: Der Handel ist unterschiedlich, bestehet in Wahren oder Viehe. Außer den bei der Stadt vorgebrachten sind keine Beschwerden bekannt.
Bei der vom 10. Bis 14. März im Amt Abterode durchgeführten Visitation antwortet der Amtmann:
Punkz 43: Verstöße gegen die Judenordnung sind ihm nicht bekannt.
Punkt 44: Alle Juden ohne landesherrlichen Schutz und Duldungsschein sind von ihm ausgewiesen worden und Christen wie Juden ist es bei Strafe untersagt, sie bei sich aufzunehmen.
Punkt 45: Die Aufnahme der Juden muss von der Samtkanzlei in Rotenburg genehmigt werden, was sie dafür zahlen ist unbekannt.
Punkt 46: Die Juden bezahlen Schutz-, Federlappen-, Silber-, auch Beytragsgelder nach eines jeden Vermögen, und variiret dahero die Summa.
Punkt 47: In Abterode leben 36 Juden ohne die Witwen, in Germerode einer, in Frankershausen 12. Handeln mit Pferdten undt Viehe und sonst mit allerhandt Waaren undt haußiren außerhalb in- und außerhalb Landes mit Waaren. Die meinsten haben wenig im Vermögen, sondern verarmen succesive. Gegenwärttig ist mihr von keiner besonderen undt gegründeten Beschwerde derer Christen gegen die Juden etwas beckandt.
Mit Präsentatum vom 17. März geht in Eschwege der Bericht des Amtmanns zu Germerode ein. Er erklärt unter Punkt III 3 bezüglich des Hausierhandels: Es pflegt auch hier kein sonderliches Hausiren außer denen mit Packen versehenen Juden, die ihm aber nichts zahlen. Zu Punkt 43 erklärt er, davon nichts zu wissen. Punkt 44: es werden keine Juden ohne landesherrlichen Schutrz aufgenommen. Punkt 45. die Aufnahmebriefe stellt die Kanzlei in Rotenburg aus. Was dafür bezahlt wird, weiß er nicht. Zu den Punkten 46 und 47 weiß er nichts.
Am 18. März teilt die Gemeinde Wendershausen mit, dass sie die Fragen 43 – 47 nicht beantworten kann, weillen uns dergleichen nicht bekannt.
Mit Präsentatum vom 21. März geht in Eschwege der Bericht für Stadt und Amt Rotenburg ein. Zu den Punkten 43 – 46 heißt es:
Die Judenordnung wird eingehalten. Die ohne Schutz oder Toleranzschein in Stadt und Amt Rotenburg lebenden Juden sind auszuweisen, da aber die Kasseler Rentkammer damit den Reservatenkommissar beauftragt hat, obliegt es auch allein diesem für die Ausweisung zu sorgen. Dass die in der Quart ansässigen Juden bei der Rotenburger Kanzlei Aufnahmebriefe beantragen und auslösen ist bekannt, wieviel sie dafür an Sporteln zahlen nicht. In der Renterei zahlen die Juden nach Erhalt des Kasseler Schutzes Schutz- und Federlappengeld. Die Anzahl der Juden in Stadt und Amt Rotenburg beläuft sich auf 26. Sie handeln nur mit erlaubten Waren, Pferden und Vieh. Beschwerden christlicher Untertanen gibt es nicht.
Am 22. März erklärt der Amtmann zu Eschwege:
Punkt 43: Die Judenordnung wird befolgt.
Punkt 44: Juden ohne Schutz- und Toleranzschein werden in Stadt und Amt nicht geduldet. Nachdem aber eußerlichem Vernehmen nach von Seithen königl[icher] und hochfürstl[icher] Renthcanmmer die Obsorge in dergleichem dem allhiesigen Reservatcommissario aufgetragen worden, dießer aber sich in dergleichen von dem Ambte nicht vorgreiffen läßet, so überläßet man ihm auch gantz billig die Verantwortung insofern sich etwa dergleichen Juden im Ambte eingeschlichen und auffgehalten hätten […]
Punkt 45 bekanntermaßen suchen die in der Quart ansässigen Juden bei der Rotenburger Kanzlei Aufnahmebriefe zu erhalten. Wieviel sie dafür zahlen, weiß man nicht.
Punkt 46: In die Eschweger Renterei zahlten die Juden nur das in ihrem beim Gesuch um landesherrlichen Schutz vorzulegenden Aufnahmebrief festgelegte Schutz- und Federlappengeld.
Punkt 47: in Stadt und Amt Eschwege leben 26 Juden, deren Handel in allerley, doch nicht anders alß erlaubten Waaren, Pferdt- und Rindtvieh bestehet, wogegen es keine Beschwerden von den Christen gibt, auf die hin ihnen richterliche Hilfe versagt worden wäre.
Mit Präsentatum vom 30. März 1746 geht in Eschwege die Antwort des Amtmanns zu Wanfried ein:
Punkt 43: In den Amtsdörfern gibt es keine Juden.
Punkt 44: Cessat
Punkt 45: Gemäß den Hausverträgen zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Rheinfels-Rotenburg haben die Juden neben den landesherrlichen Schutzbriefen noch besondere Aufnahmebriefe bei der Kanzlei in Rotenburg zu erwerben. Was sie dafür zahlen ist nicht bekannt.
46 – 47: Wie bereits erwähnt, wohnen in den Amtsdörfern keine Juden.
Am 29. Juni überschickt der Amtmann zu Sontra seinen Bericht.
Punkt 43: Die Judenordnung wird eingehalten
Punkt 44: Die Juden in der Stadt haben alle landesherrlichen Schutz. Im Amt wohnen keine.
Punkt 45: Von der Rotenburger Samtkanzlei erhalten die Juden Aufnahmebriefe und werden damit angewiesen, sich binnen vier Wochen in Kassel um Schutzbriefe zu bemühen und zum Beweis dessen einen Toleranzschein vorzulegen.
Punkt 46: die Juden zahlen der hessen-rheinfels-rotenburgischen Landesherrschaft Schutz- und Federlappengeld wie in den Aufnahmebriefen, die vor Erhalt der Schutzbriefe vorgelegt werden müssen, vereinbart. Die Höhe des nach Kassel zu entrichtenden Schutz- und Silbergeldes ist nicht bekannt, da diese Gelder vom Reservatenkommissar erhoben worden.
Punkt 47: Anzahl und Namen der Eschweger Juden ist aus einer beigefügten [leider nicht beiliegenden] Liste zu ersehen. Etliche Juden haben ihren ziemb[lichen] und Nahrung, die Mehresten aber haben mit Unterhaltung ihrer Kinder und Praestation der herrschaft[lichen] Onerum ihre vollkommene Last.

Weitere Angaben

protokollierte Niederschriften

Nachweise

Edition

Quellen zur Geschichte der Juden im Hessischen Staatsarchiv Marburg / Nachträge von Uta Löwenstein (ungedruckt), Nr. NL 612.

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Anlässlich der Kasseler Landesvisitation erfolgte Befragung wegen der Juden in der Quart“, in: Quellen zur jüdischen Geschichte <https://lagis.hessen.de/de/quellen-und-materialien/quellen-zur-juedischen-geschichte/alle-eintraege/14658_anlaesslich-der-kasseler-landesvisitation-erfolgte-befragung-wegen-der-juden-in-der-quart> (aufgerufen am 25.11.2025)

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